Essentielle Aminosäuren – Sind EAA und BCAA Supplements sinnvoll?

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Aminosäuren

Eine optimale Versorgung mit essentiellen Aminosäuren ist wichtig für einen gesunden Stoffwechsel. Doch wofür braucht unser Körper sie eigentlich und in welchen Nahrungsmitteln sind sie enthalten? Sind Supplements eine sinnvolle Ergänzung und was ist bei der Verwendung zu beachten? Diese und weitere Fragen sollen in unserem ausführlichen Ratgeber umfassend beantwortet werden. 

Aminosäuren Tabletten

Was sind eigentlich Aminosäuren?

Aminosäuren sind die Bausteine, aus denen sämtliche Proteine von tierischen und pflanzlichen Organismen zusammengesetzt sind. Aus diesem Grunde wird auch von „proteinogenen“ Aminosäuren gesprochen. Sie kommen nicht nur in allen Lebewesen vor, sondern sind grundlegend notwendig für das Leben selbst. Tatsächlich enthält das Erbgut (DNA), das in allen Zellen vorkommt, ausschließlich Informationen für den Bau von Proteinen. Um diese Eiweißstoffe bauen zu können, muss die Zelle allerdings genügend Bausteine in Form der unterschiedlichen Aminosäuren zur Verfügung haben. Sind sie nicht vorhanden, kann das benötigte Protein nicht zusammengesetzt werden und die Zelle kann ihre Funktion nicht erfüllen. Nun stehen Zellen bei einem Menschen nicht allein da. In einem komplexen Organismus sind sie in festen Strukturen miteinander verbunden und müssen vielfältige Spezialfunktionen erfüllen. Sie bilden Gewebe, Organe, Netzwerke und Leitsysteme, ohne die ein Mensch biologisch nicht funktionieren würde. All das beruht am Ende auf dem Zusammenbau der richtigen Proteine aus den dafür benötigten Aminosäuren.

Chemisch betrachtet handelt es sich bei Aminosäuren um organische Verbindungen, die eine Aminogruppe (-NH2) und eine Corbonsäuregruppe (-COOH) enthalten. Beide Gruppen sind über ein zentrales Kohlenstoffatom miteinander verbunden, an dessen einer freien Bindungsstelle ein variierender Rest anhängt. Dieser Rest entscheidet letztlich darüber, um welche Aminosäure es sich handelt und welche Eigenschaften sie besitzt.

Essentielle und nicht-essentielle Aminosäuren

Der menschliche Körper benötigt insgesamt 21 Aminosäuren, um sämtliche notwendigen Proteine in den unterschiedlichen Zellen herstellen zu können – dies geschieht im Rahmen der sogenannten Proteinbiosynthese. Diese Aminosäuren sind Alanin, Arginin, Asparagin, Asparaginsäure, Cystein, Glutamin, Glutaminsäure, Glycin, Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Prolin, Selenocystein, Serin, Threonin, Tryptophan, Tyrosin und Valin. An dieser Stelle sei zur Erklärung kurz angemerkt, dass Selenocystein auf genetischer Ebene eine Sonderrolle einnimmt, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden muss. Ältere Quellen zählen diese Aminosäure nicht mit und gehen von nur 20 notwendigen Aminosäuren aus.

Insgesamt bilden alle 21 Aminosäuren in den verschiedensten Kombinationen unter anderem Strukturproteine für den Aufbau von Zellen und Geweben, Transportproteine für den gezielten Austausch von Ionen, Enzyme für den Stoffwechsel oder Antikörper für ein funktionierendes Immunsystem. Sie sind wie die Buchstaben unsere Sprache, aus denen jedes erdenkliche literarische Meisterwerk zusammengesetzt werden kann.

Von diesen 21 Aminosäuren gelten neun als essentiell für den Menschen. Das bedeutet, dass sie zwingend mit der Nahrung aufgenommen werden müssen, da sie nicht selbst im Körper hergestellt werden können. Im englischsprachigen Raum werden sie als essential amino acids (EAA) bezeichnet. Die übrigen Aminosäuren werden zwar ebenfalls über die Nahrung aufgenommen, können aber im Zuge des Stoffwechsels auch aus den essentiellen Aminosäuren gebildet werden. Sie gelten daher als nicht-essentiell, also nicht lebensnotwendig. Bei einigen sehr seltenen Stoffwechselerkrankungen kann die Umwandlung von bestimmten Aminosäuren gestört sein, sodass Aminosäuren essentiell werden, die es normalerweise nicht sind. Das sind allerdings Sonderfälle, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden muss. Eine Zwischenstufe stellen sogenannte semi-essentielle Aminosäuren dar. Sie müssen nur unter bestimmten Bedingungen mit der Nahrung zugeführt werden und sind daher lediglich zeitweise essentiell.

Welche essentiellen Aminosäuren gibt es?

Grundsätzlich werden alle essentiellen Aminosäuren bei der Herstellung verschiedener Proteine benötigt und sind als solche an unzähligen Prozessen im Körper beteiligt. Darüber hinaus werden Aminosäuren teilweise umgewandelt, sodass daraus neue Moleküle entstehen, die diverse Aufgaben in Bezug auf den Stoffwechsel erfüllen. Trotz dieser sehr allgemeinen, aber grundlegenden Relevanz können den einzelnen essentiellen Aminosäuren auch bestimmte Funktionen zugesprochen, für die sie von besonderer Bedeutung sind. Das wird vor allen Dingen dann wichtig, wenn einzelne essentielle Aminosäuren in nicht ausreichender Menge vorhanden sind. Dann können bestimmte Proteine nicht länger in der nötigen Menge hergestellt werden, wodurch die betroffenen Prozesse im Körper nicht mehr optimal ablaufen. Alle essentiellen Aminosäuren sollen im Folgenden Abschnitt kurz vorgestellt werden.

