Elektrolyte - Funktion, Bedarf und praktische Bedeutung
Jeden Tag verliert der menschliche Körper etwa 2,5 Liter Flüssigkeit - und mit ihr wichtige Mineralstoffe, die als Elektrolyte bezeichnet werden. Diese elektrisch geladenen Teilchen steuern nahezu jeden Vorgang im Körper: vom Herzschlag über die Muskelkontraktion bis zur Nervenleitung. Ein Mangel kann innerhalb weniger Stunden zu ernsthaften Problemen führen, während ein Überschuss ebenfalls gesundheitliche Risiken birgt. Die richtige Balance dieser Mineralstoffe entscheidet über Leistungsfähigkeit, Wohlbefinden und letztendlich über Leben und Tod.
Elektrolyte sind Mineralstoffe, die in Körperflüssigkeiten gelöst als elektrisch geladene Teilchen (Ionen) vorliegen. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet "elektrisch lösbar". Diese Ionen ermöglichen die Weiterleitung elektrischer Impulse zwischen Zellen und sind damit für alle bioelektrischen Prozesse unerlässlich. Die wichtigsten Elektrolyte im menschlichen Körper sind Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Chlorid, Phosphat und Bicarbonat. Jeder dieser Stoffe hat spezifische Aufgaben und muss in einem bestimmten Konzentrationsbereich vorliegen.
Biochemische Grundlagen und Wirkmechanismen
Die Funktionsweise von Elektrolyten basiert auf ihrer Eigenschaft, in wässriger Lösung in positiv geladene Kationen und negativ geladene Anionen zu zerfallen. Diese Dissoziation - also das Auseinanderfallen in geladene Teilchen - ermöglicht den Transport elektrischer Ladungen durch Zellmembranen. Der menschliche Körper nutzt diese Eigenschaft für die Signalübertragung zwischen Nervenzellen, die Kontraktion von Muskelzellen und die Regulation des Wasserhaushalts. Dabei arbeiten verschiedene Transportsysteme zusammen: Ionenkanäle lassen bestimmte Ionen passiv durch die Membran wandern, während Ionenpumpen unter Energieverbrauch Ionen gegen ihr Konzentrationsgefälle transportieren. Das bekannteste System ist die Natrium-Kalium-Pumpe, die in jeder Körperzelle vorhanden ist und pro Sekunde etwa 300 Natrium-Ionen aus der Zelle und 200 Kalium-Ionen in die Zelle befördert [1].
Die Verteilung der Elektrolyte zwischen dem Zellinneren (intrazellulär) und dem Raum außerhalb der Zellen (extrazellulär) ist streng reguliert. Im Zellinneren dominiert Kalium mit einer Konzentration von etwa 140 Millimol pro Liter, während außerhalb der Zellen Natrium mit 145 Millimol pro Liter vorherrscht. Dieser Unterschied erzeugt ein elektrisches Potenzial über der Zellmembran - das sogenannte Ruhepotenzial von etwa minus 70 Millivolt. Wird dieses Potenzial gestört, entstehen elektrische Signale, die beispielsweise einen Muskel zur Kontraktion bringen oder einen Nervenimpuls weiterleiten [2].
Osmotische Regulation und Wasserhaushalt
Elektrolyte bestimmen den osmotischen Druck in Körperflüssigkeiten und regulieren damit die Wasserverteilung zwischen verschiedenen Kompartimenten. Wasser folgt immer der höheren Konzentration gelöster Teilchen - ein Prinzip, das als Osmose bekannt ist. Steigt beispielsweise die Natriumkonzentration im Blut, wird Wasser aus den Zellen gezogen, um die Konzentration auszugleichen. Dies führt zu einer Schrumpfung der Zellen und löst Durst aus. Das antidiuretische Hormon (ADH) aus der Hirnanhangdrüse verstärkt dann die Wasserrückgewinnung in den Nieren, während gleichzeitig das Durstgefühl zur vermehrten Flüssigkeitsaufnahme anregt. Ein erwachsener Mensch reguliert täglich etwa 180 Liter Flüssigkeit über die Nieren, wobei nur etwa 1,5 Liter als Urin ausgeschieden werden - der Rest wird zurückgewonnen [3].
