Casein

Casein erklärt: Verdauung, Muskelaufbau und Vergleich mit Whey

Von Yannik 29. Dezember 2025 15 Min. Lesezeit

Wer nach dem perfekten Protein für den Muskelaufbau sucht, stößt unweigerlich auf zwei Namen: Whey und Casein. Während Whey als schneller Helfer nach dem Training gilt, wird Casein oft als ideales Nachtprotein beworben. Aber stimmt das wirklich? Was macht dieses Milchprotein so besonders, und für wen lohnt sich die Einnahme tatsächlich? Die Antworten sind komplexer als viele Werbeversprechen vermuten lassen.

Was ist Casein eigentlich?

Casein ist ein Milchprotein, das etwa 80 Prozent des gesamten Proteins in Kuhmilch ausmacht [1]. Die restlichen 20 Prozent entfallen auf Molkenprotein, das auch als Whey bekannt ist. Der Name stammt vom lateinischen Wort "caseus", was schlicht "Käse" bedeutet – und tatsächlich entsteht Käse durch die Gerinnung von Casein. Bei der Käseherstellung wird Milch erhitzt und mit Enzymen oder Säuren versetzt. Dabei trennt sich das feste Casein (der sogenannte Käsebruch) von der flüssigen Molke.

In der Milch liegt Casein nicht als einzelnes Protein vor, sondern bildet kleine kugelförmige Strukturen, die Mizellen genannt werden. Diese Mizellen haben einen Durchmesser von etwa 50 bis 500 Nanometern und bestehen aus mehreren tausend Casein-Molekülen [2]. Sie erfüllen in der Natur einen wichtigen Zweck: Sie transportieren Kalzium und Phosphat in einer Form, die für Säuglinge gut verwertbar ist.

Die vier Casein-Typen

Casein ist keine einzelne Substanz, sondern eine Proteinfamilie mit vier verschiedenen Untertypen. Jeder dieser Typen hat unterschiedliche Eigenschaften und Funktionen innerhalb der Casein-Mizelle.

Casein-TypAnteil am GesamtcaseinBesonderheiten
Alpha-S1-Caseinca. 40%Hauptbestandteil, stark kalziumbindend
Alpha-S2-Caseinca. 10%Höchster Phosphatgehalt
Beta-Caseinca. 35%Existiert als A1- und A2-Variante
Kappa-Caseinca. 15%Stabilisiert die Mizellen-Struktur

Kappa-Casein hat dabei eine besondere Aufgabe: Es sitzt an der Außenseite der Mizellen und verhindert durch seine "haarige" Struktur, dass diese verklumpen [3]. Bei der Käseherstellung wird genau dieses Kappa-Casein durch das Enzym Lab gespalten, wodurch die Mizellen ihre Stabilität verlieren und gerinnen.

Das Aminosäurenprofil von Casein

Casein ist ein vollständiges Protein, das alle neun essenziellen Aminosäuren enthält. Essenzielle Aminosäuren sind solche, die der Körper nicht selbst herstellen kann und daher über die Nahrung aufnehmen muss. Der Gehalt an essenziellen Aminosäuren in Casein liegt bei etwa 34 Prozent des Gesamtproteins [4]. Damit liegt Casein zwar unter Whey-Protein mit 43 Prozent, aber deutlich über den meisten pflanzlichen Proteinquellen.

Casein enthält auch die drei verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAAs) Leucin, Isoleucin und Valin. Diese sind für den Muskelaufbau besonders wichtig, da Leucin den mTOR-Signalweg aktiviert, der die Muskelproteinsynthese anregt [5]. Allerdings ist der Leucin-Gehalt in Casein etwas niedriger als in Whey-Protein. Dafür enthält Casein mehr Histidin, Methionin und Phenylalanin.

AminosäureCasein (pro 100g Protein)Whey (pro 100g Protein)
Leucinca. 8-9%ca. 10-11%
Isoleucinca. 5%ca. 6%
Valinca. 6%ca. 5%
Glutaminca. 21%ca. 18%

Ein Vorteil von Casein ist der hohe Glutamin-Gehalt. Glutamin ist die häufigste Aminosäure in der Skelettmuskulatur und wird vom Körper in Stresssituationen vermehrt benötigt.