Histidin

Histidin wird insbesondere für den Aufbau wichtiger Strukturproteine benötigt und spielt dadurch eine wesentliche Rolle beim normalen Wachstum. Aus diesem Grunde ist besonders in der Kindheit eine ausreichende Versorgung mit Histidin wichtig. Aber auch bei Erwachsenen spielt das Wachstum eine bedeutende Rolle – im Zuge der Erneuerung und Regeneration von Zellen sowie Geweben. Zusätzlich dazu ist Histidin essentiell für den Energiestoffwechsel in den Mitochondrien. Diese Zellorganellen, die in sämtlichen Körperzellen zu finden sind, werden auch als „Kraftwerke der Zellen“ beschrieben und produzieren Energie für den Stoffwechsel innerhalb und außerhalb der Zellen. In dem roten Blutfarbstoff Hämoglobin sichert Histidin die Bindung des enthaltenen Eisen-Ions, welches für den Transport des Sauerstoffs benötigt wird. Beide Funktionen wirken sich grundlegend auf den gesamten Stoffwechsel des Körpers aus. Zuletzt dient Histidin als Ausgangsstoff für unterschiedliche nicht-essentielle Aminosäuren oder sogenannte biogene Amine. Zu ihnen gehört beispielsweise Histamin, das eine grundlegende Bedeutung für die Funktionalität der Immunabwehr hat.

Isoleucin

Isoleucin gehört aufgrund seiner chemischen Struktur zur Gruppe der verzweigtkettigen Aminosäuren (BCAA). Auf diese Gruppe gehen wir später noch etwas genauer ein. Isoleucin spielt eine wesentliche Rolle bei der Bildung neuer Gewebe und ist zudem wichtig für den Aufbau sowie die Regeneration von Muskeln. Dort wird es als Baustein in die sogenannten kontraktilen Proteine Aktin und Myosin eingesetzt. Diese Proteine bewirken die Kontraktion der Muskelzellen und stellen gleichzeitig eine wichtige Energiereserve für den Notfall dar. Bei starkem Nahrungsmangel werden zwar zunächst Fettreserven im Körper verbrannt, doch wenn diese nicht ausreichen, um den Körper ausreichend mit Energie zu versorgen, dann werden Muskelproteine abgebaut, sodass die für den Stoffwechsel benötigte Energie bereitgestellt werden kann. Auch bei der akuten Energieversorgung des Körpers ist Isoleucin von besonderer Wichtigkeit, denn die essentielle Aminosäure stimuliert die Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse. Dieses Hormon bewirkt einen raschen Transport von Zucker aus dem Blut in die Zellen, sodass dort der Energiestoffwechsel angekurbelt wird. Insgesamt ist Isoleucin somit wichtig für Kraft und Ausdauer.

Leucin

Ähnlich wie Isoleucin ist auch Leucin eine entscheidender Faktor in Bezug auf den Aufbau sowie die Regeneration der Muskulatur und gehört obendrein ebenfalls zu den verzweigtkettigen Aminosäuren. Leucin ist essentiell für den Aufbau und Erhalt von Muskelmasse, denn es wird nicht nur in Muskelproteinen verbaut, sondern hemmt gleichzeitig den Abbau von Proteinen aus dem Muskel. Aus diesem Grunde ist Leucin eine der wichtigsten Aminosäuren für die Heilungsprozesse sowie die Regeneration der Muskeln. Zusätzlich erhöht Leucin die Aufnahme weiterer Aminosäuren, in dem es den Insulinspiegel ansteigen lässt, wodurch die Proteinbiosynthese stimuliert wird.

Lysin

Lysin ist ein wichtiger Baustein für zahlreiche Proteine, die bei einem Mangel nicht in ausreichender Menge hergestellt werden könnten. Eines dieser Proteine ist Kollagen. Dieses Strukturprotein sichert die mechanische Stabilität von Geweben und findet sich unter anderem in der Haut, den Sehnen oder im Knorpel. Auch unterschiedliche Transportproteine im Blut oder in Zellmembranen benötigen Lysin. Sie sind notwendig, um empfindliche Ionenkonzentrationen zu stabilisieren oder Mikronährstoffe im Blut zu transportieren. Viele Hormone, Enzyme, Gerinnungsfaktoren und Proteine der Immunabwehr kommen ebenfalls nicht ohne Lysin aus. Für eine gesunde Funktion all dieser Prozesse ist eine ausreichende Versorgung mit Lysin unerlässlich. Neben dem Einbau in Proteinen kann Lysin auch umgebaut werden, sodass neue Verbindungen entstehen. Eine davon ist zum Beispiel Carnitin, das eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel spielt und die Fettverbrennung ankurbelt. Auf dem Arzneimiteilmarkt werden unterschiedliche Schmerzmittel angeboten, die zusätzlich Lysin enthalten. In diesem Zusammenhang bewirkt die Aminosäure eine schnellere Aufnahme des Medikamentes und beschleunigt so die einsetzende Wirkung.

