Kürbiskernöl

Prostata, Haare, Herz: Was kann Kürbiskernöl wirklich?

Von Yannik 12. Dezember 2025 10 Min.

Ein tiefgrünes Öl mit rötlichem Schimmer, das in dünner Schicht grün und in dicker Schicht rot erscheint – Kürbiskernöl ist ein optisches Phänomen. Doch abseits seiner ungewöhnlichen Farbe stellt sich die Frage: Was steckt wirklich hinter den Werbeversprechen? In der Steiermark wird das Öl seit über 200 Jahren gepresst und gilt dort als kulinarische Spezialität. In Nahrungsergänzungsmitteln wird es mit zahlreichen Gesundheitsversprechen beworben, von der Prostata bis zum Haarwuchs. Dieser Artikel liefert eine sachliche Einordnung dessen, was die Wissenschaft tatsächlich belegt – und wo Zurückhaltung geboten ist.

Herkunft und Geschichte

Die Geschichte des Kürbiskernöls ist eng mit der österreichischen Steiermark verbunden. Kürbisse wurden dort bereits seit dem späten 19. Jahrhundert angebaut. Eine entscheidende Mutation zwischen 1870 und 1880 brachte schalenlose Kürbissamen hervor – die Grundlage für die effiziente Ölgewinnung [1]. Diese Mutation betrifft ein einzelnes rezessives Gen und ermöglichte erstmals eine wirtschaftliche Produktion des Öls.

Heute wird der Steirische Ölkürbis (Cucurbita pepo var. styriaca) in Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn kultiviert. Für einen Liter Öl werden etwa 2,5 Kilogramm Samen benötigt – das entspricht 30 bis 40 Kürbissen [2]. Das echte Steirische Kürbiskernöl trägt seit 1996 die geschützte geografische Angabe (g.g.A.) der EU. Diese Kennzeichnung garantiert, dass die Samen aus definierten Anbaugebieten stammen und nach traditionellen Methoden gepresst werden.

Wichtig: Kürbiskernöl ohne dieses Siegel kann aus verschiedenen Regionen stammen und mit anderen Ölen vermischt sein. Verfälschungen mit günstigeren Ölen wie Sonnenblumen- oder Sojaöl sind dokumentiert [2]. Wer Wert auf Qualität legt, sollte daher auf das g.g.A.-Siegel achten.

Zusammensetzung und Nährwerte

Kürbiskernöl besteht zu etwa 80 Prozent aus ungesättigten Fettsäuren. Die genaue Zusammensetzung variiert je nach Kürbissorte, Anbaugebiet und Verarbeitungsmethode. Die folgende Tabelle zeigt typische Werte für kaltgepresstes Kürbiskernöl [3, 4, 5]:

FettsäureAnteil
Linolsäure (Omega-6)40–55 %
Ölsäure (Omega-9)25–40 %
Palmitinsäure11–18 %
Stearinsäure3–8 %
Alpha-Linolensäure (Omega-3)unter 1 %

Das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 im Kürbiskernöl ist mit etwa 127:1 nicht ideal. Ein günstiges Verhältnis läge bei 5:1 oder weniger. Für Menschen, die ihren Omega-3-Bedarf decken möchten, eignet sich das Öl daher nicht [6]. Es liefert jedoch reichlich Linolsäure, eine essenzielle Fettsäure, die der Körper nicht selbst herstellen kann.

Vitamin E und sekundäre Pflanzenstoffe

Kürbiskernöl enthält verschiedene fettlösliche Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe. Besonders der Vitamin-E-Gehalt (in Form von Tocopherolen) ist bemerkenswert. Der Gamma-Tocopherol-Gehalt ist dabei etwa fünf- bis zehnmal höher als der Alpha-Tocopherol-Gehalt [7, 8]. Gamma-Tocopherol wirkt im Körper anders als Alpha-Tocopherol: Es neutralisiert bestimmte reaktive Stickstoffverbindungen, die Alpha-Tocopherol nicht abfangen kann.

Der Tocopherol-Gehalt schwankt je nach Sorte erheblich. Studien zeigen Werte zwischen 41 und 620 mg pro Kilogramm Trockensamen [8]. Auch Phytosterole sind in nennenswerten Mengen vorhanden – etwa 2 Gramm pro 100 Gramm Öl [9]. Diese Pflanzenstoffe können im Darm die Aufnahme von Cholesterin hemmen.

Weitere Inhaltsstoffe sind Beta-Carotin, Lutein, Chlorophyll und Squalen. Letzteres ist mit 583 bis 747 mg pro 100 Gramm vergleichsweise hoch konzentriert [9]. Die charakteristische dunkelgrüne Farbe des Öls stammt vom Chlorophyll – dieses macht das Öl jedoch auch lichtempfindlich und verkürzt die Haltbarkeit.

