Wer japanisch kochen möchte, kommt um eine Zutat nicht herum: Dashi. Diese unscheinbare, klare Brühe ist das Fundament unzähliger Gerichte – von der Misosuppe über Ramen bis hin zu Eintöpfen. Doch was macht diese Brühe so besonders? Und warum führte ihre Erforschung zur Entdeckung eines völlig neuen Geschmacks, der die westliche Wissenschaft fast ein Jahrhundert lang ignorierte? Die Antworten reichen von der traditionellen Tempelküche buddhistischer Mönche bis hin zu modernen Laboren, in denen Forscher heute untersuchen, wie Dashi dabei helfen könnte, den Salzkonsum zu reduzieren.
Was ist Dashi und woher stammt diese Brühe?
Dashi bezeichnet eine Familie japanischer Brühen, die als Grundlage für zahlreiche Gerichte der japanischen Küche dienen [1]. Anders als westliche Bouillons, die oft stundenlang köcheln müssen, entsteht Dashi in relativ kurzer Zeit – meist innerhalb von 20 bis 30 Minuten. Die Brühe wird nicht durch langes Auskochen von Fleisch oder Knochen gewonnen, sondern durch das sanfte Extrahieren von Aromastoffen aus sorgfältig verarbeiteten Zutaten wie getrockneter Seetang und fermentierten Fischflocken [2].
Die Geschichte der Brühe reicht weit zurück. Bereits in der Jomon-Zeit (etwa 13.000 bis 300 v. Chr.) wurde in Japan gekocht, und Brühen aus Muschelschalen und Fischgräten dienten zum Würzen anderer Speisen [3]. Die Kombination von Kombu (getrockneter Seetang) und Katsuobushi (getrocknete Bonitoflocken) entwickelte sich dann vor allem in der Edo-Zeit (1603–1868) zum Standard der japanischen Küche [4]. In dieser Epoche wurden auch Gewürzmittel wie Miso und Sojasauce in den Städten in großen Mengen hergestellt, was die japanische Esskultur stark prägte.
Im Jahr 2013 wurde Washoku – die traditionelle japanische Küche – von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt [5]. Dashi bildet dabei ein geschmackliches Fundament dieser Küche. Die Brühe transportiert den sogenannten Umami-Geschmack, der als fünfter Grundgeschmack neben süß, sauer, salzig und bitter gilt.
Die Entdeckung des Umami-Geschmacks
Die Geschichte von Dashi ist eng mit der Entdeckung von Umami verbunden. Im Jahr 1908 untersuchte Professor Kikunae Ikeda von der damaligen Kaiserlichen Universität Tokyo die Brühe aus Kombu-Seetang [6]. Er hatte während eines Aufenthalts in Deutschland einen besonderen Geschmack in verschiedenen Speisen bemerkt, der nicht zu den vier bekannten Grundgeschmacksrichtungen passte. Nach seiner Rückkehr nach Japan erkannte er denselben Geschmack in traditionellem Dashi.
Ikeda verwendete 12 kg getrockneten Kombu und extrahierte daraus die geschmacksgebende Substanz [7]. Nach aufwendigen chemischen Verfahren isolierte er schließlich etwa 30 g Mononatriumglutamat (MSG), das Salz der Glutaminsäure. Er nannte diesen neu identifizierten Geschmack Umami – abgeleitet vom japanischen Wort für „köstlich" (umai) [8]. Noch im selben Jahr meldete Ikeda ein Patent für die Herstellung von MSG an, das später unter dem Markennamen „Ajinomoto" vermarktet wurde.
Die wissenschaftliche Anerkennung von Umami als eigenständiger Grundgeschmack dauerte jedoch fast ein Jahrhundert. Erst in den 1980er Jahren führten psychophysische, elektrophysiologische und biochemische Studien dazu, dass Umami international als fünfte Geschmacksqualität anerkannt wurde [9]. Die Entdeckung spezifischer Geschmacksrezeptoren für Umami auf der Zunge – insbesondere die Kombination aus T1R1 und T1R3 – bestätigte schließlich, dass es sich tatsächlich um einen eigenständigen Geschmackssinn handelt [10].