Methionin

Die essentielle Aminosäure Methionin ist von wesentlicher Bedeutung bei einer Vielzahl an Stoffwechselprozessen, bei denen Methylgruppen übertragen werden (Transmethylierung). Solche Prozesse werden unter anderem bei der Bildung von Adrenalin benötigt, das auf das Kreislaufsystem und das zentrale Nervensystem wirkt. Auch die Synthese von RNA, Melatonin oder Kreatin, einem wichtigen Akteur im Energiestoffwechsel, beruhen auf einer Transmethylierung. Bei der Proteinbiosynthese ist Methionin eine zentrale Aminosäure, denn jedes menschliche Gen beginnt mit dem Code für Methionin (Startcodon). Somit ist Methionin zumindest zeitweise in jedem einzelnen gebildeten Protein vorhanden. Wenn es nicht benötigt wird, kann es nachträglich wieder entfernt werden. Daneben wird Methionin für die Verwertung unterschiedlicher Mikronährstoffe verwendet und ist besonders wichtig für eine ausreichende Versorgung mit dem Spurenelement Selen. Es wirkt fettlösend und unterstützt sowohl die Leber als auch die Niere bei der Regeneration nach einer Verfettung. Wenn Methionin im Körper abgebaut wird, entsteht die natürliche Aminosäure Homocystein. In großen Mengen stellt sie ein Risiko für die Entstehung vaskulärer Erkrankungen wie Arterienverkalkung, Thrombosen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Demenz dar. Die Vitamine B6, B9 und B12 bewirken eine Senkung des Homocystenspiegels im Blut, sodass dieses Risiko wieder reduziert wird.

Phenylalanin

Unter normalen Bedingungen kann Phenylalanin im Körper in die semi-essentielle Aminosäure Tyrosin umgewandelt werden. Dieser Prozess ist bei chronischem Stress allerdings stark eingeschränkt, sodass es dann dazu kommen kann, dass nicht genügend Tyrosin gebildet werden kann. In einem solchen Fall muss der Bedarf ebenfalls über die Nahrung abgedeckt werden. Tyrosin wird unter anderem für die Herstellung der Neurotransmitter Dopamin, Adrenalin sowie Noradrenalin benötigt und ist daher unabdingbar für ein gesundes Nervensystem. Es ist außerdem ein Vorläufer des Pigmentes Melanin und essentiell für die Bildung des Schilddrüsenhormons Thyroxin. Neben der Sicherstellung einer ausreichenden Menge an Tyrosin wird Phenylalanin selbst außerdem für den Einbau in zahlreichen Struktur- und Funktionsproteinen benötigt.

Threonin

Die essentielle Aminosäure Threonin ist wichtig für die Produktion von Immunglobulinen (Antikörper) und somit von substantieller Bedeutung für ein gesundes Immunsystem. Bei einer akuten Infektion müssen in kürzester Zeit unzählige Antikörper gebildet werden. Die individuelle Versorgungslage mit Threonin kann an dieser Stelle ein limitierender Faktor sein und so die Reaktionsgeschwindigkeit des Immunsystems begrenzen. Threonin wird außerdem für die Herstellung unterschiedlicher Strukturproteine, wie beispielsweise Kollagen benötigt und ist insbesondere in Stresssituationen oder bei Belastung für eine schnelle Energieversorgung von Bedeutung. Die Verarbeitung von Threonin im Körper hängt zum Teil von den Vitaminen B3 und B6 ab. Aus diesem Grunde kann ein Mangel dieser Vitamine zu einer Unterversorgung mit Threonin führen, auch wenn eigentlich eine ausreichende Menge der Aminosäure über die Nahrung aufgenommen wird. 

Tryptophan

Der Körper benötigt Tryptophan insbesondere für die Herstellung der Botenstoffe Serotonin und Melatonin. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der umgangssprachlich auch als „Glückshormon“ bezeichnet wird und vor allem für das psychische Wohlbefinden von äußerst hoher Wichtigkeit ist. Tryptophan ist in vergleichsweise großen Mengen in (dunkler) Schokolade enthalten und bewirkt über ebendiese Umwandlung zu Serotonin mitunter eine leicht positive Stimmung nach dem Verzehr der Süßigkeit. Für diese Umwandlung muss Tryptophan durch die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn gelangen. Als Supplement wird Tryptophan teilweise als „mildes Antidepressivum“ beworben, jedoch gibt es hierfür keinen wissenschaftlichen Beleg. Für eine Behandlung einer komplexen psychischen Erkrankung ist weit mehr nötig, als eine einzelne Aminosäure.

Damit für Tryptophan der Konkurrenzdruck durch andere Aminosäuren an der Blut-Hirn-Schranke möglichst gering ist, initiiert Tryptophan über eine Beeinflussung des Insulinspiegels die Aufnahme der verzweigtkettigen Aminosäuren Isoleucin, Leucin und Valin in die Muskelzellen, wodurch auch an dieser Stelle ein Energieschub entsteht. Melatonin wird ebenfalls im Gehirn gebildet. Das als Schlafhormon bekannte Molekül reguliert den Schlaf-wach-Rhythmus und wird in einer bestimmten Regelmäßigkeit, die unter anderem durch Licht beeinflusst wird, aus der Zirbeldrüse ausgeschüttet. Zusätzlich zu dieser großen Bedeutung für das Nervensystem kann Tryptophan zu einem geringen Anteil in Niacin (früher: Vitamin B3) umgewandelt werden und spielt daher für den Stoffwechsel eine Rolle als Provitamin. Niacin ist von großer Bedeutung für einen gesunden Energiestoffwechsel. An dieser Stelle sei allerdings betont, dass der Bedarf an Niacin bei Weitem nicht über Tryptophan gedeckt werden kann.