Säure-Basen-Haushalt
Bicarbonat und Phosphat fungieren als wichtige Puffersysteme zur Stabilisierung des pH-Werts im Blut. Der normale pH-Wert liegt zwischen 7,35 und 7,45 - schon kleine Abweichungen können lebensbedrohlich sein. Das Bicarbonat-Puffersystem kann überschüssige Säuren oder Basen abfangen und hält den pH-Wert konstant. Bei körperlicher Anstrengung entstehen beispielsweise Milchsäure und andere saure Stoffwechselprodukte. Bicarbonat neutralisiert diese Säuren zu Kohlendioxid und Wasser. Das Kohlendioxid wird über die Lunge abgeatmet, während die Nieren überschüssige Säuren oder Basen über den Urin ausscheiden. Pro Tag produziert der Körper etwa 15.000 Millimol Kohlensäure und 70 Millimol nicht-flüchtige Säuren, die alle gepuffert und ausgeschieden werden müssen [4].
Die wichtigsten Elektrolyte im Detail
Jeder einzelne Elektrolyt hat spezifische Funktionen im Körper und muss in einem bestimmten Konzentrationsbereich gehalten werden. Die Regulation erfolgt hauptsächlich über die Nieren, aber auch Darm, Haut und Lunge sind beteiligt. Im Folgenden werden die sieben wichtigsten Elektrolyte mit ihren Funktionen, Normalwerten und Regulationsmechanismen detailliert beschrieben.
Natrium - Der Hauptregulator des Wasserhaushalts
Natrium ist mit einer Konzentration von 135 bis 145 Millimol pro Liter das häufigste Kation im Extrazellularraum. Es bestimmt maßgeblich den osmotischen Druck und damit das Blutvolumen. Die Natrium-Kalium-ATPase, ein Enzym in jeder Zellmembran, verbraucht etwa 25 Prozent der gesamten Energie des Körpers, um Natrium aus den Zellen zu pumpen. Die tägliche Aufnahme liegt in westlichen Ländern oft bei 8 bis 12 Gramm Kochsalz (entspricht 3.200 bis 4.800 Milligramm Natrium), obwohl der tatsächliche Bedarf nur bei etwa 1.500 Milligramm liegt. Die Nieren können die Natriumausscheidung von nahezu null bis über 500 Millimol pro Tag variieren. Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ist der Hauptregulator: Bei niedrigem Blutdruck oder Natriummangel schütten die Nieren Renin aus, was über mehrere Schritte zur Bildung von Aldosteron führt. Dieses Hormon verstärkt die Natriumrückgewinnung in den Nierenkanälchen [5].
Ein Natriummangel (Hyponatriämie) tritt auf, wenn die Konzentration unter 135 Millimol pro Liter fällt. Symptome reichen von Kopfschmerzen und Übelkeit bei milden Formen bis zu Krampfanfällen und Koma bei schweren Fällen unter 120 Millimol pro Liter. Ursachen sind meist übermäßiger Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen, Erbrechen oder Durchfall bei gleichzeitig unzureichender Natriumzufuhr. Marathonläufer, die nur reines Wasser trinken, sind besonders gefährdet. Ein Natriumüberschuss (Hypernatriämie) über 145 Millimol pro Liter entsteht meist durch Wassermangel und führt zu Verwirrtheit, Muskelzuckungen und im Extremfall zu Hirnblutungen durch Zellschrumpfung [6].
Kalium - Der intrazelluläre Hauptelektrolyt
Mit 98 Prozent des Gesamtbestands innerhalb der Zellen ist Kalium der wichtigste intrazelluläre Elektrolyt. Die normale Serumkonzentration liegt zwischen 3,5 und 5,0 Millimol pro Liter. Kalium ist essentiell für die Erregbarkeit von Nerven- und Muskelzellen. Jede Aktion eines Muskels, jeder Herzschlag und jeder Gedanke hängt vom richtigen Kaliumspiegel ab. Die tägliche Aufnahme sollte laut Weltgesundheitsorganisation mindestens 3.500 Milligramm betragen, tatsächlich nehmen viele Menschen nur 2.000 bis 2.500 Milligramm auf. Obst und Gemüse sind die Hauptquellen: Eine mittelgroße Banane enthält etwa 400 Milligramm, 100 Gramm Spinat sogar 550 Milligramm Kalium [7].
Die Regulation erfolgt primär über die Nieren, wobei Aldosteron die Kaliumausscheidung fördert, während es gleichzeitig Natrium zurückhält. Insulin verschiebt Kalium vom Blut in die Zellen - deshalb sinkt der Kaliumspiegel nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten vorübergehend. Ein Kaliummangel (Hypokaliämie) unter 3,5 Millimol pro Liter verursacht Muskelschwäche, Verstopfung und Herzrhythmusstörungen. Im EKG zeigen sich typische Veränderungen wie abgeflachte T-Wellen und U-Wellen. Ein Kaliumüberschuss (Hyperkaliämie) über 5,0 Millimol pro Liter ist lebensbedrohlich und kann zum Herzstillstand führen. Nierenversagen ist die häufigste Ursache, da die geschädigten Nieren Kalium nicht mehr ausreichend ausscheiden können [8].
Calcium - Mehr als nur Knochenbaustein
Calcium ist mit etwa einem Kilogramm Gesamtbestand der mengenmäßig wichtigste Mineralstoff im Körper. Davon befinden sich 99 Prozent in Knochen und Zähnen, nur ein Prozent zirkuliert im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten. Die Serumkonzentration liegt normalerweise zwischen 2,2 und 2,6 Millimol pro Liter, wobei etwa die Hälfte als freies, biologisch aktives Calcium vorliegt. Der Rest ist an Proteine gebunden oder bildet Komplexe mit anderen Ionen. Die empfohlene tägliche Aufnahme beträgt 1.000 Milligramm für Erwachsene, 1.200 Milligramm für Jugendliche und ältere Menschen [9].
Calcium hat vielfältige Funktionen: Es ermöglicht die Muskelkontraktion durch Bindung an Troponin, aktiviert die Blutgerinnung, stabilisiert Zellmembranen und dient als sekundärer Botenstoff in Zellen. Die Regulation erfolgt durch drei Hormone: Parathormon erhöht den Calciumspiegel durch verstärkte Freisetzung aus den Knochen und erhöhte Rückgewinnung in den Nieren. Calcitonin senkt den Spiegel durch Einbau in die Knochen. Vitamin D (genauer: Calcitriol) steigert die Aufnahme im Darm und die Rückgewinnung in den Nieren. Ein Calciummangel führt zu Muskelkrämpfen, Kribbeln in Fingern und Lippen sowie im Extremfall zur Tetanie - einer schmerzhaften Dauerkontraktion der Muskulatur. Langfristig entwickelt sich Osteoporose. Ein Calciumüberschuss verursacht Müdigkeit, Verstopfung, Nierensteine und kann zu gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen [10].
Magnesium - Der unterschätzte Cofaktor
Magnesium ist an über 300 Enzymreaktionen beteiligt und damit einer der wichtigsten Cofaktoren im Stoffwechsel. Der Gesamtbestand beträgt etwa 25 Gramm, wovon 60 Prozent in den Knochen, 39 Prozent in den Zellen und nur ein Prozent im Blut vorliegen. Die normale Serumkonzentration liegt zwischen 0,7 und 1,0 Millimol pro Liter. Der tägliche Bedarf beträgt 300 bis 400 Milligramm, wobei nur etwa 30 bis 40 Prozent der aufgenommenen Menge tatsächlich resorbiert werden. Die Aufnahme erfolgt hauptsächlich im Dünndarm durch zwei Mechanismen: einen aktiven Transport über das Protein TRPM6 bei niedrigen Konzentrationen und passive Diffusion bei höheren Konzentrationen [11].