Die wichtigsten Dashi-Varianten
Je nach verwendeten Zutaten unterscheidet man verschiedene Arten von Dashi. Jede Variante hat ihre eigenen geschmacklichen Eigenschaften und wird für unterschiedliche Gerichte bevorzugt. Die Bandbreite reicht von reinen Einzelzutaten-Brühen bis hin zu komplexen Würzsaucen auf Dashi-Basis.
Awase-Dashi (Grund-Dashi)
Awase-Dashi ist die klassische Mischung aus Kombu (Seetang) und Katsuobushi (Bonito-Flocken) [11]. Das Wort „Awase" bedeutet „kombiniert" und verweist auf die Vereinigung zweier Umami-Quellen. Diese Brühe bildet das Fundament der japanischen Küche und liefert einen ausgewogenen Umami-Geschmack. Die Kombination beider Zutaten erzeugt einen synergistischen Effekt: Das Glutamat aus dem Kombu und das Inosinat aus dem Katsuobushi verstärken sich gegenseitig und können die Umami-Intensität um das Sieben- bis Achtfache steigern [12]. Awase-Dashi eignet sich für nahezu alle japanischen Gerichte, von Suppen über Schmorgerichte bis hin zu Saucen.
Ichiban-Dashi (Erste Brühe)
Ichiban-Dashi ist die erste, klare Brühe, die aus frischen Awase-Zutaten gewonnen wird [13]. Das Wort „Ichiban" bedeutet „erste" oder „beste". Diese Brühe zeichnet sich durch ihre Klarheit, ihr feines Aroma und ihren eleganten Geschmack aus. Sie wird hergestellt, indem Kombu und Katsuobushi jeweils nur einmal und für kurze Zeit verwendet werden. Ichiban-Dashi dient als Basis für hochwertige Gerichte wie klare Suppen (Osuimono), Chawanmushi (gedämpfter Eierstich) und andere Speisen, bei denen das Dashi-Aroma im Vordergrund steht. In gehobenen japanischen Restaurants (Ryotei) wird großer Wert auf perfekt zubereitetes Ichiban-Dashi gelegt. Analysen zeigten, dass das Verhältnis von Glutamat zu Inosinat in Ichiban-Dashi renommierter Restaurants nahezu 1:1 beträgt – die optimale Proportion für maximale Umami-Intensität [14].
Niban-Dashi (Zweite Brühe)
Niban-Dashi wird aus den Resten des Ichiban-Dashi hergestellt [15]. Nachdem Kombu und Katsuobushi für die erste Brühe verwendet wurden, werden sie erneut in Wasser gekocht – diesmal länger und bei höherer Temperatur. Das Ergebnis ist eine intensivere und kräftigere Brühe mit weniger feinem, aber deutlicherem Geschmack. Niban-Dashi eignet sich für Gerichte, bei denen die Dashi nicht die Hauptrolle spielt, etwa für Nimono (Schmorgerichte), zum Kochen von Gemüse oder als Basis für kräftig gewürzte Saucen. Diese Praxis vermeidet Lebensmittelverschwendung und nutzt die Zutaten optimal aus.
Kombu-Dashi
Kombu-Dashi wird ausschließlich aus getrocknetem Seetang der Gattung Laminaria hergestellt [16]. Kombu wird hauptsächlich vor der Küste Hokkaidos geerntet und nach dem Trocknen in Kellern gelagert, wobei hochwertiger Kombu zwischen einem und zehn Jahren reifen kann. Die Blätter können mehrere Meter lang werden und eine Breite von 10 bis 30 cm erreichen. Diese Brühe hat einen milden, dezenten Geschmack und ist vollständig vegan. Interessanterweise wird Kombu-Dashi in der japanischen Küche traditionell bevorzugt für Fisch- und Fleischgerichte verwendet. Der Grund: Das pflanzliche Dashi übertönt nicht die Eigenaromen von tierischen Zutaten, sondern hebt sie hervor. Für vegetarische Gerichte wird dagegen oft ein kräftigeres Dashi bevorzugt.