Valin

Valin ist nach Isoleucin und Leucin das letzte Mitglied der Gruppe der verzweigtkettigen Aminosäuren. Als solche spielt auch Valin eine wichtige Rolle im Aufbau der Muskulatur, der Energieversorgung der Muskelzellen und für ein gesundes Nervensystem. In der Leber kann Valin in eine Ketosäure umgewandelt werden, die eine schnell verwertbare Energiequelle darstellt. Auch bei der Gluconeogenese, also der Neubildung von Zucker als primärer Energielieferant, ist Valin äußerst wichtig. Neben der reinen Energieversorgung ist Valin, zumindest teilweise, auch für das Wachstum sowie die Regeneration der Muskeln verantwortlich. Im Nervensystem wird Valin als Vorstufe für unterschiedliche Neurotransmitter benötigt und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur gesunden Funktion neuronaler Abläufe.

Was ist die Besonderheit von BCAAs?

Die sogenannten Branched Chain Amino Acids (BCAA) oder verzwigtkettigen Aminosäuren stellen innerhalb der Gesamtgruppe der essentiellen Aminosäuren eine besondere Einheit dar. Sie alle spielen eine wesentliche Rolle beim Aufbau der Muskulatur sowie der Energieversorgung der Muskeln und rücken darum schnell in den Fokus, wenn es aus medizinischen oder ästhetischen Gründen um den Muskelaufbau geht. Eine gute Versorgung mit BCAAs vor und nach dem Training ist somit wichtig für eine optimale trainingsinduzierte Muskelbildung. Ohne Training geht es aber nicht, denn Proteine allein machen keine Muskeln. Während einer Diät können BCAAs dazu beitragen, den Proteinabbau trotz Hunger zu begrenzen. Dadurch bleibt der Grundumsatz weitestgehend konstant.

Interessant ist das Zusammenspiel von BCAAs und einigen B-Vitaminen. So werden für die Verarbeitung der BCAAs insbesondere Biotin, Vitamin B5 und Vitamin B6 benötigt. Das bedeutet, dass eine ausreichende Versorgung mit diesen Vitaminen gewährleistet sein muss, damit aufgenommene BCAAs optimal verstoffwechselt werden können. Gleichzeitig kann ein Mangel insbesondere von Vitamin B6 zu einer Unterversorgung mit BCAAs führen, auch wenn genügend Aminosäuren mit der Nahrung aufgenommen werden.

Wie können essentielle Aminosäuren aufgenommen werden? 

Aminosäuren werden mit der Nahrung in Form von pflanzlichen oder tierischen Proteinen aufgenommen. Dabei handelt es sich um vielfältige Strukturen, die bereits im Magen durch das Enzym Pepsin in kleinere Spaltprodukte zerlegt werden, damit der Körper an die wertvollen Aminosäuren gelangen kann. Das Ergebnis dieser Spaltung sind kleine Oligopeptide, die aus 3-10 aneinandergebundenen Aminosäuren bestehen, oder Polypeptiden, die noch immer aus mehr als 10 Aminosäuren zusammengesetzt sind. Eine weitere Aufspaltung erfolgt im Dünndarm durch unterschiedliche Enzyme der Bauchspeicheldrüse (Peptidasen), die die Peptidketten in ihre einzelnen Aminosäuren zerlegen. Diese können dann schließlich über die Zellen der Darmschleimhaut aktiv aufgenommen und ins Blut abgegeben werden. Die Verwertungsquote von essentiellen Aminosäuren aus der Nahrung liegt bei einem gesunden Menschen bei nahezu 100 Prozent.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Erwachsene bis 65 Jahre eine tägliche Zufuhr von 0,8 g Protein pro kg Körpergewicht. Für Personen über diesem Alter geht sie von einem höheren Bedarf auf und schätzt ihn auf 1,0 g Protein pro kg Körpergewicht. Der höhere Bedarf älter Menschen ist darauf zurückzuführen, dass die Proteinbiosynthese mit zunehmendem Alter immer langsamer läuft und im Gegenzug vermehrt Proteine im Körper abgebaut werden. Dies zeigt sich unter anderem in einem stetigen Abbau der Muskelmasse, weniger Kraft und schnellere Ermüdung. Dieser alterstypische Prozess kann durch eine gesteigerte Aufnahme an Proteinen abgeschwächt werden. Das Stichwort für Muskelaufbau im Alter ist hierbei „anabole Resistenz“. Das bedeutet, dass der Schwellenwert für den Proteinaufbau (Anabolismus) gestiegen ist. Dadurch müssen mehr Proteine aufgenommen werden, um den gleichen muskelaufbauenden Effekt zu erzielen, der auch bei jüngeren Menschen beobachtet werden kann.