Magnesium stabilisiert die DNA-Struktur, ist essentiell für die ATP-Produktion und reguliert die Erregbarkeit von Nerven und Muskeln. Es wirkt als natürlicher Calcium-Antagonist und verhindert eine übermäßige Muskelkontraktion. Die Nieren regulieren die Magnesiumausscheidung sehr präzise: Bei Mangel kann die Ausscheidung auf unter ein Millimol pro Tag reduziert werden. Ein Magnesiummangel zeigt sich durch Muskelkrämpfe, besonders nächtliche Wadenkrämpfe, Herzrhythmusstörungen und erhöhte Stressanfälligkeit. Studien zeigen, dass etwa 20 Prozent der Bevölkerung einen latenten Magnesiummangel haben. Ein Überschuss ist bei normaler Nierenfunktion selten, kann aber bei Nierenversagen zu Muskelschwäche und Atemlähmung führen [12].
Chlorid - Der vergessene Partner
Chlorid ist das häufigste Anion im Extrazellularraum mit einer Konzentration von 95 bis 105 Millimol pro Liter. Es folgt meist passiv dem Natrium und trägt zur Aufrechterhaltung des osmotischen Drucks bei. Im Magen bildet Chlorid zusammen mit Wasserstoff die Magensäure (Salzsäure) mit einem pH-Wert von 1 bis 2. Die Belegzellen des Magens produzieren täglich etwa 2,5 Liter dieser starken Säure, die Proteine denaturiert, Bakterien abtötet und Pepsinogen zu aktivem Pepsin umwandelt. Die tägliche Aufnahme erfolgt hauptsächlich als Natriumchlorid (Kochsalz) und liegt meist über dem Bedarf von etwa 2.300 Milligramm [13].
Ein Chloridmangel tritt meist gemeinsam mit Natriummangel auf, kann aber auch isoliert bei anhaltendem Erbrechen entstehen, da mit der Magensäure viel Chlorid verloren geht. Dies führt zur hypochlorämischen Alkalose - einem Anstieg des Blut-pH-Werts. Die Nieren versuchen dies zu kompensieren, indem sie vermehrt Bicarbonat ausscheiden. Ein Chloridüberschuss ist selten und meist Folge einer Dehydratation oder übermäßigen Kochsalzzufuhr [14].
Phosphat - Energiespeicher und Puffer
Phosphat ist essentieller Bestandteil von ATP, DNA und RNA sowie wichtiger Puffer im Blut und Urin. Der Gesamtbestand beträgt etwa 700 Gramm, wovon 85 Prozent in den Knochen als Calciumphosphat (Hydroxylapatit) gebunden sind. Die Serumkonzentration liegt zwischen 0,8 und 1,5 Millimol pro Liter. Der tägliche Bedarf von 700 Milligramm wird durch normale Ernährung meist überschritten, da Phosphat in fast allen Lebensmitteln vorkommt. Besonders reich sind Milchprodukte, Fleisch und Hülsenfrüchte. Zusätzlich enthalten viele verarbeitete Lebensmittel Phosphatzusätze als Konservierungs- und Säuerungsmittel [15].
Die Regulation erfolgt hauptsächlich über das Parathormon, das die Phosphatausscheidung in den Nieren steigert. Das Protein FGF23 aus den Knochenzellen ist ein weiterer wichtiger Regulator, der bei hohen Phosphatspiegeln die Ausscheidung fördert. Ein Phosphatmangel ist selten und tritt meist bei Mangelernährung oder Alkoholismus auf. Er führt zu Muskelschwäche, Knochenschmerzen und in schweren Fällen zu Hämolyse (Zerfall roter Blutkörperchen). Ein Phosphatüberschuss entsteht meist bei Nierenversagen und kann zu Gefäßverkalkungen führen, da überschüssiges Phosphat mit Calcium unlösliche Komplexe bildet [16].
