Distelöl

Distelöl – Linolsäure-Champion mit Schattenseiten

Von Yannik 22. Dezember 2025 14 Min. Lesezeit

Ein Öl mit dem höchsten Linolsäuregehalt aller Pflanzenöle – klingt zunächst beeindruckend. Doch was bedeutet das konkret für die Gesundheit? Distelöl wird oft als „Diätspeiseöl" beworben und soll den Cholesterinspiegel günstig beeinflussen. Gleichzeitig warnen Ernährungsexperten vor einem Zuviel an Omega-6-Fettsäuren. Dieser Artikel beleuchtet, was Distelöl tatsächlich kann, wo seine Grenzen liegen und worauf bei der Verwendung zu achten ist.

Herkunft und Gewinnung

Distelöl, auch als Safloröl oder Färberdistelöl bekannt, wird aus den Samen der Färberdistel (Carthamus tinctorius) gewonnen. Diese Pflanze gehört zur Familie der Korbblütler und wird seit über 3500 Jahren kultiviert. Ursprünglich stammt sie aus Ostasien und dem Nahen Osten. Im Alten Ägypten dienten die intensiv gelb-rot leuchtenden Blütenblätter zum Färben von Textilien – daher der Name „Färberdistel" [1]. Mit den Römern gelangte die Pflanze nach Mitteleuropa. Heute wird sie vor allem in den USA, Mexiko, Indien, Australien und Russland angebaut.

In der Antike wurde das Öl der Färberdistel nicht nur zum Färben, sondern auch für Lampen und Salben verwendet. Die Pflanze wird manchmal auch als „Falscher Safran" bezeichnet, weil die Blütenblätter früher als preiswerter Ersatz für echten Safran zum Färben von Speisen dienten. In der traditionellen chinesischen Medizin gilt Distelöl als schmerzstillendes Mittel. Auch bei Rheuma, Verstauchungen und Quetschungen wurde es topisch angewendet [22]. Wissenschaftliche Belege für diese traditionellen Anwendungen sind jedoch begrenzt.

Bei der Gewinnung unterscheidet man zwei Verfahren: Bei der Kaltpressung werden die Samen bei Temperaturen unter 70 °C gepresst. Diese Methode erhält die wertvollen Inhaltsstoffe, weshalb kaltgepresstes Distelöl als hochwertiger gilt. Das Rohöl hat einen leicht kratzenden Geschmack und wird daher meist teilraffiniert. Bei der Heißpressung werden die Samen auf bis zu 170 °C erhitzt und das Öl anschließend raffiniert. Dabei gehen viele hitzeempfindliche Nährstoffe verloren, dafür ist das Öl länger haltbar und hat einen höheren Rauchpunkt [2].

Anbau und Produktion

Die Färberdistel ist eine anspruchslose Pflanze, die auch auf trockenen, nährstoffarmen Böden gedeiht. Sie verträgt Trockenheit gut, was sie für den Anbau in ariden Regionen attraktiv macht. Die Samen enthalten je nach Sorte zwischen 23 und 37 Prozent Öl [5]. Die wichtigsten Anbauländer sind die USA (vor allem Kalifornien), Indien, Mexiko, Kasachstan und Australien. In Deutschland spielt der Anbau eine untergeordnete Rolle.

Der Ölgehalt der Samen variiert je nach Sorte, Anbaubedingungen und Erntezeitpunkt. Auch die Fettsäurezusammensetzung kann schwanken. Moderne Züchtungen haben sowohl High-Linoleic- als auch High-Oleic-Sorten hervorgebracht, die jeweils für unterschiedliche Anwendungen optimiert sind.

Fettsäurezusammensetzung im Detail

Was Distelöl von anderen Pflanzenölen unterscheidet, ist seine Fettsäurezusammensetzung. Mit einem Gehalt von 75 bis 80 Prozent Linolsäure übertrifft es alle anderen natürlichen Öle. Linolsäure ist eine zweifach ungesättigte Omega-6-Fettsäure mit 18 Kohlenstoffatomen. Der Körper kann sie nicht selbst herstellen, weshalb sie als essenziell gilt und über die Nahrung aufgenommen werden muss [3].