Essentielle Aminosäuren in Lebensmitteln

Auch wenn häufig postuliert wird, dass nur Fleisch oder Fisch genügend Proteine enthalten, ist dieser Punkt nicht ganz richtig. Fakt ist allerdings, dass tierische Lebensmittel immer alle essentiellen Aminosäuren enthalten. So stellen Fisch, Fleisch und Wurstwaren, aber auch Eier, Milch sowie Milchprodukte grundsätzlich eine gute Quelle für essentielle Aminosäuren dar. Doch natürlich essen wir nicht nur tierische Lebensmittel, manch einer verzichtet sogar komplett darauf. Zum Glück gibt es auch sehr gehaltvolle pflanzliche Quellen für Proteine. So sind insbesondere Hülsenfrüchte wie Erbsen, Linsen oder verschiedene Bohnensorten sowie Nüsse und Getreide reich an wichtigen Aminosäuren. Allerdings sind Proteine aus pflanzlichen Lebensmitteln in vielen Fällen erheblich weniger vielfältig an Aminosäuren, sodass bei einer rein vegetarischen oder veganen Ernährung dringend darauf geachtet werden sollte, dass ein breites Spektrum an unterschiedlichen pflanzlichen Produkten konsumiert wird. Auf diese Weise kann eine ausreichende Versorgung mit allen neun essentiellen Aminosäuren gewährleistet werden.

Tierische Lebensmittel mit einem hohen Anteil an essentiellen Aminosäuren:

  • Filet vom Rind, Schwein, Geflügel oder Lamm
  • Fisch (z. B. Thunfisch, Lachs, Sardinen, Scholle)
  • Käse (z. B. Brie, Gouda, Parmesan)

Pflanzliche Lebensmittel mit einem hohen Anteil an essentiellen Aminosäuren:

  • Hülsenfrüchte (z. B. Erbsen, Bohnen)
  • Nüsse (z. B. Mandeln, Cashewkerne)
  • Reis (natur)

Grundsätzlich sei angemerkt, dass natürlich auch Obst und andere Gemüsesorten Proteine enthalten, allerdings ist der Anteil deutlich geringer. Zusammenfassend lässt sich dennoch feststellen, dass ein gesunder Mensch, der sich vielseitig und ausgewogen ernährt, seinen Bedarf an essentiellen Aminosäuren in der Regel problemlos über die Nahrung abdecken kann. Um einen ungefähren Eindruck darüber zu gewinnen, wie die Versorgungslage mit Proteinen und den enthaltenen Aminosäuren in Deutschland ist, wurde in den Jahren 2005 bis 2007 eine bundesweite Erhebung durchgeführt, die Nationale Verzehrsstudie II. Die erste Untersuchung dieser Art stammte aus den 1980er-Jahren und musste dringend aktualisiert werden. Die Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass sowohl Männer als auch Frauen im Durchschnitt mit ihrer täglichen Aufnahme an Proteinen über natürliche Lebensmittel deutlich über dem empfohlenen Referenzwert lagen. Dies führten die Forscher hauptsächlich auf einen sehr hohen Fleischkonsum zurück, ein Trend, der sich heute möglicherweise wandelt. Zum Studienzeitpunkt erreichten dennoch etwa 11 % der Männer und 15 % der Frauen die empfohlene Tagesmenge an essentiellen Aminosäuren nicht.

EAA-Supplements

Neben natürlichen Nahrungsmitteln gibt es unterschiedliche Nahrungsergänzungsmittel zur Aufstockung der Aminosäureversorgung. Als Pulver, Kapseln oder Tabletten sollen sie künstlich die natürliche Aufnahme ergänzen und dadurch positive Effekte auf den Körper haben. Insbesondere im Sport werden solche Präparate für Muskelwachstum und Ausdauer beworben. Es gibt aber auch andere Anwendungsbereiche, auf die im nachfolgenden Kapitel genauer eingegangen wird. Grundsätzlich kann zunächst zwischen 3 unterschiedlichen Zusammensetzung bei essentiellen Aminosäuren als Supplements unterschieden werden:

  1. EAA-Supplements enthalten alle 9 essentiellen Aminosäuren (Essential Amino Acids) und stellen eine breit aufgestellte Nahrungsergänzung dar. Ein derartiges Produkt bewirkt in der Regel, dass sämtliche Aminosäuren im Überfluss zur Verfügung stehen und es an keiner Stelle zu einer Limitation durch einen einzelnen Engpass kommt.
  2. BCAA-Supplements enthalten ausschließlich die verzweigtkettigen Aminosäuren Isoleucin, Leucin und Valin (Branched Chain Amino Acids). Sie werden insbesondere im Kraftsportbereich eingesetzt, jedoch kritisieren Experten eine Verschiebung der Anteile an zugeführten Aminosäuren. Eine einseitige Erhöhung der Zufuhr von BCAAs kann dazu führen, dass andere essentielle Aminosäuren verdrängt werden und dadurch ihre Funktion eingeschränkt wird.
  3. Einzelne Aminosäuren als Supplement (z. B. Histidin, Tyrosin etc.) enthalten nur eine einzelne isolierte Aminosäuren. Der Nutzen eines solchen Produktes ist unter normalen Bedingungen allerdings sehr begrenzt, da es in einem komplexen System wie dem Proteinstoffwechsel wenig effizient ist, nur einen einzelnen Faktor zu erhöhen, während alle anderen konstant bleiben. Anders sieht es bei Verabreichungen im Rahmen einer medizinischen Therapie bei seltenen Stoffwechselerkrankungen aus, auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird. Solche Sonderfälle müssen mit dem behandelnden Arzt besprochen werden.

Für wen sind EAA-Supplements sinnvoll?