Bicarbonat - Der wichtigste Puffer
Bicarbonat (HCO3-) ist das wichtigste Puffersystem zur Aufrechterhaltung des Blut-pH-Werts. Die normale Konzentration liegt zwischen 22 und 28 Millimol pro Liter. Bicarbonat entsteht aus Kohlendioxid und Wasser unter Katalyse des Enzyms Carboanhydrase: CO2 + H2O ⟷ H2CO3 ⟷ HCO3- + H+. Diese Reaktion läuft in beide Richtungen und kann sowohl Säuren als auch Basen abpuffern. Die Lunge reguliert den CO2-Partialdruck durch die Atemfrequenz, während die Nieren Bicarbonat rückresorbieren oder ausscheiden können [17].
Bei metabolischer Azidose (Übersäuerung durch Stoffwechselprozesse) sinkt die Bicarbonatkonzentration unter 22 Millimol pro Liter. Der Körper kompensiert durch verstärkte Atmung, um CO2 abzuatmen. Ursachen sind diabetische Ketoazidose, Nierenversagen oder schwere Durchfälle. Bei metabolischer Alkalose steigt Bicarbonat über 28 Millimol pro Liter, meist durch Verlust von Magensäure bei anhaltendem Erbrechen. Die Atmung wird verlangsamt, um CO2 zurückzuhalten [18].
Täglicher Bedarf und natürliche Quellen
Der tägliche Bedarf an Elektrolyten variiert je nach Alter, Geschlecht, körperlicher Aktivität und klimatischen Bedingungen erheblich. Die offiziellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) basieren auf durchschnittlichen Bedürfnissen eines gesunden Erwachsenen bei moderater körperlicher Aktivität. Diese Werte müssen bei Sport, Hitze, Krankheit oder besonderen Lebensphasen wie Schwangerschaft und Stillzeit angepasst werden. Eine ausgewogene Ernährung deckt normalerweise den Bedarf aller wichtigen Mineralstoffe ab, wobei die tatsächliche Aufnahme stark von der Lebensmittelauswahl abhängt.
Elektrolyt | Tagesbedarf Erwachsene | Hauptquellen | Gehalt pro 100g |
---|---|---|---|
Natrium | 1.500 mg | Kochsalz, Brot, Käse | Salz: 39.000 mg Gouda: 600 mg |
Kalium | 4.000 mg | Bananen, Kartoffeln, Spinat | Spinat: 550 mg Banane: 360 mg |
Calcium | 1.000 mg | Milchprodukte, Grünkohl | Parmesan: 1.200 mg Grünkohl: 210 mg |
Magnesium | 350-400 mg | Nüsse, Vollkorn, Hülsenfrüchte | Kürbiskerne: 535 mg Cashews: 270 mg |
Chlorid | 2.300 mg | Kochsalz, verarbeitete Lebensmittel | Salz: 60.000 mg Salami: 1.500 mg |
Phosphat | 700 mg | Fleisch, Milch, Getreide | Emmentaler: 700 mg Rindfleisch: 200 mg |
Die Bioverfügbarkeit - also der Anteil, den der Körper tatsächlich aufnehmen kann - unterscheidet sich stark zwischen den Mineralstoffen und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Calcium aus Milchprodukten wird zu etwa 30 Prozent aufgenommen, während die Aufnahme aus Spinat trotz hohem Gehalt nur bei 5 Prozent liegt, da Oxalsäure die Resorption hemmt. Magnesium wird durchschnittlich zu 35 Prozent resorbiert, wobei organische Verbindungen wie Magnesiumcitrat besser aufgenommen werden als anorganisches Magnesiumoxid. Die Kaliumaufnahme liegt bei etwa 85 bis 90 Prozent und ist kaum von anderen Faktoren abhängig [19].
Wechselwirkungen bei der Aufnahme
Verschiedene Mineralstoffe konkurrieren um dieselben Transportwege im Darm. Hohe Calciumdosen hemmen die Aufnahme von Magnesium und Zink. Eisen und Calcium behindern sich gegenseitig, weshalb eisenreiche Mahlzeiten und calciumreiche Milchprodukte zeitlich getrennt verzehrt werden sollten. Phytinsäure aus Getreide und Hülsenfrüchten bindet Calcium, Magnesium, Eisen und Zink zu unlöslichen Komplexen. Durch Einweichen, Keimen oder Fermentation kann der Phytinsäuregehalt reduziert werden. Vitamin D verbessert die Calciumaufnahme um das Zwei- bis Dreifache, während Vitamin C die Eisenresorption steigert [20].