Katsuo-Dashi
Katsuo-Dashi wird ausschließlich aus Katsuobushi (getrockneten Bonito-Flocken) hergestellt [17]. Die Brühe hat ein kräftiges, leicht fischiges Aroma und einen ausgeprägten Umami-Geschmack durch den hohen Inosinat-Gehalt. Anders als Kombu-Dashi wird Katsuo-Dashi traditionell für Ei- oder Gemüsegerichte empfohlen. Das intensive Fischaroma verleiht pflanzlichen Zutaten mehr Tiefe und Komplexität. Die Herstellung von Katsuobushi ist ein aufwendiger Prozess, der mehrere Monate dauert und das Simmern, Räuchern und bei höherwertigen Produkten auch das Beimpfen mit speziellen Schimmelpilzen umfasst [18]. Während roher Bonito etwa 130 bis 270 mg Inosinat pro 100 g enthält, kann Katsuobushi 470 bis 700 mg pro 100 g aufweisen. Der Grund: Das Erhitzen beim Simmern deaktiviert Enzyme, die Inosinat sonst abbauen würden, sodass der Umami-Gehalt erhalten bleibt und sich durch den Trocknungsprozess konzentriert [26].
Niboshi-Dashi (Iriko-Dashi)
Niboshi-Dashi wird aus kleinen getrockneten Sardinen hergestellt und hat einen intensiven Meeresgeschmack [19]. In Westjapan werden diese Fische als Iriko bezeichnet, in Ostjapan als Niboshi. Die Brühe ist kräftiger und fischiger als Kombu- oder Awase-Dashi. Diese Variante wird häufig für Misosuppe verwendet, da der intensive Miso-Geschmack gut mit dem Fischaroma harmoniert. Zudem sind Niboshi meist günstiger als Katsuobushi, was bei dem hohen Konsum von Misosuppe in Japan ein praktischer Faktor ist. Manche Köche entfernen vor der Zubereitung die Köpfe und Eingeweide der kleinen Fische, um einen weniger bitteren Geschmack zu erzielen.
Shiitake-Dashi
Shiitake-Dashi wird aus getrockneten Shiitake-Pilzen gewonnen und ist eine weitere pflanzliche Option [20]. Die Brühe entsteht, indem getrocknete Pilze mehrere Stunden oder über Nacht in kaltem Wasser eingeweicht werden. Getrocknete Shiitake enthalten Guanylat – einen weiteren Umami-Träger –, der beim Trocknen durch den enzymatischen Abbau von Ribonukleinsäure entsteht [21]. Frische Shiitake enthalten dagegen kaum Guanylat, weshalb für Dashi ausschließlich getrocknete Pilze verwendet werden. Shiitake-Dashi hat einen intensiven Pilzgeschmack und wird daher oft mit Kombu-Dashi kombiniert – typischerweise im Verhältnis 1:2 (ein Teil Shiitake-Dashi, zwei Teile Kombu-Dashi). Diese Kombination wird als Shojin-Dashi bezeichnet und ist die traditionelle vegane Variante der buddhistischen Tempelküche.
Shojin-Dashi (Vegane Variante)
Die vegane Dashi-Variante ist keine neue Erfindung. Sie entstand vor etwa 1.500 Jahren mit dem Einzug des Buddhismus in Japan [22]. Buddhistische Mönche, die auf Fleisch und Fisch verzichteten, entwickelten eine Brühe aus Kombu und getrockneten Shiitake-Pilzen. Diese Variante wird als Shojin-Dashi bezeichnet – benannt nach Shojin-Ryori, der vegetarischen Tempelküche. Wissenschaftlich betrachtet ist die Umami-Synergie bei der Kombination von Glutamat (aus Kombu) und Guanylat (aus Shiitake) sogar noch stärker als bei der klassischen Kombination mit Inosinat [23].