Obwohl ein gesunder Mensch bei einer ausgewogenen Ernährung grundsätzlich genügend essentielle Aminosäuren aufnimmt, sind bestimmte Szenarien möglich, in denen die Aufnahme von essentiellen Aminosäuren mithilfe von Supplements wichtig wird, um eine Unterversorgung abwenden zu können. Prinzipiell ist allerdings zu betonen, dass an dieser Stelle von der allgemeinen Versorgung mit Proteinen bzw. allen essentiellen Aminosäuren gesprochen wird, da ein isolierter Mangel einer einzigen essentiellen Aminosäure sehr unwahrscheinlich ist. Letztlich gilt für die Versorgungslage, dass diejenige Aminosäure den gesamten Proteinstoffwechsel limitiert, die am wenigsten zur Verfügung steht. In einer solchen Situation kann es dann zu verschiedenen Mangelsymptomen kommen.

Aufgrund der vielfältigen Funktion der essentiellen Aminosäuren im Körper sind die Symptome eines Mangels breit gestreut. Sehr gut zu erkennen ist aber ein Gewichtsverlust, der mit einem Nachlassen von Ausdauer und Kraft einhergeht. Bei einer Unterversorgung werden Muskelproteine abgebaut, um wichtige Aminosäuren für den Stoffwechsel bereitzustellen. Wenn darüber hinaus ein Mangel besteht, können zusätzlich folgende Beschwerden beobachtet werden:

  • Müdigkeit, Kraftlosigkeit
  • Häufung von Infekten und schlechte Abwehrkräfte (Schwere und Dauer von Erkrankungen)
  • Störungen der Wundheilung
  • Haarausfall
  • Heißhunger
  • Wassereinlagerungen in Beinen und Gelenken

Spätestens bei solchen Symptomen sollte die individuelle Versorgung mit Aminosäuren kritisch hinterfragt werden. Dabei sind insbesondere Menschen risikobehaftet, die zu folgenden Personenkreisen zählen.

Menschen mit einer ernährungsbedingten Unterversorgung

Eine ernährungsbedingte Unterversorgung mit Proteinen in ist Deutschland selten und dann eher mit einer allgemeinen Unterernährung assoziiert, wie sie zum Beispiel bei einer Magersucht zu beobachten ist. Bei einer Unterernährung baut der Körper Muskelproteine ab, die zwar den Stoffwechsel notdürftig aufrecht halten, jedoch führt dies zu einer massiven Schwächung, die lebensbedrohlich werden kann. In einem solchen Fall steht die Wiederaufnahme einer normalen Ernährung im Vordergrund. Ein möglicher Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln könnte kurzfristig unterstützend wirken und sollte mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.

Entgegen der weitläufigen Meinung besteht für gesunde Veganer keine akute Gefahr einer Unterversorgung mit Proteinen, solange sie sich vielseitig ernähren und bewusst auf proteinreiche pflanzliche Lebensmittel achten. Allerdings beschäftigt sich die Forschung aktuell mit der Frage, welche Folgen eine vegane Ernährung auf den Muskelabbau im Alter (Sarkopenie) haben könnte. Eine groß angelegte Studie der Universität Belfast soll diese Frage klären und forschungsbasierte Ernährungsrichtlinien für ältere (vegane) Menschen entwickeln.

Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen

Unterschiedliche chronische Erkrankungen können dazu führen, dass trotz ausreichender Ernährung der Bedarf an Aminosäuren aufgrund diverser Störungen nicht gedeckt werden kann. So können chronische Darmentzündungen (z. B. Morbus Crohn) dazu führen, dass die Aminosäuren nicht vollständig aus dem Darm in die Blutbahn aufgenommen werden können. Auch eine Schwächung der Bauchspeicheldrüse, die Verdauungsenzyme freisetzt, kann den Verdauungsprozess stark beeinträchtigen. Andersherum können auch diverse Nierenerkrankungen dazu führen, dass aufgenommene Proteine in zu großer Anzahl über den Urin wieder ausgeschieden werden und den Körper ungenutzt verlassen. In all diesen Fällen ist es ratsam, mit dem behandelnden Arzt über eine mögliche Ergänzung von Aminosäuren mithilfe von Supplements zu sprechen, da diese die Versorgungslage deutlich verbessern können.

Sportler

Sportler haben durch ihre Aktivität einen erhöhten Proteinbedarf. Allerdings kann dieser Bedarf in der Regel problemlos über eine ausgewogene Ernährung gedeckt werden, zumal sich ambitionierte Sportler sowieso eher proteinreich ernähren. So weist die Verbraucherzentrale darauf hin, dass eine zusätzliche Einnahme von Proteinpulvern oder -kapseln für Sportler (im Hobbybereich) nicht notwendig ist, um den erhöhten Bedarf zu decken oder gar eine Unterversorgung abzuwenden [4]. Allerdings unterstützt die Einnahme von essentiellen Aminosäuren, insbesondere den verzweigtkettigen (BCAA), in Kombination mit Trainingseinheiten das Muskelwachstum. Eine aktuelle Übersichtsarbeit aus Kanada stellt hierzu zusammenfassend fest, das eine zusätzliche Einnahme von Proteinen nach einem akuten Training die Proteinneubildung in der Muskulatur verstärkt. Langfristig kann auf diese Weise ein verstärktes Muskelwachstum und eine Steigerung der Leistung herbeigeführt werden. Aus diesem Grund sind Protein-Supplements, insbesondere im Kraftsportbereich, sehr weit verbreitet, obwohl sie aus physiologischer Sicht nicht unbedingt notwendig sind. Besonders hier sollte allerdings darauf geachtet werden, dass angegebene Grenzwerte nicht überschritten werden, um keine unerwünschten Negativfolgen einer Überversorgung zu induzieren. Auf diese Thematik werden wir weiter unten noch etwas genauer eingehen.