Elektrolytstörungen - Ursachen und Folgen
Störungen im Elektrolythaushalt gehören zu den häufigsten medizinischen Problemen und betreffen bis zu 20 Prozent aller Krankenhauspatienten. Sie entstehen durch ein Ungleichgewicht zwischen Aufnahme und Verlust oder durch Verschiebungen zwischen den Körperkompartimenten. Die Symptome reichen von leichtem Unwohlsein bis zu lebensbedrohlichen Zuständen. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Sportler, chronisch Kranke und Personen mit Essstörungen. Die Diagnose erfolgt durch Blutuntersuchungen, wobei nicht nur die absoluten Werte, sondern auch die Geschwindigkeit der Veränderung entscheidend ist.
Dehydratation und ihre Formen
Dehydratation bedeutet Flüssigkeitsmangel, kann aber drei verschiedene Formen annehmen. Bei der isotonen Dehydratation verliert der Körper Wasser und Elektrolyte im gleichen Verhältnis, wie sie im Blut vorliegen - typisch bei Durchfall oder Blutverlust. Die Natriumkonzentration bleibt normal, aber das Blutvolumen sinkt. Bei der hypertonen Dehydratation überwiegt der Wasserverlust, die Natriumkonzentration steigt über 145 Millimol pro Liter. Dies tritt bei Fieber, starkem Schwitzen ohne Flüssigkeitszufuhr oder Diabetes insipidus auf. Die hypotone Dehydratation entsteht, wenn mehr Salz als Wasser verloren geht, etwa bei übermäßigem Schwitzen mit reiner Wasserzufuhr. Die Behandlung muss an die jeweilige Form angepasst werden: isotone Kochsalzlösung bei isotoner, langsame Wassergabe bei hypertoner und natriumhaltige Lösungen bei hypotoner Dehydratation [21].
Sport und Elektrolytverluste
Bei intensiver körperlicher Aktivität verliert der Körper erhebliche Mengen an Mineralstoffen über den Schweiß. Pro Liter Schweiß gehen etwa 900 bis 1.800 Milligramm Natrium, 150 bis 300 Milligramm Kalium, 20 bis 60 Milligramm Calcium und 10 bis 40 Milligramm Magnesium verloren. Ein Marathonläufer kann während eines Wettkampfs 3 bis 5 Liter Schweiß produzieren, was einem Natriumverlust von bis zu 9 Gramm entspricht. Trainierte Sportler haben einen verdünnteren Schweiß mit niedrigeren Elektrolytkonzentrationen - eine Anpassung, die Mineralstoffverluste reduziert. Die Schweißrate kann von 0,5 Liter pro Stunde bei moderater Belastung bis zu 3 Liter pro Stunde bei extremer Hitze und Anstrengung reichen [22].
- Leistungssportler sollten vor, während und nach dem Training gezielt Flüssigkeit und Elektrolyte zuführen
- Bei Belastungen über 60 Minuten sind isotonische Getränke mit 400-800 mg Natrium pro Liter sinnvoll
- Die Regeneration nach dem Sport erfordert das 1,5-fache des Schweißverlusts an Flüssigkeit
- Kaliumreiche Lebensmittel wie Bananen unterstützen die Muskelregeneration
- Magnesium sollte nicht unmittelbar vor dem Sport eingenommen werden, da es die Leistung mindern kann
Erkrankungen und Medikamente
Zahlreiche Erkrankungen beeinflussen den Elektrolythaushalt direkt oder indirekt. Nierenerkrankungen führen häufig zu Störungen, da die Nieren Hauptregulatoren der Mineralstoffausscheidung sind. Bei chronischer Niereninsuffizienz steigen Kalium und Phosphat an, während Calcium sinkt. Herzinsuffizienz verursacht durch Aktivierung des RAAS-Systems Natrium- und Wasserretention mit Ödembildung. Diabetes mellitus führt bei schlechter Einstellung zu osmotischer Diurese mit Verlust von Wasser und Elektrolyten. Bei der diabetischen Ketoazidose entsteht zusätzlich eine schwere metabolische Azidose [23].