Studienlage: Prostata und Harnwege

Die Wirkung von Kürbiskernöl bei gutartiger Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie, BPH) ist vergleichsweise gut untersucht. Die größte Studie – die GRANU-Studie – umfasste 1.431 Männer zwischen 50 und 80 Jahren über 12 Monate [10]. Die Teilnehmer erhielten entweder 5 Gramm Kürbissamen zweimal täglich, 500 mg Kürbissamenextrakt zweimal täglich oder ein Placebo.

Die Ergebnisse zeigen: Bei den Kürbissamen (nicht dem Extrakt) verbesserten sich die Symptome stärker als beim Placebo. 58,5 Prozent der Kürbissamen-Gruppe erreichten eine Verbesserung des Symptom-Scores um mindestens 5 Punkte, verglichen mit 47,3 Prozent in der Placebo-Gruppe. Die Unterschiede zwischen Kürbissamenextrakt und Placebo waren statistisch nicht eindeutig. Dies wirft Fragen auf: Möglicherweise enthalten ganze Samen Wirkstoffe, die bei der Extraktion verloren gehen.

Eine weitere klinische Studie verglich Kürbiskernöl mit Tamsulosin, einem Standardmedikament bei BPH [11]. 73 Patienten erhielten entweder 360 mg Kürbiskernöl zweimal täglich oder 0,4 mg Tamsulosin. Nach drei Monaten zeigte Tamsulosin bessere Ergebnisse. Das Kürbiskernöl verbesserte die Symptome jedoch ebenfalls deutlich – und zwar ohne die für Tamsulosin typischen Nebenwirkungen wie Schwindel oder Ejakulationsstörungen.

Eine nicht-interventionelle Studie über 24 Monate mit 130 Männern bestätigte die Langzeitwirkung von Kürbissamenextrakt bei BPH-Symptomen ohne negative Auswirkungen auf die Sexualfunktion [12]. Der International Prostate Symptom Score (IPSS) verbesserte sich im Schnitt um 5,5 Punkte.

Kritische Einordnung

Die Datenlage zeigt: Kürbiskernöl und Kürbissamen können bei milden bis moderaten BPH-Symptomen hilfreich sein. Ein Ersatz für verschreibungspflichtige Medikamente sind sie jedoch nicht. Die Europäische Urologen-Vereinigung erwähnt Kürbissamen in ihren Leitlinien als traditionelles Mittel bei Blasenbeschwerden – allerdings ohne konkrete Empfehlung [13].

Die vermuteten Wirkmechanismen umfassen eine Hemmung der 5-alpha-Reduktase (das Enzym, das Testosteron in Dihydrotestosteron umwandelt) und eine Wirkung der enthaltenen Phytosterole. Ob diese Mechanismen beim Menschen in relevantem Ausmaß greifen, ist jedoch nicht abschließend geklärt.

Studienlage: Haarwuchs

Eine randomisierte, placebokontrollierte Studie aus dem Jahr 2014 untersuchte die Wirkung von Kürbiskernöl auf erblich bedingten Haarausfall bei Männern [14]. 76 Teilnehmer mit leichtem bis mittelschwerem Haarausfall erhielten über 24 Wochen entweder 400 mg Kürbiskernöl täglich oder ein Placebo.

Nach 24 Wochen zeigte die Kürbiskernöl-Gruppe einen etwa 40 Prozent höheren Haarwuchs als die Placebo-Gruppe. Die Selbsteinschätzung der Teilnehmer fiel ebenfalls positiver aus. Nebenwirkungen wurden keine berichtet.

Diese Studie hat jedoch Einschränkungen: Die Teilnehmerzahl war gering, und es handelte sich um eine einzelne Studie aus Südkorea. Weitere Untersuchungen zur Bestätigung fehlen bislang. Die vermutete Wirkung beruht auf einer Hemmung der 5-alpha-Reduktase – dem gleichen Mechanismus, den auch das Medikament Finasterid nutzt. Ob Kürbiskernöl hier eine echte Alternative darstellt, bleibt offen.

Studienlage: Herz-Kreislauf und Wechseljahre

Eine Pilotstudie mit 35 Frauen nach der Menopause untersuchte die Wirkung von 2 Gramm Kürbiskernöl täglich über 12 Wochen [15]. Die Ergebnisse zeigten einen Anstieg des HDL-Cholesterins (des guten Cholesterins) von durchschnittlich 0,92 auf 1,07 mmol/l. Der diastolische Blutdruck sank von 81,1 auf 75,7 mmHg.