Verdauung und Aufnahme – warum Casein "langsam" ist

Die wohl bekannteste Eigenschaft von Casein ist seine langsame Verdauung. Während Whey-Protein die Aminosäuren-Konzentration im Blut innerhalb von 60 bis 90 Minuten auf den Höchstwert bringt, geschieht dies bei Casein erst nach etwa 3 bis 4 Stunden [6]. Die Aminosäuren bleiben dann für bis zu 4 bis 5 Stunden erhöht im Blut nachweisbar – bei Whey sind es nur etwa 90 Minuten [7].

Der Grund für diese langsame Verdauung liegt in einer besonderen Eigenschaft: Casein gerinnt im sauren Milieu des Magens zu einem gelartigen Klumpen. Bei einem pH-Wert von etwa 4,6 verlieren die Casein-Moleküle ihre elektrische Abstoßung und lagern sich zusammen [8]. Dieser Klumpen muss von den Verdauungsenzymen erst mühsam abgebaut werden, bevor die Aminosäuren aufgenommen werden können.

Der Einfluss der Verarbeitung

Überraschenderweise zeigt neuere Forschung, dass die Verdauungsgeschwindigkeit von Casein nicht so einheitlich ist wie lange angenommen. Eine Studie aus dem Jahr 2020 fand heraus, dass verschiedene Casein-Formen sehr unterschiedlich schnell verdaut werden können [9]. Die Löslichkeit des Proteinpulvers, die Verarbeitungsmethode und sogar die Lagerbedingungen beeinflussen das Verdauungsverhalten erheblich. In manchen Fällen wurde mizellares Casein sogar schneller verdaut als erwartet.

Diese Ergebnisse sind wichtig: Sie zeigen, dass die Bezeichnung "langsames Protein" nicht automatisch für jedes Casein-Produkt gilt. Die Qualität und Herstellung des jeweiligen Produkts hat einen erheblichen Einfluss.

Die verschiedenen Casein-Formen als Nahrungsergänzung

Wer Casein als Nahrungsergänzungsmittel kaufen möchte, findet verschiedene Formen auf dem Markt. Die wichtigsten Unterschiede liegen in der Herstellung und den daraus resultierenden Eigenschaften.

Mizellares Casein

Mizellares Casein gilt als die reinste und natürlichste Form. Bei der Herstellung werden die Casein-Mizellen durch Filtration von der Molke getrennt, ohne dass ihre Struktur wesentlich verändert wird [10]. Das Ergebnis ist ein Protein, das im Magen ähnlich wie natürliches Casein aus Milch gerinnt und sehr langsam verdaut wird. Mizellares Casein ist daher die bevorzugte Wahl, wenn eine möglichst langsame und gleichmäßige Aminosäuren-Freisetzung gewünscht ist.

Kalziumcaseinat

Bei der Herstellung von Kalziumcaseinat wird Casein mit Kalziumhydroxid behandelt. Dadurch wird das Protein besser wasserlöslich. Allerdings wird bei diesem Prozess die natürliche Mizellenstruktur zerstört, weshalb Kalziumcaseinat etwas schneller verdaut wird als mizellares Casein [11]. Der Vorteil: Kalziumcaseinat ist in der Regel günstiger und lässt sich leichter in Flüssigkeiten einrühren.

Casein-Hydrolysat

Casein-Hydrolysat entsteht durch enzymatische Spaltung der Proteine in kleinere Fragmente. Dadurch wird die Verdauung deutlich beschleunigt – das Hydrolysat verhält sich dann ähnlich wie Whey-Protein [12]. Allerdings hat diese Form in den letzten Jahren an Beliebtheit verloren, da Whey-Isolat schneller, günstiger und besser schmeckend ist.

Casein-FormVerdauungsgeschwindigkeitPreisVerwendung
Mizellares CaseinSehr langsam (5-7 Stunden)HöherVor dem Schlafengehen
KalziumcaseinatLangsam (4-5 Stunden)MittelZwischen Mahlzeiten
Casein-HydrolysatSchnell (1-2 Stunden)HochSelten verwendet

Casein und Muskelaufbau – was sagt die Forschung?

Die Frage, ob Casein tatsächlich zum Muskelaufbau beiträgt, wurde in zahlreichen Studien untersucht. Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild.

Casein vor dem Schlafengehen

Ein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Einnahme von Casein vor dem Schlafengehen. Eine oft zitierte Studie mit 16 jungen Männern zeigte, dass 40 Gramm Casein 30 Minuten vor dem Schlafengehen gut verdaut und aufgenommen wurden [13]. Die Aminosäuren-Spiegel im Blut blieben über die gesamte Nacht erhöht. Die Muskelproteinsynthese war etwa 22 Prozent höher als in der Kontrollgruppe ohne Proteineinnahme.

Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 fasste die verfügbare Literatur zusammen: Die Einnahme von 20 bis 40 Gramm Casein etwa 30 Minuten vor dem Schlafengehen verbessert die Proteinsynthese während der Nacht bei gesunden jungen Männern [14]. Bei älteren Menschen waren die Ergebnisse weniger eindeutig.

Wichtig: Die positiven Effekte zeigten sich vor allem dann, wenn abends zuvor ein Krafttraining absolviert wurde. Bei 30 Gramm Casein vor dem Schlafengehen in Kombination mit abendlichem Krafttraining war die Muskelproteinsynthese um 37 Prozent höher als ohne vorheriges Training [15].

Langfristige Effekte auf Muskelmasse und Kraft

Die Frage, ob regelmäßige Casein-Einnahme über Wochen und Monate zu mehr Muskelmasse führt, ist schwieriger zu beantworten. Eine Studie über 10 Wochen zeigte, dass Casein-Supplementierung während eines Krafttrainings zu Zuwächsen bei Muskelmasse und Kraft führte [16]. Allerdings gab es keinen Unterschied, ob das Casein tagsüber oder vor dem Schlafengehen eingenommen wurde.

Ein wichtiger Punkt: In Studien, die Whey und Casein direkt verglichen, zeigten beide Proteine ähnliche Ergebnisse bei Kraft und Körperzusammensetzung [17]. Die oft beworbenen Vorteile von Casein als "Nachtprotein" sind daher weniger eindeutig als Marketingaussagen vermuten lassen.

Casein im Vergleich zu Whey-Protein

Die Debatte "Casein vs. Whey" beschäftigt Sportler und Ernährungsberater gleichermaßen. Beide Proteine stammen aus Milch und liefern alle essenziellen Aminosäuren, unterscheiden sich aber in wichtigen Punkten.

EigenschaftCaseinWhey
Anteil in Milch80%20%
Verdauungszeit5-7 Stunden1-2 Stunden
Leucin-Gehaltca. 8%ca. 11%
Spitzen-Aminosäuren im BlutNach 3-4 StundenNach 1 Stunde
Bester EinnahmezeitpunktVor dem Schlafen, zwischen MahlzeitenNach dem Training

Eine Studie zur Muskelproteinsynthese zeigte, dass Whey nach dem Training seinen Höhepunkt nach etwa 60 Minuten erreichte, während Casein erst nach 120 Minuten seine maximale Wirkung entfaltete [18]. Das macht Whey zur besseren Wahl direkt nach dem Training, während Casein seine Stärken bei längeren Fastenperioden ausspielt.

Interessanterweise zeigte eine randomisierte kontrollierte Studie, dass bei der Einnahme vor dem Schlafengehen kein Unterschied zwischen Casein und Whey bei der Muskelproteinsynthese über Nacht bestand [19]. Das deutet darauf hin, dass die theoretischen Vorteile der langsamen Verdauung von Casein in der Praxis weniger bedeutsam sein könnten als angenommen.

A1- und A2-Beta-Casein – ein wichtiger Unterschied?

In den letzten Jahren ist ein Thema in den Vordergrund gerückt, das für manche Menschen mit Casein-Unverträglichkeit wichtig sein könnte: der Unterschied zwischen A1- und A2-Beta-Casein. Diese beiden Varianten unterscheiden sich in nur einer einzigen Aminosäure an Position 67 der Proteinkette – doch dieser kleine Unterschied hat möglicherweise Auswirkungen auf die Verdauung.

Bei der Verdauung von A1-Beta-Casein entsteht ein Peptid namens Beta-Casomorphin-7 (BCM-7). Dieses Peptid kann an Opioid-Rezeptoren im Magen-Darm-Trakt binden und dort verschiedene Effekte auslösen [20]. Bei A2-Beta-Casein entsteht dieses Peptid nicht oder nur in geringen Mengen.

Einige Studien deuten darauf hin, dass A1-Beta-Casein bei manchen Menschen zu Magen-Darm-Beschwerden führen kann, die fälschlicherweise für Laktoseintoleranz gehalten werden [21]. Eine Studie mit 45 chinesischen Teilnehmern zeigte, dass der Konsum von Milch mit A1-Beta-Casein zu mehr Bauchschmerzen und weicherem Stuhl führte als A2-Milch [22].

Allerdings ist die Studienlage noch nicht eindeutig, und größere Untersuchungen fehlen. Wer nach dem Verzehr von herkömmlicher Milch Beschwerden hat, könnte aber einen Versuch mit A2-Milch in Erwägung ziehen.

Casein-Allergie und Unverträglichkeit

Eine echte Allergie gegen Casein ist eine immunologische Reaktion, bei der das Immunsystem das Protein als gefährlich einstuft. Dabei werden Antikörper vom Typ IgE gebildet, die bei erneutem Kontakt mit Casein eine allergische Reaktion auslösen [23]. Diese Form der Allergie betrifft vor allem Säuglinge und Kleinkinder – etwa 2 bis 6 Prozent der Kinder im ersten Lebensjahr [24].

Studien zeigen, dass Casein das wichtigste allergene Protein in Kuhmilch ist [25]. Das liegt unter anderem daran, dass Casein sehr hitzestabil ist – auch nach 15 Minuten Erhitzen bei 120 Grad Celsius bleibt seine allergene Wirkung erhalten [26].

  • Symptome einer Casein-Allergie können Hautreaktionen (Nesselsucht, Ekzeme), Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall), Atemwegsprobleme (Schnupfen, Husten, Keuchen) oder im schlimmsten Fall eine Anaphylaxie umfassen.
  • Die meisten Kinder überwinden ihre Kuhmilch-Allergie bis zum Alter von 5 Jahren, bei manchen bleibt sie jedoch bis ins Erwachsenenalter bestehen.
  • Eine Casein-Unverträglichkeit (nicht zu verwechseln mit einer Allergie) ist eine entzündliche Reaktion des Körpers auf das Protein, die keine IgE-Antikörper involviert und weniger schwere Symptome verursacht.

Wichtig: Eine Casein-Allergie ist etwas völlig anderes als eine Laktoseintoleranz. Bei der Laktoseintoleranz fehlt dem Körper das Enzym Laktase, um den Milchzucker Laktose abzubauen. Diese Unverträglichkeit betrifft den Kohlenhydratanteil der Milch, nicht das Protein. Laktosefreie Milchprodukte enthalten weiterhin Casein und sind daher für Casein-Allergiker nicht geeignet.

Natürliche Casein-Quellen in Lebensmitteln

Wer kein Proteinpulver verwenden möchte, kann Casein auch über normale Lebensmittel aufnehmen. Da Casein etwa 80 Prozent des Milchproteins ausmacht, enthalten alle Milchprodukte nennenswerte Mengen.

LebensmittelCasein-Gehalt (ca.)Anmerkungen
Magerquark (500g)ca. 40gGünstige Casein-Quelle
Griechischer Joghurt (200g)ca. 8-12gEnthält auch etwas Whey
Hüttenkäse (200g)ca. 18gCasein-reich durch Säurefällung
Hartkäse wie Parmesan (50g)ca. 14gSehr caseinreich, aber kalorienreich
Milch (250ml)ca. 6-7gEnthält 80% Casein, 20% Whey

Magerquark ist eine besonders praktische Casein-Quelle: Er enthält viel Protein bei vergleichsweise wenig Kalorien und Fett. Eine 500-Gramm-Packung liefert etwa 40 Gramm Protein, davon der größte Teil Casein. Allerdings ist Quark geschmacklich nicht jedermanns Sache – mit Früchten, Honig oder Nüssen lässt er sich aufpeppen.

Für wen ist Casein-Supplementierung sinnvoll?

Die Frage, ob eine Casein-Supplementierung Sinn macht, lässt sich nicht pauschal beantworten. Der Nutzen hängt stark von den individuellen Umständen ab.

Grundsätzlich gilt: Wer seinen Proteinbedarf über normale Lebensmittel deckt, braucht keine Protein-Supplements. Die empfohlene Proteinzufuhr für Erwachsene liegt bei etwa 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht täglich. Für Sportler und Menschen, die Muskeln aufbauen möchten, werden 1,6 bis 2,2 Gramm pro Kilogramm empfohlen [27].

Casein-Supplements können in folgenden Situationen in Betracht gezogen werden:

  • Bei intensivem Krafttraining, wenn die Gesamtproteinzufuhr über normale Nahrung schwer zu erreichen ist
  • Bei langen Fastenperioden (etwa über Nacht), wenn eine langsame Proteinversorgung gewünscht ist
  • Als praktische Alternative zu Magerquark, der ähnliche Eigenschaften hat, aber nicht jedem schmeckt

Allerdings sollte man realistische Erwartungen haben: Die Unterschiede zwischen Casein und anderen Proteinquellen sind in der Praxis oft gering. Eine Studie zeigte, dass die Gesamtproteinzufuhr über den Tag wichtiger ist als der genaue Einnahmezeitpunkt oder die Proteinart [28]. Wer abends eine normale proteinreiche Mahlzeit isst, erreicht möglicherweise ähnliche Effekte wie mit einem Casein-Shake.

Mögliche Nebenwirkungen und Einschränkungen

Die Einnahme von Casein-Supplements ist für die meisten Menschen unbedenklich. Dennoch gibt es einige Punkte zu beachten.

Durch die langsame Verdauung kann Casein bei manchen Menschen zu Völlegefühl oder Blähungen führen. Das gilt besonders bei hohen Dosen oder wenn Casein zusätzlich zu anderen proteinreichen Mahlzeiten eingenommen wird. Menschen mit empfindlichem Magen sollten mit kleineren Mengen beginnen und diese langsam steigern.

Für Personen mit Kuhmilch-Allergie ist Casein grundsätzlich nicht geeignet. Das gilt auch für die meisten anderen Milchprotein-Allergiker, da Kreuzreaktionen zwischen verschiedenen Milchproteinen häufig sind. Bei einer ärztlich diagnostizierten Milcheiweißallergie sollten pflanzliche Proteinquellen wie Soja-, Erbsen- oder Reisprotein in Betracht gezogen werden.

Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion sollten vor einer erhöhten Proteinzufuhr ärztlichen Rat einholen. Hohe Proteinmengen können die Nieren belasten, auch wenn dies bei gesunden Menschen in der Regel kein Problem darstellt.

Worauf beim Kauf von Casein-Produkten achten?

Der Markt für Casein-Supplements ist groß, und die Qualität variiert erheblich. Einige Punkte können bei der Auswahl helfen:

Mizellares Casein sollte bevorzugt werden, wenn eine möglichst langsame Verdauung gewünscht ist. Es ist die am wenigsten verarbeitete Form und behält die natürliche Mizellenstruktur bei. Kalziumcaseinat ist eine günstigere Alternative, aber mit etwas schnellerer Verdauung.

Ein Blick auf die Zutatenliste lohnt sich: Hochwertige Produkte enthalten wenig Zusatzstoffe. Viele günstige Casein-Pulver enthalten erhebliche Mengen an Verdickungsmitteln, künstlichen Süßstoffen oder Aromen. Ob das stört, ist letztlich eine persönliche Entscheidung.

Unabhängige Labortests (sofern verfügbar) können Aufschluss über die tatsächliche Proteinreinheit geben. Manche Hersteller veröffentlichen solche Analysen auf ihren Websites. Ein Proteingehalt von mindestens 80 Prozent sollte bei einem reinen Casein-Produkt erwartet werden können.

Fazit: Eine nüchterne Bewertung

Casein ist ein hochwertiges Milchprotein mit besonderen Eigenschaften. Die langsame Verdauung führt zu einer gleichmäßigen Aminosäuren-Versorgung über mehrere Stunden. Studien zeigen positive Effekte auf die Muskelproteinsynthese, besonders bei Einnahme vor dem Schlafengehen in Kombination mit Krafttraining.

Allerdings sind die praktischen Vorteile gegenüber anderen Proteinquellen weniger dramatisch als oft beworben. Die Gesamtproteinzufuhr über den Tag ist wichtiger als die spezifische Proteinart oder der genaue Einnahmezeitpunkt. Wer regelmäßig Magerquark, Hüttenkäse oder andere milchbasierte Lebensmittel konsumiert, nimmt bereits nennenswerte Mengen Casein zu sich.

Für Menschen mit Kuhmilch-Allergie ist Casein keine Option. Bei unklaren Verdauungsbeschwerden nach Milchkonsum könnte ein Versuch mit A2-Milch aufschlussreich sein, auch wenn die Studienlage dazu noch nicht abschließend ist.

Casein-Supplements haben ihren Platz als praktische Proteinquelle, insbesondere für Sportler mit hohem Proteinbedarf. Aber sie sind kein Wundermittel und können eine ausgewogene Ernährung nicht ersetzen. Wie bei allen Nahrungsergänzungsmitteln gilt: Der Nutzen zeigt sich nur dort, wo tatsächlich ein Bedarf besteht.

📚 Quellen (28 Quellen)

Quellen

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