Viele Medikamente greifen in den Mineralstoffhaushalt ein. Diuretika (Entwässerungsmittel) sind die häufigste Ursache für Elektrolytstörungen. Thiaziddiuretika wie Hydrochlorothiazid fördern die Ausscheidung von Natrium, Kalium und Magnesium. Schleifendiuretika wie Furosemid haben einen noch stärkeren Effekt und können zu gefährlichen Kaliumverlusten führen. ACE-Hemmer und Sartane, häufige Blutdruckmedikamente, erhöhen den Kaliumspiegel durch Hemmung von Aldosteron. Protonenpumpenhemmer gegen Sodbrennen reduzieren die Magnesiumaufnahme bei Langzeiteinnahme. Kortison führt zu Natrium- und Wasserretention bei gleichzeitigem Kaliumverlust. Antibiotika wie Gentamicin können die Nieren schädigen und multiple Elektrolytstörungen verursachen [24].
Diagnostik und Laborwerte
Die Bestimmung der Elektrolytkonzentrationen im Blut gehört zu den häufigsten Laboruntersuchungen. Das kleine Blutbild umfasst meist Natrium, Kalium, Calcium und Chlorid, während Magnesium und Phosphat extra angefordert werden müssen. Die Blutentnahme sollte morgens nüchtern erfolgen, da Nahrungsaufnahme die Werte beeinflussen kann. Wichtig ist die korrekte Präanalytik: Zu langes Stauen bei der Blutentnahme erhöht den Kaliumwert künstlich, während zu lange Lagerung der Probe zu falschen Ergebnissen führt. Die Serumwerte spiegeln nicht immer den Gesamtbestand im Körper wider - besonders bei Magnesium und Kalium kann trotz normalem Serumspiegel ein intrazellulärer Mangel vorliegen [25].
Elektrolyt | Normalbereich Serum | Kritisch niedrig | Kritisch hoch |
---|---|---|---|
Natrium | 135-145 mmol/L | < 120 mmol/L | > 160 mmol/L |
Kalium | 3,5-5,0 mmol/L | < 2,5 mmol/L | > 6,5 mmol/L |
Calcium (gesamt) | 2,2-2,6 mmol/L | < 1,8 mmol/L | > 3,5 mmol/L |
Magnesium | 0,7-1,0 mmol/L | < 0,5 mmol/L | > 2,0 mmol/L |
Chlorid | 95-105 mmol/L | < 85 mmol/L | > 115 mmol/L |
Phosphat | 0,8-1,5 mmol/L | < 0,4 mmol/L | > 2,5 mmol/L |
Bicarbonat | 22-28 mmol/L | < 15 mmol/L | > 35 mmol/L |
Zusätzliche Untersuchungen können die Diagnose präzisieren. Die Bestimmung des ionisierten (freien) Calciums ist genauer als das Gesamtcalcium, da nur der freie Anteil biologisch aktiv ist. Der Magnesium-Belastungstest misst die Ausscheidung nach intravenöser Gabe - bei Mangel wird mehr zurückgehalten. Die Urinelektrolyte geben Aufschluss über die Nierenfunktion und helfen bei der Unterscheidung renaler von extrarenalen Ursachen. Ein EKG zeigt charakteristische Veränderungen bei Kalium- und Calciumstörungen. Die Blutgasanalyse erfasst den Säure-Basen-Status und die Bicarbonatkonzentration [26].