Shirodashi
Shirodashi ist ein konzentriertes, goldfarbenes Würzmittel auf Dashi-Basis [24]. Der Name bedeutet „weißes Dashi" und bezieht sich auf die helle Farbe im Vergleich zu dunkleren Sojasaucen-Produkten. Shirodashi kombiniert Dashi mit heller Sojasauce (Usukuchi Shoyu), Mirin und manchmal Sake. Das Ergebnis ist eine vielseitige Würzflüssigkeit, die den Umami-Geschmack von Dashi mit einer leichten Salz- und Süßenote verbindet. Shirodashi wird verdünnt als schnelle Suppengrundlage verwendet oder direkt zum Würzen von Gerichten, ohne deren Farbe zu verändern. Diese Eigenschaft macht es besonders für helle Suppen, Eierspeisen und gedämpfte Gerichte geeignet.
Tsuyu
Tsuyu ist eine dunkle Würzsauce, die Dashi mit Sojasauce und Mirin kombiniert [25]. Anders als das helle Shirodashi verwendet Tsuyu dunkle Sojasauce (Koikuchi Shoyu), was ihm eine tiefbraune Farbe und einen kräftigeren Geschmack verleiht. Tsuyu wird hauptsächlich als Dip-Sauce für kalte Nudeln wie Soba und Somen verwendet, kann aber auch verdünnt als warme Nudelbrühe dienen. Die fertige Sauce ist in Japan weit verbreitet und wird oft als Mentsuyu (Nudel-Tsuyu) bezeichnet. Das Verhältnis von Dashi, Sojasauce und Mirin variieshrt je nach Hersteller und beabsichtigter Verwendung.
Die Biochemie hinter dem Umami-Geschmack
Der Umami-Geschmack wird durch drei Hauptsubstanzen ausgelöst: Glutamat, Inosinat und Guanylat [26]. Diese Stoffe aktivieren spezifische Rezeptoren auf der Zunge, die zur Familie der T1R-Rezeptoren gehören. Die Kombination aus T1R1 und T1R3 reagiert besonders stark auf Glutamat in Verbindung mit den 5'-Ribonukleotiden Inosinat und Guanylat.
| Umami-Substanz | Hauptquelle in Dashi | Chemische Bezeichnung |
|---|---|---|
| Glutamat | Kombu (Seetang) | L-Glutaminsäure |
| Inosinat | Katsuobushi (Bonitoflocken) | 5'-Inosinmonophosphat (IMP) |
| Guanylat | Getrocknete Shiitake-Pilze | 5'-Guanosinmonophosphat (GMP) |
Das Besondere an Dashi ist der synergistische Effekt zwischen diesen Substanzen. Wenn beispielsweise Glutamat und Inosinat in einem Verhältnis von etwa 1:1 kombiniert werden, kann die wahrgenommene Umami-Intensität bis zu acht Mal stärker sein als bei jeder Substanz allein [12]. Analysen von Ichiban-Dashi aus renommierten japanischen Restaurants zeigten, dass das Verhältnis von Glutamat zu Inosinat, wie oben bereits erwähnt wurde, tatsächlich nahezu 1:1 beträgt [14]. Dies deutet darauf hin, dass erfahrene Köche über Generationen hinweg empirisch die optimalen Proportionen für den intensivsten Umami-Geschmack gefunden haben.
Nährstoffprofil und Jodgehalt
Dashi selbst ist eine kalorienarme Brühe, deren Nährstoffgehalt stark von den verwendeten Zutaten abhängt. Die Hauptzutaten bringen jedoch jeweils eigene Nährstoffe mit.