Alte Menschen

Wie wir bereits oben erwähnt haben, steigt mit dem Alter auch der Proteinbedarf, weil die körpereigene Neubildung stark verlangsamt wird und gleichzeitig vorhandene Proteine schneller abgebaut werden. Dieser Prozess betrifft insbesondere die Muskulatur, sodass eine Person ab dem 50. Lebensjahr jährlich durchschnittlich 2 Prozent seiner gesamten Muskelmasse verliert. Dieser völlig natürliche Alterungsprozess kann jedoch auch deutlich stärker ausfallen. In einem solchen Fall spricht der Mediziner von Sarkopenie. Das führt nicht nur zu einem Verlust an Kraft und Ausdauer, sondern führt nach einigen Jahren zu einer deutlichen Verschlechterung der Körperstabilität und damit zu einer erhöhten Sturzgefahr. Neben körperlicher Aktivität, die besonders im Alter von großer Bedeutung für die motorische und geistige Fitness ist, kann eine Ergänzung durch BCAA Supplements dazu beitragen, den Muskelabbau zu verlangsamen. Dies gilt scheinbar insbesondere für die essentielle Aminosäure Leucin. Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist eine Studie der Universität Boston. Die Forscher stellten einen direkten Zusammenhang zwischen der Proteinaufnahme und der Häufigkeit von Hüftbrüchen als Folge eines Sturzes fest. Die Probanden waren im Durchschnitt 75 Jahre alt. Eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung liegt in einer besseren Körperstabilität aufgrund einer insgesamt stärkeren Muskulatur.

Höchstmengen und gesundheitliche Risiken

Im Rahmen der natürlichen Ernährung können langfristig keine Proteinmengen eingenommen werden, die ein gesundheitliches Risiko in Form einer Überversorgung darstellen. Anders sieht es bei der Verwendung von hochdosierten Nahrungsergänzungsmitteln aus. Die Produkte enthalten Aminosäure-Konzentrationen, die natürlicherweise nicht in Nahrungsmitteln vorkommen. Bei der Verwendung von EAA- oder BCAA-Supplements in Form von Proteinpulvern, Tabletten, Kapseln oder speziellen Getränken kann es zu einer erhöhten Belastung der Leber und der Nieren kommen. Diese Organe sind für die Verwertung und Ausscheidung der Aminosäuren zuständig und können bei einer langfristigen hohen Belastung Schaden nehmen. Aus eben diesem Grunde sollten Menschen mit bekannten Leber- oder Nierenerkrankungen die Einnahme von Protein-Supplements sicherheitshalber mit ihrem Arzt besprechen und sich streng an dessen angegebene Dosierung halten. Unabhängig von Organschäden lässt eine erhöhte Proteinzufuhr den Ammoniak-Spiegel im Blut steigen. Ammoniak entsteht, wenn Aminosäuren abgebaut werden und muss über die Nieren in Form von Harnstoff ausgeschieden werden. Ein anhaltend hoher Ammoniak-Spiegel kann die Funktion des Gehirns beeinträchtigen. So kann es zu Störungen der Feinmotorik oder der Konzentration kommen. 

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat insbesondere das Risiko der Verwendung von BCAAs genauer untersucht und auf dieser Basis Orientierungswerte für eine maximale tägliche Dosierung abgeleitet. Sie lautet für gesunde Erwachsene:

  • Leucin: 4,0 g 
  • Isoleucin: 2,2 g
  • Valin: 2,0 g
  • BCAAs insgesamt: 8,2 g

Das BfR betont, dass nur wenig bis gar keine Humanstudien hierfür vorliegen und die Orientierungswerte zu einem Großteil aus Beobachtungen bei Tieren abgeleitet wurden. Demnach seien gesundheitliche Schäden für einen gesunden Menschen möglich, wenn dieser Schätzwert überschritten wird. Dieser Wert gilt explizit nicht für Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion oder Personen, die aus gesundheitlichen Gründen eine proteinreduzierte Diät einhalten müssen.

Eine aktuelle Studie aus Griechenland untersucht die Rolle von BCAAs bei unterschiedlichen Erkrankungen des Menschen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass sich BCAAs grundsätzlich positiv auf den gesamten Stoffwechsel auswirken. Allerdings sind sie auch an der Entstehung und dem Fortschritt unterschiedlicher Erkrankungen wie Nierenerkrankungen, Tumore, Alzheimer oder Diabetes beteiligt. Das kann insbesondere bei einer Überversorgung zu gesundheitlichen Problemen führen. Hier besteht allerdings noch ein großer Forschungsbedarf, um die Komplexität der miteinander verwobenen Prozesse besser verstehen zu können.

Was ist beim Kauf von EAAs und BCAAs Supplements zu beachten?

Aminosäure-Supplements können in verschiedenen Formen (Pulver, Kapseln, Tabletten) sowie für komplett unterschiedliche Zwecke gekauft werden. Da bei der Herstellung von EAAs und BCAAs in der Regel tierische Proteine verwendet werden, sollten veganer unbedingt auf den Zusatz „vegan“ achten. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Produkt aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt wurde. So handelt es sich bei dem prominenten Produkt „Whey Protein“ z. B. um ein Molkeprotein. Vegane Protein-Supplements werden häufig aus Soja hergestellt. Bereits im Jahr 2015 berichtete allerdings die Zeitschrift Öko Test, dass alle vier untersuchten Soja-Proteinpräparate offensichtlich von gentechnisch veränderten Pflanzen der Sorte  Roundup Ready Soy stammen. Wenn auf einem Produkt ein europäisches Bio-Siegel zu sehen ist, kann jedoch grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass weder umweltschädliche Düngemittel noch Gentechnik eingesetzt wurden. Auch der Herstellungsort kann Rückschlüsse auf die Qualität eines Produktes zulassen.