Die Frauen berichteten auch über weniger Hitzewallungen, weniger Kopfschmerzen und weniger Gelenkschmerzen. Diese Effekte werden auf die enthaltenen Phytoöstrogene zurückgeführt – pflanzliche Verbindungen mit schwach östrogenähnlicher Wirkung.

Allerdings handelt es sich um eine kleine Studie ohne doppelte Verblindung. Die Aussagekraft ist daher begrenzt. Tierversuche stützen diese Ergebnisse zwar, aber größere, methodisch strenge Humanstudien stehen noch aus [16]. Die Autoren selbst betonen, dass weitere Untersuchungen notwendig sind.

Weitere beworbene Wirkungen

Im Internet finden sich zahlreiche weitere Gesundheitsversprechen für Kürbiskernöl: Wundheilung, Blutzuckerregulation, antidepressive Wirkung, Krebsprävention. Die Datenlage zu diesen Bereichen ist dünn.

Tierversuche zeigen zwar positive Effekte bei der Wundheilung – bei Ratten förderte eine Behandlung mit Kürbiskernöl die Neubildung von Hautzellen und die Kollagenstruktur [17]. Ob dies auf Menschen übertragbar ist, wurde bislang nicht in kontrollierten Studien untersucht.

Auch zu antidepressiven Eigenschaften gibt es hauptsächlich Tierdaten. Die Ergebnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen. Gleiches gilt für die blutzuckersenkenden Eigenschaften: Studien an Ratten zeigen Effekte, Humanstudien sind rar und wenig aussagekräftig [18].

Die oft zitierten antioxidativen Eigenschaften beruhen hauptsächlich auf In-vitro-Experimenten. Ob die antioxidativen Verbindungen im Kürbiskernöl nach der Verdauung noch wirksam sind, ist nicht geklärt [9].

Verwendung in der Küche

Als Speiseöl hat Kürbiskernöl einen eindeutigen Vorteil: sein intensiv nussiges Aroma. In der steirischen und slowenischen Küche wird es traditionell für Salate, Suppen und Desserts verwendet. Der typische steirische Salat kombiniert das Öl mit Apfelessig.

Zum Braten eignet sich das Öl nicht. Sein Rauchpunkt liegt bei etwa 160 Grad Celsius – niedriger als bei den meisten Speiseölen. Beim Erhitzen werden die mehrfach ungesättigten Fettsäuren zerstört und es entstehen bittere Geschmacksstoffe. Kürbiskernöl sollte daher nur kalt verwendet werden, etwa als Dressing oder zum Verfeinern von Gerichten kurz vor dem Servieren.

Die Lagerung erfordert Aufmerksamkeit: Das Öl sollte dunkel und kühl aufbewahrt werden. Nach dem Öffnen ist es innerhalb weniger Monate zu verbrauchen. Das enthaltene Chlorophyll macht es lichtempfindlich und fördert bei falscher Lagerung die Oxidation der Fettsäuren.

Kürbiskernöl als Nahrungsergänzungsmittel

Kürbiskernöl wird in Kapselform als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Die Dosierungen in Studien variierten erheblich:

AnwendungsbereichUntersuchte Dosierung
BPH-Symptome320–1000 mg täglich über 6–12 Monate
Haarausfall400 mg täglich über 24 Wochen
Wechseljahresbeschwerden2000 mg täglich über 12 Wochen

Auch die Qualität von Nahrungsergänzungsmitteln variiert erheblich. Anders als das Speiseöl mit g.g.A.-Siegel unterliegen Kapseln keiner vergleichbaren Herkunftskontrolle. Ob das Öl in der Kapsel tatsächlich aus der Steiermark stammt oder mit billigeren Ölen gestreckt wurde, lässt sich für Verbraucher kaum prüfen. Nachteilhaft ist außerdem, dass Nahrungsergänzungsmittel mit Kürbiskernöl oft um ein Vielfaches teurer sind als das herkömmliche Speiseöl.

Sicherheit und Nebenwirkungen

Kürbiskernöl gilt bei üblichen Verzehrmengen als sicher. In klinischen Studien wurden nur selten Nebenwirkungen berichtet [10, 11, 14]. Mögliche, aber seltene Beschwerden umfassen:

  • Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit oder Durchfall
  • Allergische Reaktionen bei Kürbisallergikern
  • Hautreizungen bei äußerlicher Anwendung (selten)

In einer Studie an Ratten verstärkte Kürbiskernöl die blutdrucksenkende Wirkung von Medikamenten wie Captopril und Felodipin [19]. Wer blutdrucksenkende Mittel einnimmt, sollte daher vor der Einnahme größerer Mengen Kürbiskernöl einen Arzt konsultieren. Für Schwangere und Stillende liegen keine ausreichenden Sicherheitsdaten vor.

Schwere Vergiftungen wurden bei der Verwendung von Kürbiskernöl oder -extrakten bislang nicht dokumentiert [18]. Die Phytosterole im Öl können theoretisch den Hormonstoffwechsel beeinflussen – bei hormonabhängigen Erkrankungen ist daher Vorsicht geboten.

Fazit

Kürbiskernöl ist ein geschmacklich interessantes Speiseöl mit einem hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren, Vitamin E und Phytosterolen. Die Studienlage zu gesundheitlichen Wirkungen ist gemischt:

Bei gutartiger Prostatavergrößerung und Blasenbeschwerden deuten mehrere Studien auf einen möglichen Nutzen hin. Die Effekte sind jedoch moderat und ersetzen keine ärztliche Behandlung. Für andere beworbene Wirkungen – Haarwuchs, Herz-Kreislauf, Wechseljahresbeschwerden – gibt es erste Hinweise, aber keine eindeutigen Belege.

Viele der im Internet kursierenden Gesundheitsversprechen basieren auf Tierstudien oder In-vitro-Experimenten. Die Übertragbarkeit auf den Menschen ist in diesen Fällen nicht gesichert. Wer Kürbiskernöl aus kulinarischen Gründen genießt, trifft eine gute Wahl – aber übertriebene Gesundheitserwartungen sollte niemand an das grüne Gold aus der Steiermark knüpfen.

📚 Quellen (19 Quellen)

Quellen

  1. Wikipedia: Styrian oil pumpkin. Zugriff 2024.
  2. Fruhwirth GO, Hermetter A. Seeds and oil of the Styrian oil pumpkin: Components and biological activities. European Journal of Lipid Science and Technology. 2007.
  3. Yadav M et al. Fatty acid composition of seeds of pumpkin cultivars. IOP Conference Series: Earth and Environmental Science. 2021.
  4. Rabrenović BB et al. Oil from pumpkin (Cucurbita pepo L.) seeds: evaluation of its functional properties on wound healing in rats. Lipids in Health and Disease. 2014.
  5. Neđeral S et al. Intra-annual and regional variability of the oleic acid and linoleic acid content of pumpkin seed oil. Food Chemistry. 2024.
  6. USDA FoodData Central: Pumpkin seed oil composition.
  7. Stevenson DG et al. Oil and tocopherol content and composition of pumpkin seed oil in 12 cultivars. Journal of Agricultural and Food Chemistry. 2007.
  8. Murkovic M, Pfannhauser W. Variability of vitamin E content in pumpkin seeds (Cucurbita pepo L.). Zeitschrift für Lebensmitteluntersuchung und -Forschung A. 1996.
  9. Šamec D et al. The potential of pumpkin seed oil as a functional food. Food Chemistry. 2022.
  10. Vahlensieck W et al. Effects of pumpkin seed in men with lower urinary tract symptoms due to benign prostatic hyperplasia in the one-year, randomized, placebo-controlled GRANU study. Urologia Internationalis. 2015.
  11. Zerafatjou N et al. Pumpkin seed oil versus tamsulosin for benign prostatic hyperplasia symptom relief: a single-blind randomized clinical trial. BMC Urology. 2021.
  12. Bach D et al. Extract from Cucurbita pepo improves BPH symptoms without affecting sexual function: a 24-month noninterventional study. World Journal of Urology. 2022.
  13. European Association of Urology Guidelines on Non-neurogenic Male LUTS. 2022.
  14. Cho YH et al. Effect of pumpkin seed oil on hair growth in men with androgenetic alopecia: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine. 2014.
  15. Gossell-Williams M et al. Improvement in HDL cholesterol in postmenopausal women supplemented with pumpkin seed oil: pilot study. Climacteric. 2011.
  16. Gossell-Williams M et al. Supplementation with pumpkin seed oil improves plasma lipid profile and cardiovascular outcomes of female Sprague-Dawley rats. Phytotherapy Research. 2008.
  17. Bardaa S et al. Oil from pumpkin (Cucurbita pepo L.) seeds: evaluation of its functional properties on wound healing in rats. Lipids in Health and Disease. 2016.
  18. Patel S. Pumpkin (Cucurbita sp.) seeds as nutraceutic: a review on status quo and scopes. Mediterranean Journal of Nutrition and Metabolism. 2013.
  19. Zuhair HA et al. Effect of pumpkin-seed oil on plasma lipid concentrations in rats. Saudi Pharmaceutical Journal. 2000.