Kombu als Jodquelle
Kombu ist eine der reichhaltigsten natürlichen Jodquellen überhaupt [27]. Der Jodgehalt kann je nach Art und Herkunft erheblich variieren. Eine Schale Nudelsuppe auf Kombu-Dashi-Basis kann bis zu 10 mg Jod enthalten – das entspricht etwa dem 70-fachen der empfohlenen Tagesdosis [28]. Ob dies zu viel ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Offizielle Gesundheitsbehörden unterscheiden sich in ihren Angaben zur maximal sicheren täglichen Jodaufnahme: In Großbritannien liegt der Grenzwert bei 0,5 mg, in den USA bei 1,1 mg und in Japan bei 3 mg pro Tag.
Jod wird für die Produktion von Schilddrüsenhormonen benötigt. Die Schilddrüse reguliert ihre Jodaufnahme normalerweise, um eine angemessene Hormonproduktion sicherzustellen. Bei Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen oder vorherigem Jodmangel kann eine übermäßige Jodzufuhr jedoch dazu führen, dass diese Regulation nicht mehr richtig funktioniert [29]. Wer regelmäßig Kombu konsumiert, sollte dies beachten.
Es gibt Methoden, den Jodgehalt in der Brühe zu reduzieren. Eine Möglichkeit ist, den Kombu vor der Dashi-Zubereitung 30 Minuten in Wasser einzuweichen und dieses Einweichwasser zu verwerfen [30]. Dadurch wird ein Teil des Jods ausgewaschen, während ein Großteil des Geschmacks erhalten bleibt.
Katsuobushi als Proteinquelle
Katsuobushi ist reich an Proteinen. Während frischer Bonito etwa 25 Prozent Protein enthält, liegt der Proteingehalt von Katsuobushi bei etwa 77 Prozent [31]. Zudem enthält es B-Vitamine. Allerdings werden die Flocken nur kurz in der Brühe gezogen und dann entfernt, sodass nur ein kleiner Teil der Nährstoffe in die Brühe übergeht.
Dashi und Salzreduktion in der Ernährung
Ein Forschungsgebiet, das in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, ist die Verwendung von Umami-Substanzen zur Reduktion des Salzkonsums. Übermäßiger Salzkonsum gilt als Risikofaktor für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen [32]. Die durchschnittliche Salzaufnahme liegt in vielen westlichen Ländern deutlich über den empfohlenen Grenzwerten.
Mehrere Studien haben untersucht, ob Glutamat den salzigen Geschmack verstärken und so eine Reduktion des Salzgehalts ohne Einbußen beim Geschmack ermöglichen kann. Eine japanische Studie mit 584 Teilnehmern aus verschiedenen Altersgruppen und Regionen zeigte, dass die Zugabe von Mononatriumglutamat (MSG) zu salzreduzierten Lösungen die wahrgenommene Schmackhaftigkeit deutlich verbesserte [33]. Die höchste Akzeptanz erreichte eine 0,6-prozentige Salzlösung mit 0,3 Prozent MSG.
| Studie | Ergebnis zur Salzreduktion |
|---|---|
| Yamaguchi & Takahashi, 1984 [34] | Salzreduktion in japanischer Suppe ohne Geschmackseinbuße möglich |
| Rosa et al., 2021 [35] | 30-33% Natriumreduktion bei Reis und Fleisch bei gleicher Akzeptanz |
| Hayabuchi et al., 2020 [36] | MSG verbessert Schmackhaftigkeit salzreduzierter Lösungen |
Die Forschung deutet darauf hin, dass Umami-reiche Brühen wie Dashi einen Beitrag zur Salzreduktion leisten könnten [37]. Allerdings enthält Dashi selbst auch Natrium – sowohl aus dem Kombu als auch aus MSG oder zugesetzter Sojasauce. Der Vorteil liegt darin, dass die Umami-Wirkung die Verwendung geringerer Salzmengen ermöglicht, während der Geschmack erhalten bleibt. Das Institute of Medicine der US-amerikanischen National Academies wies bereits 2010 darauf hin, dass Glutaminsäure eine Möglichkeit bietet, die Schmackhaftigkeit von Speisen bei reduziertem Natriumgehalt aufrechtzuerhalten [38].
Die Zubereitung von Dashi
Die traditionelle Zubereitung von Dashi folgt einigen grundlegenden Prinzipien, die sich über Jahrhunderte bewährt haben. Je nach gewünschter Variante unterscheiden sich die Methoden, doch das Grundprinzip bleibt gleich: sanftes Extrahieren von Aromastoffen ohne langes Kochen.
Awase-Dashi und Ichiban-Dashi
Für klassisches Awase-Dashi wird zunächst ein Stück Kombu (etwa 10 g pro Liter Wasser) in kaltem Wasser eingeweicht – idealerweise mehrere Stunden oder über Nacht [39]. Anschließend wird das Wasser langsam erhitzt. Sobald kleine Bläschen am Kombu aufsteigen (bei etwa 60°C), wird der Seetang entfernt. Der Grund: Längeres Kochen würde unerwünschte Bitterstoffe freisetzen und die Brühe schleimig machen [40]. Dann wird das Wasser weiter erhitzt. Bei etwa 85°C, wenn kleine Bläschen vom Topfboden aufsteigen, werden Katsuobushi-Flocken hinzugefügt (etwa 20-30 g pro Liter). Die Hitze wird sofort ausgeschaltet, und die Flocken ziehen zwei bis drei Minuten. Danach wird die Brühe durch ein Tuch oder feines Sieb abgeseiht. Wichtig: Die Flocken sollten nicht ausgepresst werden, da dies den Geschmack beeinträchtigen würde. Das Ergebnis ist Ichiban-Dashi – die erste, feinste Brühe.
Niban-Dashi
Die bereits verwendeten Zutaten von Ichiban-Dashi – Kombu und Katsuobushi – können für eine zweite Brühe, Niban-Dashi, wiederverwendet werden [15]. Dafür werden die Reste in frisches Wasser gegeben und zum Kochen gebracht. Anders als bei Ichiban-Dashi wird hier tatsächlich gekocht – etwa 10 bis 15 Minuten bei mittlerer Hitze. Manche Köche fügen zusätzlich eine kleine Menge frischer Katsuobushi-Flocken hinzu, um den Geschmack zu intensivieren. Die resultierende Brühe ist kräftiger, aber weniger fein als Ichiban-Dashi. Sie eignet sich für Schmorgerichte, Saucen und Rezepte, in denen das Dashi nicht im Vordergrund steht.
Kombu-Dashi
Für reines Kombu-Dashi wird ein Stück Kombu (etwa 10-15 g pro Liter) in kaltem Wasser eingeweicht [16]. Die einfachste Methode ist das Kalt-Einweichen über Nacht im Kühlschrank. Alternativ kann der Kombu bei Raumtemperatur einige Stunden ziehen. Für eine schnellere Zubereitung wird der Kombu in kaltem Wasser langsam erhitzt und kurz vor dem Siedepunkt (bei etwa 60-70°C) entfernt. Wichtig: Das weiße Pulver auf der Oberfläche des getrockneten Kombu sollte nicht abgewaschen werden – es handelt sich um Mannitol und kristallisierte Glutaminsäure, die wesentlich zum Geschmack beitragen [41].
Katsuo-Dashi
Für reines Katsuo-Dashi wird Wasser zum Kochen gebracht und dann leicht abgekühlt (auf etwa 85°C) [17]. Die Katsuobushi-Flocken (etwa 30 g pro Liter) werden hinzugefügt und ziehen bei ausgeschalteter Hitze für zwei bis drei Minuten. Anschließend wird die Brühe durch ein feines Sieb oder Tuch abgeseiht. Da kein Kombu verwendet wird, ist diese Brühe schneller zubereitet, hat jedoch einen stärker fischigen Charakter. Die Qualität der Katsuobushi-Flocken beeinflusst das Ergebnis erheblich: Honkarebushi (mit Schimmelkultur gereift) ergibt eine feinere Brühe als einfache Arabushi (nur geräuchert).
Niboshi-Dashi (Iriko-Dashi)
Für Niboshi-Dashi werden etwa 30-40 g getrocknete Sardinen pro Liter Wasser verwendet [42]. Manche Köche entfernen zunächst die Köpfe und Eingeweide der kleinen Fische, um einen weniger bitteren Geschmack zu erzielen – dies ist jedoch optional. Die Niboshi werden in kaltem Wasser eingeweicht (30 Minuten bis mehrere Stunden) und dann langsam erhitzt. Bei mittlerer Hitze wird die Brühe etwa 10 Minuten geköchelt, bis sich das typische Fischaroma entwickelt hat. Anschließend werden die Sardinen abgeseiht. Niboshi-Dashi kann auch mit Kombu kombiniert werden: Dafür wird zunächst Kombu eingeweicht, dann werden die Niboshi hinzugefügt und beide zusammen erhitzt.
Shiitake-Dashi
Für Shiitake-Dashi werden etwa 20-30 g getrocknete Shiitake-Pilze pro Liter kaltem Wasser eingeweicht [43]. Die Einweichzeit sollte mindestens einige Stunden betragen, idealerweise über Nacht im Kühlschrank. Die Pilze schwimmen an der Oberfläche, daher empfiehlt es sich, einen kleinen Deckel oder ein Gewicht aufzulegen, damit sie vollständig bedeckt bleiben. Die Verwendung von kaltem Wasser ist wichtig, da zu heißes Wasser die Freisetzung der Geschmacksstoffe beeinträchtigen kann. Nach dem Einweichen wird die Flüssigkeit durch ein Sieb gegossen. Die eingeweichten Pilze können für andere Gerichte weiterverwendet werden – sie haben zwar einen Großteil ihres Umami-Geschmacks abgegeben, sind aber weiterhin nahrhaft und schmackhaft.
Shojin-Dashi (Pflanzliches Dashi)
Für die vegane Variante, Shojin-Dashi, werden Kombu und getrocknete Shiitake-Pilze gemeinsam in kaltem Wasser eingeweicht [44]. Typische Verhältnisse sind etwa 10 g Kombu und 15-20 g Shiitake pro Liter Wasser. Die Einweichzeit beträgt mehrere Stunden bis über Nacht. Wenn die Flüssigkeit eine goldbraune Farbe angenommen hat, ist das Dashi fertig. Der Kombu sollte nach dem Einweichen entfernt werden, da er bei zu langem Verbleiben schleimig werden kann. Die Pilze können noch etwas länger in der Brühe bleiben, wenn ein intensiverer Pilzgeschmack gewünscht ist.
Shirodashi
Shirodashi wird in der Regel fertig gekauft, kann aber auch selbst hergestellt werden [45]. Dafür wird zunächst ein Ichiban-Dashi zubereitet. Zu etwa 500 ml Dashi werden 50 ml helle Sojasauce (Usukuchi Shoyu), 50 ml Mirin und optional etwas Sake hinzugefügt. Die Mischung wird kurz aufgekocht und dann abgekühlt. Selbstgemachtes Shirodashi sollte im Kühlschrank aufbewahrt und innerhalb von ein bis zwei Wochen verbraucht werden. Zum Würzen oder als schnelle Suppenbasis wird Shirodashi mit Wasser verdünnt – typischerweise im Verhältnis 1:8 bis 1:10.
Tsuyu
Für selbstgemachtes Tsuyu wird zunächst ein kräftiges Dashi zubereitet – entweder Awase-Dashi oder Katsuo-Dashi [46]. Zu etwa 400 ml Dashi werden 100 ml dunkle Sojasauce (Koikuchi Shoyu) und 100 ml Mirin gegeben. Die Mischung wird aufgekocht und dann abgekühlt. Für eine konzentriertere Variante kann die Flüssigkeit etwas eingekocht werden. Als Dip-Sauce für kalte Nudeln wird Tsuyu pur oder leicht verdünnt serviert. Als warme Nudelbrühe wird es stärker mit Wasser oder Dashi verdünnt – typischerweise im Verhältnis 1:3 bis 1:4.
Verwendung von Dashi in der Küche
Dashi bildet die Grundlage für eine Vielzahl japanischer Gerichte. Die häufigsten Anwendungen umfassen:
- Misosuppe: Die Kombination aus Dashi und fermentierter Sojabohnenpaste (Miso) ergibt eines der alltäglichsten Gerichte in Japan.
- Nudelgerichte: Sowohl kalte Dipping-Saucen für Soba und Udon als auch heiße Nudelbrühen basieren auf Dashi.
- Nimono (Schmorgerichte): Gemüse, Fleisch oder Fisch werden in einer gewürzten Dashi-Brühe sanft gegart.
- Chawanmushi: Ein gedämpfter Eierstich, bei dem Dashi für den charakteristischen Umami-Geschmack sorgt.
- Takikomi-Gohan: Reis, der zusammen mit Gemüse, Pilzen und Dashi gekocht wird.
Der Grund, warum die japanische Küche oft als salzarm beschrieben wird, liegt nicht zuletzt am Umami-Geschmack des Dashi [47]. Die geschmackliche Tiefe der Brühe ermöglicht es, weniger Salz zu verwenden, ohne dass das Essen fade schmeckt.
Fertigprodukte und Instantvarianten
In modernen japanischen Haushalten wird Dashi häufig nicht mehr von Grund auf selbst hergestellt [19]. Fertig-Dashi ist in verschiedenen Formen erhältlich: als Instantpulver (Granulat), als flüssiges Konzentrat oder als vorportionierte Beutel, die wie Teebeutel in heißem Wasser ziehen. Das bekannteste Instantprodukt ist Hon-Dashi von Ajinomoto.
Diese Produkte sind praktisch, enthalten jedoch häufig Zusätze wie Mononatriumglutamat und andere Geschmacksverstärker [48]. Für Menschen mit Empfindlichkeiten gegenüber MSG oder dem Wunsch nach einer möglichst unverarbeiteten Ernährung bietet die Zubereitung von Dashi aus einzelnen Zutaten mehr Kontrolle über die Inhaltsstoffe.
Fazit
Die wissenschaftliche Grundlage für die Bedeutung von Dashi in der japanischen Küche ist gut dokumentiert. Die Entdeckung von Umami und die Identifizierung der verantwortlichen chemischen Verbindungen gehören zu den wichtigen Beiträgen japanischer Wissenschaftler zur Geschmacksforschung [49]. Die synergistischen Effekte zwischen Glutamat und den 5'-Ribonukleotiden wurden in zahlreichen Studien bestätigt [50].
Was die gesundheitlichen Aspekte betrifft, ist die Datenlage differenziert zu betrachten. Der hohe Jodgehalt von Kombu kann für Menschen mit bestimmten Schilddrüsenerkrankungen problematisch sein. Die Forschung zur Salzreduktion durch Umami-Substanzen ist vielversprechend, jedoch fehlen langfristige Studien zu den Auswirkungen auf kardiovaskuläre Erkrankungen [51]. Die oft angepriesenen „gesundheitlichen Vorteile" von Dashi sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden – sie zeigen sich vor allem im Kontext einer insgesamt ausgewogenen Ernährung.
Dashi selbst hat keine magischen Eigenschaften. Sein Wert liegt in seiner kulinarischen Funktion als Träger von Umami-Geschmack, der Speisen tiefgründiger und befriedigender macht. Diese Eigenschaft kann – bei bewusstem Einsatz – dazu beitragen, den Salzgehalt in der Ernährung zu reduzieren, ohne auf Geschmack verzichten zu müssen.
📚 Quellen (51 Quellen)
Quellen
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