Da Wechselwirkungen mit bestimmten Arzneimitteln auftreten können, sollten Menschen, die auf regelmäßige Medikamente angewiesen sind, mit ihrem behandelnden Arzt abklären, ob die Einnahme von zusätzlichen essentiellen Aminosäuren deren Wirkung beeinträchtigen könnte. Hier muss gegebenenfalls eine individuelle Dosierung oder ein persönlicher Diätplan besprochen werden. 

Fazit

Essentielle Aminosäuren sind von substantieller Bedeutung für einen gesunden Stoffwechsel und die optimale Funktion sämtlicher Abläufe im Körper. Sie werden in erster Linie für den Aufbau körpereigener Proteine verwendet, spielen aber unter anderem auch als Vorstufe von Botenstoffen eine wichtige Rolle. Da essentielle Aminosäuren in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln reichlich vorkommen, kann der Bedarf mit einer ausgewogenen Ernährung grundsätzlich gut gedeckt werden. Neben Fleisch, Fisch und Milchprodukten enthalten Hülsenfrüchte, Nüsse und Getreide einen hohen Anteil essentieller Aminosäuren. Aus diesem Grunde ist Mangel sehr selten, kann aber unter anderem in Verbindung mit bestimmten chronischen Erkrankungen auftreten.

Eine zusätzliche Aufnahme von essentiellen Aminosäuren über spezielle Supplements ist vor allem bei Kraftsportlern sehr beliebt. Hier können sie insbesondere in Form von BCAAs das trainingsinduzierte Muskelwachstum unterstützen. Physiologisch notwendig ist die Ergänzung in der Regel allerdings nicht. Dennoch sind die Risiken einer Überversorgung gering, solange die angegebene Dosierung und Grenzwerte der täglichen Einnahme eingehalten werden. Andernfalls kann langfristig unter anderem eine Schädigung der Nieren drohen.

Besonders interessant ist die zusätzliche Einnahme von essentiellen Aminosäuren für ältere Menschen. Studien konnten zeigen, dass ein altersbedingter Abbau der Muskulatur dadurch verlangsamt werden kann, wodurch die Körperstabilität im Alter länger erhalten bleibt und die Sturzgefahr reduziert wird. Aber auch hier kann der zusätzliche Bedarf über natürliche Lebensmittel gedeckt werden, weswegen eine proteinreiche Ernährungsweise für Menschen ab 60 generell sehr ratsam ist. 

Beim Kauf und der Verwendung von Aminosäure-Supplements sollte auf die Herkunft der verwendeten Proteine und gegebenenfalls ein Bio-Siegel geachtet werden.

Quellen

  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung  (DGE) Pressemeldung von 08/2017
  • Breen & Phillips (2011) Skeletal muscle protein metabolism in the elderly: Interventions to counteract the ‚anabolic resistance‘ of ageing. Nutrition & Metabolism volume 8, Article number: 68
  • Max Rubner-Institut & Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008) Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht  
  • Verbraucherzentrale (2020): Aminosäuren für Freizeitsportler – besser als ein kleines Steak?
  • Reid-McCann et al. (2022) The effect of animal versus plant protein on muscle mass, muscle strength, physical performance and sarcopenia in adults: protocol for a systematic review. Syst Rev. 2022 Apr 13;11(1):64.
  • Hartono et al. (2022) The Effects of Dietary Protein Supplementation on Acute Changes in Muscle Protein Synthesis and Longer-Term Changes in Muscle Mass, Strength, and Aerobic Capacity in Response to Concurrent Resistance and Endurance Exercise in Healthy Adults: A Systematic Review. Sports Med. 2022 Feb 3
  • Komar et al. (2014) Effects of leucine-rich protein supplements on anthropometric parameter and muscle strength in the elderly: A systematic review and meta-analysis. The journal of nutrition, health & aging volume 19, pages 437–446.
  • Misra et al. (2011) Does Dietary Protein Reduce Hip Fracture Risk in Elders? The Framingham Osteoporosis Study. Osteoporos Int. 2011 Jan; 22(1): 345–349. 
  • Bundesinstitut für Risikobewertung (2019): Nahrungsergänzungsmittel – Isolierte verzweigtkettige Aminosäuren können bei hoher Aufnahme die Gesundheit beeinträchtigen.
  • Dimou et al. (2022) The Critical Role of the Branched Chain Amino Acids (BCAAs) Catabolism-Regulating Enzymes, Branched-Chain Aminotransferase (BCAT) and Branched-Chain α-Keto Acid Dehydrogenase (BCKD), in Human Pathophysiology. Int J Mol Sci. 2022 Apr 5;23(7):4022.
  • Öko Test vom 9.10.2015: Eiweißpulver im Test: Viele Produkte fallen durch
Annika Mix ist promovierte Biologin und arbeitete viele Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer journalistischen Weiterbildung erfüllte sie sich den Wunsch, als freiberufliche Texterin und Wissenschaftsjournalistin Themen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln.