Papain ist ein proteolytisches Enzym, das aus der Papaya-Frucht (Carica papaya) gewonnen wird und häufig als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet wird. In diesem Zusammenhang tauchen immer wieder verschiedene Behauptungen zu seinen angeblichen gesundheitlichen Vorteilen auf. Der Einsatz von Papain in Nahrungsergänzungsprodukten soll insbesondere die Verdauung unterstützen, das Immunsystem stärken und sogar entzündliche Prozesse positiv beeinflussen. Doch wie stichhaltig sind diese Versprechen wirklich? Dieser Text gibt einen umfassenden Überblick über Papain und setzt sich kritisch mit der aktuellen Studienlage auseinander.
Papain: Definition und chemische Eigenschaften
Papain ist ein cysteinproteolytisches Enzym, das zur Familie der Papain-ähnlichen Proteasen gehört und in der Lage ist, Peptidbindungen in Proteinen zu spalten [1]. Chemisch betrachtet handelt es sich um ein globuläres Protein, das spezifisch durch das Aminosäurerest-Trio Cystein, Histidin und Asparagin aktiviert wird. Diese Aminosäurekonstellation bildet das aktive Zentrum des Enzyms und erlaubt ihm, Proteine effizient zu zersetzen [2].
Die Enzymaktivität von Papain hängt stark vom pH-Wert und der Temperatur ab. Typischerweise zeigt es eine optimale Aktivität bei pH-Werten zwischen 6 und 7 und Temperaturen um 65–75 °C [3]. In Nahrungsergänzungsmitteln oder in der kosmetischen Anwendung wird es in der Regel aber in Form von stabilisierten Präparaten eingesetzt, sodass die Enzymaktivität zumindest unter bestimmten Bedingungen (z.B. im Verdauungstrakt) gewährleistet bleibt.
Herkunft und Gewinnung aus der Papaya
Das Hauptvorkommen von Papain ist im milchigen Pflanzensaft (Latex) der grünen Papaya-Frucht zu finden. Neben dem Enzym Papain enthält dieser Latex noch andere proteolytische Enzyme wie Chymopapain und Papaya-Proteinase. Die industrielle Gewinnung erfolgt häufig durch das Anritzen unreifer Papayas, sodass der Latex austreten kann. Dieser wird anschließend gesammelt, gereinigt und weiterverarbeitet, um das Papain zu extrahieren.
Es gibt verschiedene Qualitätsstufen von Papain, abhängig vom Reinheitsgrad. In Nahrungsergänzungsmitteln wird üblicherweise ein standardisiertes Produkt verwendet, dessen Aktivität (oft in den Einheiten FCC PU – Food Chemicals Codex Papain Units) genau definiert ist [4]. Damit Hersteller mit einer gleichbleibenden Produktqualität werben können, ist die Standardisierung entscheidend.
Geschichte und traditioneller Einsatz
Bereits in den Ursprungsgebieten der Papaya, insbesondere in Mittel- und Südamerika, wurde der Latex der Pflanze traditionell für verschiedene Zwecke genutzt. So kam er unter anderem zum Einsatz, um Fleisch zart zu machen oder um Wunden zu behandeln, da ihm eine keimhemmende Wirkung nachgesagt wurde [5]. In vielen indigenen Kulturen galt die Papaya als gesundheitsfördernde Frucht, die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe (vor allem der Enzyme) einen besonderen Stellenwert in der traditionellen Küche hatte.
Auch in der Pharmazie wurde Papain frühzeitig für die Wundbehandlung eingesetzt, indem es abgestorbenes Gewebe durch die proteolytische Aktivität entfernen kann. Allerdings ist dieser Einsatz in der modernen Medizin deutlich reglementierter, da die Enzymaktivität auch Risiken birgt, zum Beispiel in Bezug auf allergische Reaktionen oder unerwünschte Gewebeschädigung [6].
Wirkungsweise von Papain
Rolle als proteolytisches Enzym
Die proteolytische Funktion von Papain ist das Herzstück seiner Anwendung. Durch die Spaltung von Peptidbindungen zerlegt es Proteine in kürzere Peptidketten oder einzelne Aminosäuren. Dies findet sowohl in Lebensmitteln (z.B. Zartmachen von Fleisch) als auch im Körper Anwendung. Bei oraler Einnahme kann Papain im Verdauungstrakt nur eingeschränkt aktiv sein, da Enzyme selbst eiweißbasierte Moleküle sind und somit dem Magensäure-Milieu ausgesetzt werden.
Ein Teil des Papains kann dennoch bis in den Dünndarm gelangen, wo das pH-Milieu weniger sauer ist und daher eine gewisse Enzymaktivität zulassen kann [7]. Allerdings ist bis heute umstritten, welcher Anteil tatsächlich biologisch aktiv bleibt, wenn Papain in Tabletten- oder Kapselform eingenommen wird.
Auswirkungen auf den Verdauungstrakt
Papain wird häufig als „verdauungsförderndes“ Enzym beworben. Die Logik dahinter: Wenn es gelänge, dass Papain oder ähnliche Enzyme im Magen-Darm-Trakt intakt bleiben, könnten sie dabei helfen, Proteine in der Nahrung schneller zu zerlegen, was unter Umständen eine bessere Resorption einiger Aminosäuren unterstützen könnte. Tatsächlich gibt es Hinweise aus in-vitro-Studien und tierexperimentellen Untersuchungen, dass Papain proteinreiche Nahrung effizienter zersetzen kann [8].
Ob dies jedoch in relevantem Ausmaß auch beim Menschen der Fall ist, bleibt weiterhin Gegenstand der Forschung. Bislang existieren nur wenige kontrollierte klinische Studien mit eindeutigen Ergebnissen. Verschiedene Hersteller beziehen sich in ihrer Werbung auf kleinere Pilotstudien oder Erfahrungsberichte, die nicht immer den strengen Anforderungen evidenzbasierter Forschung entsprechen [9].
Mögliche weitere Wirkungen
Neben der proteolytischen Aktivität werden Papain manchmal entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften zugeschrieben. In Tierstudien konnte gezeigt werden, dass Papain möglicherweise bestimmte Entzündungsmediatoren regulieren kann [10]. Auch in Zellkulturversuchen gibt es Hinweise, dass Papain unter bestimmten Bedingungen oxidativen Stress verringern könnte [11].
Wichtig ist jedoch, diese Befunde nicht automatisch auf den Menschen zu übertragen. Neben methodischen Unterschieden (z.B. Art der Verabreichung, Dosierung, Beobachtungsdauer) sind die Untersuchungen oft nicht auf Nahrungsergänzungsmittel und deren Dosierungen übertragbar. Gleichwohl werden solche präklinischen Befunde in Werbeaussagen häufig hervorgehoben, ohne dass in jedem Fall klar kommuniziert wird, dass klinische Studien am Menschen fehlen oder nur schwache Hinweise liefern.
Papain als Nahrungsergänzungsmittel
Typische Darreichungsformen
Papain-Kapseln zählen zu den häufigsten Produkten auf dem Markt. In ihnen wird Papain in Pulverform eingeschlossen, oft mit Zusätzen wie Füllstoffen oder Trennmitteln. Diese Kapseln sind in unterschiedlichen Dosierungen erhältlich, wobei oft eine Enzymaktivität pro Kapsel angegeben wird. Eine andere Variante sind Tabletten, die Papain entweder pur oder in Kombination mit Bromelain (einem Ananas-Enzym) und anderen Verdauungsenzymen enthalten [12].
Vermehrt erscheinen Pulverpräparate, die sich leicht in Flüssigkeit auflösen lassen. Kombinationsprodukte, die mehrere Enzyme, Vitamine oder Mineralstoffe bündeln, werden insbesondere bei Beschwerden im Bereich von Verdauung und Immunabwehr beworben. Die Zusammensetzung und Dosierung können dabei sehr unterschiedlich sein. Nutzer sollten deshalb stets die Deklaration auf dem Produkt genau prüfen, um sicherzugehen, dass die enthaltene Papainmenge den persönlichen Bedürfnissen entspricht.
Beworbene Einsatzgebiete
Zu den beworbenen Einsatzgebieten von Papain zählen:
- Verdauungsunterstützung: Insbesondere bei proteinreicher Kost soll Papain laut einigen Herstellern für eine bessere Aufspaltung der Nahrungsproteine sorgen.
- Immunabwehr: Mehrere Präparate behaupten, Papain könne das Immunsystem ankurbeln oder stabilisieren.
- Hautgesundheit: Einige Produkte werden explizit für Haut und Haare angepriesen, da Papain in Kosmetika mit peelenden und proteolytischen Eigenschaften eingesetzt wird.
Gerade im kosmetischen Bereich ist Papain als sanftes Peeling-Enzym bekannt. Es liegen jedoch kaum robuste klinische Daten vor, die eine durchgängige Verbesserung der Hautqualität bestätigen [13]. Bei den Versprechen zur Immunabwehr handelt es sich meist um allgemeine Aussagen, die in der Europäischen Union als Health Claims nur eingeschränkt zugelassen sind. Da für Papain keine spezifischen, von der EFSA zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussagen existieren, gelten hier die gleichen Einschränkungen wie für viele andere Nahrungsergänzungsmittel.
Marktübersicht: Hersteller, Verfügbarkeit und Preisspanne
Der Markt für Enzympräparate, einschließlich Papain, ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Mittlerweile bieten zahlreiche Hersteller Papain in Apotheken, Drogerien, Reformhäusern sowie in Online-Shops an. Die Preisspanne variiert stark und hängt von Faktoren wie Reinheitsgrad, Enzymaktivität, Zusatzstoffen und Herstellungsort ab.
Hochwertige Produkte werden häufig als „standardisiertes Papain“ angeboten, wobei die Aktivität oftmals in FCC-Einheiten angegeben wird, was eine bessere Vergleichbarkeit erlaubt. Günstigere Produkte können weniger Enzymaktivität pro Kapsel aufweisen, was unter Umständen einen geringeren Effekt bedeuten kann – wenn der Effekt denn überhaupt klinisch relevant ist. Verbraucher sollten sich daher vor dem Kauf informieren, welche Qualitäts- und Sicherheitsstandards das jeweilige Produkt erfüllt.
Mögliche gesundheitliche Vorteile und wissenschaftliche Evidenz
Verdauungsfördernde Effekte
Ein oft genanntes Hauptargument für Papain ist seine mögliche Unterstützung der Proteinverdauung. Tatsächlich zeigen Laboruntersuchungen und einige ältere Tierversuche, dass Papain Eiweiße effizient zersetzen kann [7][8]. Studien am Menschen sind jedoch seltener und oft methodisch eingeschränkt (kleine Teilnehmerzahlen, fehlende Placebo-Kontrollen).
Einige Fallstudien und Beobachtungsberichte legen nahe, dass Personen mit Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Proteinen (etwa in der Milch oder im Fleisch) subjektiv eine Verbesserung bemerken könnten, wenn sie Papain-Präparate einnehmen [14]. Allerdings ist unklar, ob dies auf den Placebo-Effekt oder auf eine tatsächliche enzymatische Aktivität im Darm zurückzuführen ist.
Fazit: Trotz der biochemischen Plausibilität ist die klinische Evidenz zur tatsächlichen Wirksamkeit bei Menschen bislang nicht eindeutig.
Potenzielle Effekte auf Entzündungen und Schmerzen
In bestimmten Tiermodellen wurden antiinflammatorische Effekte von Papain beobachtet, was teilweise auf die Modulation von Zytokinen zurückzuführen sein könnte [10]. Auch die traditionelle Anwendung in der Wundbehandlung weist darauf hin, dass Papain entzündliche Prozesse beeinflussen kann, zumindest wenn es lokal angewendet wird [6].
Bei oraler Einnahme ist es schwieriger, die Wirkstoffkonzentration am Entzündungsort im menschlichen Körper zu erreichen, die in den Tiermodellen oder in vitro wirksam war. Bisherige Humanstudien sind nicht ausreichend, um einen klaren Schluss zu ziehen. Einzelne Untersuchungen mit Kombinationspräparaten (Papain plus andere Enzyme) berichten über mögliche positive Effekte bei entzündlichen Gelenkbeschwerden oder nach Operationen [15]. Allerdings ist dabei unklar, welchen Anteil Papain selbst leistet und welche Rolle die anderen Enzyme oder Placebo-Effekte spielen.
Stärkung des Immunsystems
Enzyme wie Papain werden gelegentlich als Immunmodulatoren angepriesen. Tatsächlich gibt es in-vitro-Studien, die eine Beeinflussung bestimmter Immunzellen nahelegen [16]. Auch hierfür gilt jedoch die Einschränkung, dass Laborbefunde nicht einfach auf komplexe Prozesse im menschlichen Körper übertragen werden können. Dazu kommt, dass ein intaktes Immunsystem wesentlich mehr Faktoren beinhaltet als einzelne Immunzellen.
Weil die europäische Gesetzgebung sehr streng in Bezug auf gesundheitsbezogene Aussagen ist, sind für Papain keine zugelassenen Health Claims vorhanden. Aussagen über eine direkte Stärkung des Immunsystems durch die Einnahme von Papain sind daher marketingseitig meist unspezifisch formuliert und wissenschaftlich nicht fundiert belegt.
Kritische Beurteilung der aktuellen Studienlage
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Papain ein gut erforschtes Enzym ist, dessen proteolytische Fähigkeit zweifellos existiert. In Bezug auf seine tatsächliche Wirkung bei oraler Anwendung bestehen jedoch erhebliche Forschungslücken. Zwar deuten manche Studien darauf hin, dass Papain die Verdauung unterstützen oder entzündungshemmende Eigenschaften entfalten könnte, doch sind viele dieser Untersuchungen entweder methodisch eingeschränkt oder nicht eindeutig interpretierbar.
Aufgrund dessen lässt sich aus wissenschaftlicher Sicht keine allgemein gültige Empfehlung ableiten, Papain als Nahrungsergänzungsmittel pauschal zu empfehlen. Jeder potenzielle Nutzen sollte individuell im Kontext der persönlichen Gesundheitssituation beurteilt werden. Eine fundierte Beratung durch Ärztinnen, Ärzte oder qualifiziertes Fachpersonal kann hier sinnvoll sein.
Risiken und Nebenwirkungen
Mögliche allergische Reaktionen
Allergische Reaktionen auf Papain sind insbesondere in den Gebieten bekannt, in denen Papayas angebaut und häufig konsumiert werden. Menschen mit einer Latex-Allergie können ein erhöhtes Risiko für Kreuzreaktionen auf Papain haben, da Papaya-Latex ähnliche Antigene enthalten kann [17]. Symptome einer allergischen Reaktion umfassen Hautausschläge, Juckreiz, Atembeschwerden und in seltenen Fällen anaphylaktische Schocks.
Wer zu Allergien neigt oder schon einmal auf Papaya-Produkte reagiert hat, sollte bei der Einnahme von Papain sehr vorsichtig sein oder ganz darauf verzichten. Eine Rücksprache mit medizinischem Fachpersonal ist in solchen Fällen empfehlenswert.
Wechselwirkungen mit Medikamenten
Papain kann unter Umständen mit bestimmten Medikamenten interagieren. So wird vermutet, dass es die Blutgerinnung beeinflussen könnte, insbesondere wenn es zusammen mit blutverdünnenden Arzneimitteln (z.B. Warfarin) eingenommen wird [18]. Auch ist denkbar, dass die Resorption anderer Medikamente im Darm verändert wird, wenn Papain bzw. andere proteolytische Enzyme die Darmschleimhaut durchlässiger machen oder das Abbauverhalten beeinflussen.
Bisher sind konkrete klinische Daten jedoch rar, weshalb eine generelle Warnung sinnvoll ist: Wer Medikamente einnimmt, sollte vor der Einnahme von Papainpräparaten ärztlichen Rat einholen.
Überdosierung und daraus resultierende Beschwerden
Papain gilt grundsätzlich als relativ sicher, solange die empfohlenen Dosierungen nicht überschritten werden. Bei einer Überdosierung können jedoch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Durchfall oder Bauchschmerzen auftreten [19]. Auch Sodbrennen oder Schleimhautreizungen sind möglich, da hohe Konzentrationen proteolytischer Enzyme theoretisch die Darmschleimhaut angreifen können.
Einige Erfahrungsberichte deuten zudem darauf hin, dass zu hohe Dosen von Papain bei empfindlichen Personen zu Kopfschmerzen oder Müdigkeit führen können. Ob es sich dabei um echte Nebenwirkungen oder unspezifische Symptome handelt, ist unklar.
Besondere Vorsicht bei bestimmten Personengruppen
Schwangere und stillende Frauen sollten Papain nur nach Rücksprache mit Fachpersonal einnehmen, da keine aussagekräftigen Studien zu Sicherheit und Wirksamkeit in diesen Lebensphasen vorliegen. Auch bei Kindern ist Zurückhaltung geboten, da ihr Verdauungstrakt empfindlicher reagieren könnte und spezifische Daten fehlen [20]. Wer unter chronischen Erkrankungen leidet oder regelmäßig Medikamente einnehmen muss, sollte Papain keinesfalls ohne ärztlichen Rat nutzen, um potenzielle Wechselwirkungen und Risiken zu vermeiden.
Dosierung und Anwendungsempfehlungen
Die Hersteller von Papainpräparaten geben in der Regel empfohlene Tagesdosierungen an, beispielsweise 200–400 mg Papain pro Tag oder eine bestimmte Anzahl von FCC-Einheiten. Da es sich bei diesen Werten um mehr oder minder grobe Richtlinien handelt, sollte man sie nicht grundsätzlich überschreiten und im Zweifel medizinischen Rat einholen [21]. Fachpersonal kann je nach Krankheitsbild oder Zielstellung (z.B. Unterstützung der Verdauung) eine individuell angepasste Dosis empfehlen.
Einfluss individueller Faktoren
Wer zu Magen-Darm-Beschwerden neigt, sollte die Einnahme von Papain kritisch prüfen. In manchen Fällen könnte die Verdauung tatsächlich profitieren, in anderen Fällen könnten bestehende Beschwerden aber verstärkt werden. Auch die Kombination mit anderen Enzymen (z.B. Bromelain) kann die Wirksamkeit verändern. Hier ist oft unklar, ob eine additive oder synergistische Wirkung zu erwarten ist und ob dies Vor- oder Nachteile hat [22].
Ebenso können Nahrungsmittelunverträglichkeiten eine Rolle spielen: Einige Betroffene berichten über positive Erfahrungen, wenn sie Papain zu proteinreicher Kost einnehmen, während andere keine Verbesserung bemerken. Letztlich bleibt nur ein individuelles Austesten in Absprache mit Fachleuten, um verlässliche Aussagen treffen zu können.
Kombinationspräparate
Auf dem Markt finden sich zahlreiche Kombinationspräparate, die neben Papain weitere Enzyme wie Bromelain, Trypsin oder Chymotrypsin beinhalten. Solche Produkte werden oft unter Begriffen wie „Enzymkomplex“ oder „proteolytisches Enzympaket“ verkauft. Theoretisch könnte die Kombination verschiedener Enzyme eine breitere Spaltung verschiedener Proteinstrukturen ermöglichen. Ob dies klinisch einen erheblichen Mehrwert darstellt, ist jedoch wissenschaftlich nicht hinreichend belegt [23].
Verbraucher sollten daher genau abwägen, ob ein Kombinationsprodukt tatsächlich Vorteile bietet oder eher die Kosten erhöht. Gerade weil die Studienlage zu Papain allein schon limitiert ist, ist es bei kombinierten Präparaten noch schwieriger festzustellen, welcher Stoff tatsächlich welchen Effekt hat.
Regulatorische und rechtliche Aspekte
Papain als Bestandteil von Nahrungsergänzungsmitteln unterliegt den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften. In der Europäischen Union müssen Produkte, die Papain enthalten, den Anforderungen der Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel (Novel Food) entsprechen, falls sie als neuartig eingestuft werden. Jedoch ist Papain nicht erst seit Kurzem in Europa erhältlich, sodass es in der Regel keine Novel-Food-Zulassung benötigt, sofern es in traditioneller Weise verwendet wird.
Für Papain gelten keine spezifischen, von der EFSA zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussagen. Damit dürfen Produkte auch nicht mit Heilversprechen oder konkreten Gesundheitsclaims beworben werden, die über allgemeine Aussagen hinausgehen. Verstöße gegen diese Vorgaben können zu Abmahnungen und Strafzahlungen führen [24].
Hersteller von Papainpräparaten müssen zudem sicherstellen, dass das Produkt verzehrsicher ist und den Verbraucher nicht in die Irre führt. Da die Enzymaktivität oft ein Qualitätsmerkmal darstellt, sollte diese transparent deklariert werden. Jenseits der Deklaration der Inhaltsstoffe ist auch die Dosierungsempfehlung und Warnhinweise (z.B. für Allergiker oder Schwangere) von Bedeutung.
Kritische Betrachtung
Irreführende Marketingaussagen
Einige Anbieter werben mit Heilversprechen oder überzogenen Aussagen, die von einer umfassenden Immunstärkung bis hin zu Wunderwirkungen bei chronischen Erkrankungen reichen. Fakt ist: Papain ist ein Enzym mit bestimmten biochemischen Eigenschaften, doch die klinischen Belege für viele dieser Marketingaussagen sind schwach oder gar nicht vorhanden. Verbraucher sollten skeptisch sein, wenn ein Produkt unrealistische Erwartungen weckt und weitreichende Versprechen macht, ohne entsprechende wissenschaftliche Studien zu verlinken oder zu zitieren [25].
Preis-Leistungs-Verhältnis und Qualitätsunterschiede
Der Papainmarkt ist heterogen. Produkte unterscheiden sich hinsichtlich Preis, Reinheit, Enzymaktivität und Zusätzen. Mitunter findet man sehr hochpreisige Produkte, die nur marginal mehr Enzymaktivität pro Kapsel aufweisen als günstige Alternativen. Um Qualitätsunterschiede seriös beurteilen zu können, sollten Verbraucher auf Transparenz in der Deklaration achten (z.B. Angabe der FCC-Einheiten).
Auch Zertifizierungen, wie ISO-Standards oder GMP-Richtlinien (Good Manufacturing Practice), können auf eine kontrollierte Herstellung hinweisen. Allerdings bedeutet eine solche Zertifizierung nicht automatisch, dass das Produkt höchst wirksam ist. Es ist primär ein Hinweis auf eine ordnungsgemäße Produktion und Qualitätssicherung.
Nachhaltigkeit und Herkunft
Papain stammt in der Regel aus dem Latex der Papaya. Die Anbaugebiete liegen hauptsächlich in tropischen und subtropischen Regionen. Hierbei stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit. Werden die Papayas umweltschonend angebaut? Wie fair sind die Arbeitsbedingungen bei der Latexgewinnung?
Der Markt ist vielfach globalisiert, was dazu führen kann, dass Rohstoffe über lange Lieferketten transportiert werden. Nachhaltigkeits- und Fair-Trade-Siegel sind im Papain-Bereich zwar noch selten, können jedoch erste Anhaltspunkte für eine verantwortungsbewusste Lieferkette liefern. Verbraucher, denen Umwelt- und Sozialstandards wichtig sind, sollten bei Herstellern nachfragen oder gezielt nach transparenten Labeln suchen.
Unser Fazit
Papain ist ein proteolytisches Enzym, das aus der Papaya gewonnen wird und in verschiedenen Bereichen Anwendung findet. Während seine Fähigkeit, Eiweiße zu zersetzen, gut dokumentiert ist, bleibt die Wirksamkeit als Nahrungsergänzungsmittel in einigen Punkten ungeklärt.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass Papain als Nahrungsergänzungsmittel zwar interessant ist, jedoch mit Vorsicht betrachtet werden sollte. Wer von vermeintlichen Verdauungsvorteilen profitieren möchte, kann Papain ausprobieren, sollte sich aber keine Wunderwirkungen erwarten. Zudem ist darauf zu achten, ob es individuelle Risiken gibt, insbesondere Allergien oder laufende Medikamente, bei denen Wechselwirkungen möglich sind. Im Zweifel empfiehlt sich eine Absprache mit Ärztinnen oder Ärzten.
Quellen
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[2] Brocklehurst, K. (1970). “The Chemistry of Papain.” Philosophical Transactions of the Royal Society of London. B, Biological Sciences, 257(813), 77–108.
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[23] Singer, F. (2008). “Synergistische Effekte bei Enzymkombi-Präparaten.” Pharmazie in unserer Zeit, 37(1), 32–38.
[24] Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (2006).
[25] EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA). (2010). “Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to Papain.” EFSA Journal, 8(10), 1734–1740.