FettsäureAnteilKategorie
Linolsäure (Omega-6)75–80 %mehrfach ungesättigt
Ölsäure (Omega-9)10–12 %einfach ungesättigt
Palmitinsäure5–7 %gesättigt
Stearinsäure2–3 %gesättigt

Wichtig: Neben dem klassischen High-Linoleic-Distelöl gibt es auch High-Oleic-Varianten. Diese wurden durch Züchtung so verändert, dass sie einen deutlich höheren Anteil an Ölsäure (bis zu 84 Prozent) und einen geringeren Linolsäuregehalt aufweisen [4]. High-Oleic-Distelöl ist oxidationsstabiler und eignet sich daher besser zum Erhitzen.

Vitamine und weitere Inhaltsstoffe

Neben den Fettsäuren enthält Distelöl auch Vitamin E in Form von Tocopherolen. Der Gehalt schwankt je nach Sorte und Verarbeitung zwischen 35 und 70 mg pro 100 ml Öl [5]. Das biologisch aktivste Alpha-Tocopherol macht dabei den größten Anteil aus. Vitamin E wirkt als Antioxidans und schützt die mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Öl vor Oxidation – ein natürlicher Konservierungsmechanismus.

Zudem finden sich im Öl geringe Mengen an Vitamin K sowie Phytosterole. Diese pflanzlichen Sterine ähneln strukturell dem Cholesterin und können dessen Aufnahme im Darm hemmen. Allerdings sind die Mengen in Distelöl gering. Das Öl besteht zu nahezu 100 Prozent aus Fett; andere Makronährstoffe wie Kohlenhydrate oder Proteine fehlen [6].

Linolsäure und der Cholesterinspiegel

Für Linolsäure existiert ein von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassener Health Claim: „Linolsäure trägt zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei" [7]. Dieser Claim darf nur verwendet werden, wenn das Lebensmittel mindestens 1,5 g Linolsäure pro 100 g und pro 100 kcal bereitstellt. Die positive Wirkung stellt sich laut EFSA bei einer täglichen Aufnahme von 10 g Linolsäure ein – das entspricht etwa 12 bis 13 g Distelöl, also ungefähr zwei Esslöffeln täglich.

Eine achtwöchige Studie zeigte, dass eine Ernährungsumstellung mit Safloröl das Gesamtcholesterin um 9 bis 15 Prozent und das LDL-Cholesterin um 12 bis 20 Prozent senken konnte [8]. Eine Netzwerk-Metaanalyse von 54 Studien kam zu dem Ergebnis, dass Distelöl unter allen untersuchten Ölen die höchsten SUCRA-Werte für die Senkung von LDL-Cholesterin (82 Prozent) und Gesamtcholesterin (90 Prozent) aufwies [9]. Allerdings zeigte eine andere Untersuchung, dass zwischen Olivenöl und Distelöl kein Unterschied bei der Cholesterinsenkung bestand – entscheidender war der Verzicht auf gesättigte Fettsäuren aus Fleisch [10].

Mechanismus der Cholesterinsenkung

Linolsäure kann die Aufnahme und Ausscheidung von Cholesterin über die Leber und die Galle aktivieren. Dies führt zu niedrigeren LDL-Cholesterinwerten im Blut [11]. Das LDL-Cholesterin gilt als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine Metaanalyse von 26 Studien ergab, dass jede Senkung des LDL-Cholesterins um 1 mmol/l mit einer 20-prozentigen Risikoreduktion für koronare Herzkrankheiten verbunden war [9].

Stoffwechsel der Linolsäure im Körper

Nach der Aufnahme über die Nahrung wird Linolsäure im Körper zu längerkettigen Fettsäuren umgewandelt. Der erste Schritt ist die Bildung von Gamma-Linolensäure (GLA), die durch das Enzym Delta-6-Desaturase katalysiert wird. Aus GLA entsteht dann Dihomo-Gamma-Linolensäure (DGLA), die wiederum zu Arachidonsäure umgewandelt werden kann [14].

DGLA und Arachidonsäure sind Vorstufen von Eicosanoiden – hormonähnlichen Botenstoffen, die verschiedene Körperfunktionen regulieren. Aus DGLA entstehen eher entzündungshemmende Prostaglandine der Serie 1, während Arachidonsäure Vorstufe von Prostaglandinen der Serie 2 ist, die Entzündungen fördern können. Das Verhältnis dieser Botenstoffe beeinflusst Entzündungsprozesse, die Blutgerinnung und die Immunfunktion.

Wichtig: Die Umwandlung von Linolsäure zu Arachidonsäure ist im Körper begrenzt. Bei den meisten Menschen wird nur ein kleiner Teil der aufgenommenen Linolsäure tatsächlich zu Arachidonsäure umgewandelt. Direkte Arachidonsäure aus tierischen Lebensmitteln (Fleisch, Eier) hat daher einen stärkeren Einfluss auf den Arachidonsäurespiegel im Körper als pflanzliche Linolsäure [14].

Das Omega-6/Omega-3-Verhältnis – ein kritischer Punkt

Hier liegt die Kehrseite des hohen Linolsäuregehalts. Distelöl enthält fast ausschließlich Omega-6-Fettsäuren und praktisch keine Omega-3-Fettsäuren. Das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 liegt bei klassischem Distelöl bei etwa 130:1 bis 150:1 [12]. Zum Vergleich: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt ein Verhältnis von maximal 5:1. In der westlichen Ernährung liegt es oft bei 15:1 oder höher [13].

Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren konkurrieren im Stoffwechsel um dieselben Enzyme. Aus Linolsäure bildet der Körper über mehrere Zwischenstufen die Arachidonsäure, aus der wiederum Botenstoffe (Eicosanoide) entstehen, die Entzündungsprozesse fördern. Omega-3-Fettsäuren bilden hingegen Botenstoffe mit eher entzündungshemmender Wirkung [14]. Ein Übermaß an Omega-6 kann daher die Umwandlung von Omega-3-Fettsäuren in ihre aktiven Formen hemmen.

ÖlOmega-6/Omega-3-Verhältnis
Distelöl130–150:1
Sonnenblumenöl120:1
Olivenöl10:1
Rapsöl2:1
Leinöl1:4 (mehr Omega-3)

Neuere Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass das Thema komplexer ist als ursprünglich angenommen. Eine Studie der Universität Bristol ergab, dass Omega-3-Fettsäuren in manchen Fällen sogar Entzündungsmarker erhöhen können [15]. Entscheidend scheint weniger die isolierte Betrachtung einzelner Fettsäuren zu sein, sondern das Gesamtmuster der Ernährung.

Empfehlung für die Praxis

Wer regelmäßig Distelöl verwendet, sollte darauf achten, auch Omega-3-reiche Lebensmittel zu konsumieren. Dazu gehören fetter Seefisch (Lachs, Makrele, Hering), Leinöl, Walnüsse oder Algenöl. Ernährungsexperten empfehlen, Distelöl im Wechsel mit anderen Ölen wie Rapsöl oder Olivenöl zu verwenden, um ein günstigeres Fettsäureverhältnis zu erreichen [16].

Verwendung in der Küche

Distelöl hat einen milden, leicht nussig-herben Geschmack und eine goldgelbe bis leicht rötliche Farbe. Es ist nahezu geschmacksneutral und überdeckt andere Aromen nicht. Das macht es vielseitig einsetzbar – allerdings mit Einschränkungen bezüglich der Temperatur.

Einsatzmöglichkeiten in der kalten Küche

Kaltgepresstes Distelöl eignet sich hervorragend für die kalte Küche. Es unterstreicht den Eigengeschmack von Salaten, ohne ihn zu überlagern. Auch für Marinaden, Vinaigrettes und Dips ist es gut geeignet. In Smoothies kann ein Spritzer Distelöl hinzugefügt werden, um die Aufnahme fettlöslicher Vitamine zu verbessern. Quarkspeisen, Pestos und pflanzliche Brotaufstriche profitieren ebenfalls vom milden Geschmack des Öls.

Ein besonderer Vorteil: Distelöl verbindet sich gut mit anderen Zutaten und bildet stabile Emulsionen. Daher wird es auch in der Lebensmittelindustrie als Grundlage für Mayonnaise und Salatdressings verwendet.

Rauchpunkt und Hitzestabilität

Der Rauchpunkt beschreibt die Temperatur, ab der ein Öl zu rauchen beginnt. Bei kaltgepresstem Distelöl liegt er bei etwa 150 °C [17]. Das ist für scharfes Anbraten oder Frittieren zu niedrig. Wird das Öl über den Rauchpunkt erhitzt, können sich gesundheitsschädliche Stoffe wie Acrolein bilden. Raffiniertes Distelöl hat mit etwa 210 °C einen deutlich höheren Rauchpunkt und kann daher zum Braten bei mittleren Temperaturen (bis 180 °C) verwendet werden [18].

  • Kaltgepresstes Distelöl: nur für die kalte Küche (Salate, Dips, Rohkost) oder zum schonenden Dünsten bis maximal 70 °C
  • Raffiniertes Distelöl: geeignet zum Kochen und Braten bei Temperaturen bis 180 °C
  • High-Oleic-Distelöl: mit einem Rauchpunkt bis 210 °C auch für höhere Temperaturen geeignet

Wichtig: Kaltgepresstes Distelöl oxidiert aufgrund seines hohen Gehalts an mehrfach ungesättigten Fettsäuren schnell. Nach dem Öffnen sollte es innerhalb von vier bis acht Wochen verbraucht werden. Eine kühle, dunkle Lagerung verlängert die Haltbarkeit [19].

Dosierung und tägliche Menge

Um den von der EFSA anerkannten Effekt auf den Cholesterinspiegel zu erzielen, sind täglich 10 g Linolsäure erforderlich. Das entspricht etwa 12 bis 13 g Distelöl – umgerechnet etwa zwei Esslöffel. Diese Menge liefert rund 110 Kilokalorien. Bei einer Gesamtkalorienaufnahme von 2000 Kilokalorien macht das etwa 5,5 Prozent der Tagesenergie aus.

Allerdings sollte diese Menge nicht als Empfehlung für alle Menschen verstanden werden. Wer bereits viele Omega-6-reiche Lebensmittel konsumiert, benötigt nicht unbedingt zusätzliches Distelöl. Wichtiger ist eine insgesamt ausgewogene Fettaufnahme mit einem günstigen Verhältnis von gesättigten zu ungesättigten Fettsäuren.

Anwendung in der Hautpflege

Distelöl findet auch in der Kosmetik Verwendung. Es zieht schnell ein, fettet nicht nach und hinterlässt keinen Fettfilm auf der Haut. Das liegt am hohen Linolsäuregehalt: Öle mit viel Linolsäure gelten als „trocken" und nicht komedogen, das heißt, sie verstopfen die Poren nicht [20].

Linolsäure ist ein natürlicher Bestandteil der menschlichen Haut. Sie findet sich in den Ceramiden der Epidermis, die für die Barrierefunktion und den Feuchtigkeitshaushalt der Haut wichtig sind [3]. Bei äußerlicher Anwendung kann Linolsäure dazu beitragen, die Hautbarriere zu stärken und Feuchtigkeitsverlust zu reduzieren. Das Cosmetic Ingredient Review (CIR) Panel hat Safloröle als sicher für die kosmetische Anwendung bewertet [21].

In der traditionellen Anwendung wird Distelöl bei fettiger Haut mit Unreinheiten empfohlen, da es mattierend wirkt. Es wird auch zur Behandlung von Seborrhö (übermäßiger Talgproduktion) und bei Haut mit Entzündungsneigung eingesetzt [22]. Wissenschaftlich gut belegt sind diese Anwendungen allerdings nicht.

Ceramide und die Hautbarriere

Die oberste Hautschicht, das Stratum corneum, besteht aus abgestorbenen Hautzellen, die in einer Lipidmatrix eingebettet sind. Diese Matrix enthält Ceramide, freie Fettsäuren und Cholesterin. Das quantitativ bedeutsamste Ceramid ist Ceramid 1, dessen Hauptbestandteil Linolsäure ist [3]. Bei einem Mangel an Linolsäure wird die Hautbarriere durchlässiger, was zu Feuchtigkeitsverlust und erhöhter Empfindlichkeit führen kann.

Ob topisch aufgetragene Linolsäure aus Distelöl tatsächlich in die Ceramide eingebaut wird, ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Studien zeigen jedoch, dass Linolsäure bei äußerlicher Anwendung irritativer Kontaktdermatitis entgegenwirken und chronische Lichtschäden der Haut mindern kann [3]. Auch bei Altersflecken wurden in Untersuchungen Verbesserungen beobachtet.

Haarpflege mit Distelöl

Auch für die Haarpflege wird Distelöl empfohlen. Die enthaltene Linolsäure soll den Fett- und Feuchtigkeitshaushalt der Kopfhaut regulieren. Bei fettiger Kopfhaut kann das Öl mattierend wirken. Zudem soll es die Haarzellen besser mit Nährstoffen versorgen. Wissenschaftliche Studien, die diese Effekte belegen, fehlen jedoch weitgehend. Die Anwendung erfolgt meist als Kopfhautmassage vor dem Waschen oder als Bestandteil von Haarpflegeprodukten.

Vergleich mit anderen Pflanzenölen

Ob Distelöl „besser" ist als andere Öle, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt vom Verwendungszweck und dem individuellen Bedarf ab.

ÖlLinolsäureÖlsäureRauchpunkt (nativ)Besonderheit
Distelöl75–80 %10–12 %150 °CHöchster Linolsäuregehalt
Sonnenblumenöl55–65 %20–30 %107 °CSehr reich an Vitamin E
Olivenöl6–14 %55–83 %130–180 °CReich an Polyphenolen
Rapsöl18–22 %55–65 %130–190 °CGünstiges Omega-6/3-Verhältnis
Leinöl12–18 %18–22 %107 °CReich an Alpha-Linolensäure (Omega-3)

Olivenöl punktet durch seinen Gehalt an Polyphenolen, die antioxidativ wirken. Rapsöl bietet ein günstiges Omega-6/Omega-3-Verhältnis von etwa 2:1. Leinöl ist die beste pflanzliche Quelle für Alpha-Linolensäure (eine Omega-3-Fettsäure), oxidiert aber sehr schnell. Distelöl hat den höchsten Linolsäuregehalt – ob das ein Vorteil ist, hängt von der restlichen Ernährung ab.

Kritische Bewertung der Werbeaussagen

Distelöl wird oft als „Diätspeiseöl" oder „herzgesundes Öl" vermarktet. Solche Aussagen sind nicht vollständig nachvollziehbar, wenn man die Gesamtlage betrachtet:

Positiv ist der von der EFSA anerkannte Zusammenhang zwischen Linolsäure und der Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels. Die Studienlage zur Cholesterinsenkung durch Distelöl ist insgesamt gut. Allerdings zeigt sich dieser Effekt nur bei ausreichend hoher Aufnahme (mindestens 10 g Linolsäure täglich) und im Kontext einer insgesamt fettarmen Ernährung mit wenig gesättigten Fettsäuren.

Kritisch zu sehen ist die Bewerbung als generell „gesundes" Öl. Der extrem hohe Omega-6-Gehalt bei gleichzeitig fehlendem Omega-3 kann bei einseitiger Verwendung das Fettsäureverhältnis im Körper ungünstig verschieben. Wer sich ohnehin schon mit viel Fleisch, Eiern und anderen Omega-6-reichen Lebensmitteln ernährt, tut seinem Körper mit zusätzlichem Distelöl keinen Gefallen [23].

Lagerung und Haltbarkeit

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind oxidationsempfindlich. Licht, Wärme und Sauerstoff beschleunigen den Verderb. Distelöl sollte daher kühl (idealerweise im Kühlschrank), dunkel und gut verschlossen aufbewahrt werden. Eine ungeöffnete Flasche hält bei korrekter Lagerung 9 bis 12 Monate. Nach dem Öffnen sollte das Öl innerhalb von vier bis acht Wochen verbraucht werden [24]. Ranziges Öl erkennt man am unangenehmen, stechenden Geruch. Es sollte nicht mehr verwendet werden, da oxidierte Fettsäuren gesundheitsschädlich sein können.

Fazit

Distelöl ist ein hochwertiges Speiseöl mit dem höchsten natürlichen Linolsäuregehalt aller Pflanzenöle. Die EFSA hat den positiven Einfluss von Linolsäure auf den Cholesterinspiegel bestätigt, vorausgesetzt, die tägliche Aufnahme beträgt mindestens 10 g. Für die kalte Küche ist kaltgepresstes Distelöl gut geeignet – sein milder, nussiger Geschmack passt zu Salaten, Dips und Rohkost. Zum Braten sollte nur die raffinierte oder High-Oleic-Variante verwendet werden.

Der hohe Omega-6-Gehalt ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. Wer ausschließlich auf Distelöl setzt, riskiert ein ungünstiges Fettsäureverhältnis. Daher empfiehlt es sich, verschiedene Öle abzuwechseln und auf eine ausreichende Omega-3-Zufuhr zu achten. Als Teil einer ausgewogenen Ernährung kann Distelöl durchaus einen Beitrag zur Gesundheit leisten – aber eben nur als Teil, nicht als Allheilmittel.

📚 Quellen (24 Quellen)

Quellen

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