Praktische Aspekte der Supplementierung
Die Einnahme von Elektrolytpräparaten kann in bestimmten Situationen sinnvoll oder sogar notwendig sein. Dabei unterscheiden sich die verfügbaren Präparate erheblich in Zusammensetzung, Bioverfügbarkeit und Preis. Grundsätzlich sollte eine Supplementierung nur bei nachgewiesenem Mangel, erhöhtem Bedarf oder zur Prävention bei Risikogruppen erfolgen. Die unkontrollierte Einnahme hochdosierter Präparate kann zu Überdosierungen und Wechselwirkungen führen. Besonders kritisch sind Kalium und Calcium, die in hohen Dosen Herzrhythmusstörungen verursachen können.
Darreichungsformen und Bioverfügbarkeit
Elektrolyte sind in verschiedenen chemischen Verbindungen und Darreichungsformen erhältlich. Organische Verbindungen wie Citrate, Gluconate oder Aspartate werden meist besser aufgenommen als anorganische Salze wie Oxide oder Carbonate. Magnesiumcitrat hat eine Bioverfügbarkeit von etwa 25 bis 30 Prozent, während Magnesiumoxid nur zu 4 bis 5 Prozent resorbiert wird. Flüssige Präparate und Brausetabletten werden schneller aufgenommen als feste Tabletten, da die Mineralstoffe bereits gelöst vorliegen. Retardpräparate geben die Wirkstoffe langsam ab und reduzieren gastrointestinale Nebenwirkungen, haben aber eine geringere Bioverfügbarkeit. Die Aufnahme wird durch gleichzeitige Nahrungsaufnahme beeinflusst: Calcium wird mit Mahlzeiten besser aufgenommen, während Eisen nüchtern besser resorbiert wird [27].
Transdermale Anwendungen wie Magnesiumöl oder Bittersalzbäder werden beworben, die wissenschaftliche Evidenz für eine relevante Aufnahme über die Haut ist jedoch schwach. Eine Studie mit Magnesiumchlorid-Fußbädern zeigte nur minimale Erhöhungen der Serumspiegel. Intravenöse Gaben umgehen den Verdauungstrakt und erreichen 100 Prozent Bioverfügbarkeit, sind aber nur bei schweren Mangelzuständen oder Notfällen indiziert. Die intramuskuläre Injektion von Magnesium ist schmerzhaft und wird nur noch selten angewandt [28].
Isotonische Getränke und Elektrolytlösungen
Isotonische Getränke haben die gleiche Konzentration gelöster Teilchen wie das Blutplasma (280 bis 300 mosmol/L) und werden daher schnell aufgenommen. Kommerzielle Sportgetränke enthalten meist 400 bis 1.100 Milligramm Natrium, 100 bis 250 Milligramm Kalium und 6 bis 8 Prozent Kohlenhydrate pro Liter. Die Kohlenhydrate liefern Energie und verbessern die Natriumaufnahme über den Natrium-Glucose-Cotransporter im Darm. Die WHO-Rehydratationslösung zur Behandlung von Durchfallerkrankungen enthält 2.600 Milligramm Natrium, 1.500 Milligramm Kalium, 2.900 Milligramm Chlorid und 13.500 Milligramm Glucose pro Liter. Diese Zusammensetzung hat Millionen Leben gerettet und kostet nur wenige Cent pro Liter [29].
- Selbstgemischte Elektrolytlösungen sind kostengünstig: 1 Liter Wasser + 6 Teelöffel Zucker + 0,5 Teelöffel Salz + Orangensaft für Kalium
- Kokoswasser enthält natürlicherweise etwa 250 mg Natrium und 600 mg Kalium pro Liter
- Gemüsebrühen liefern Natrium, Kalium und andere Mineralstoffe in gut verfügbarer Form
- Molke aus der Käseproduktion ist reich an Calcium und enthält alle essentiellen Aminosäuren
Wechselwirkungen und Nebenwirkungen
Die gleichzeitige Einnahme verschiedener Mineralstoffpräparate kann zu Wechselwirkungen führen. Calcium hemmt die Aufnahme von Magnesium, Eisen und Zink. Daher sollten diese Mineralstoffe zeitversetzt eingenommen werden - idealerweise mit zwei bis drei Stunden Abstand. Hohe Zinkdosen über 50 Milligramm täglich können einen Kupfermangel verursachen, da beide Metalle um denselben Transporter konkurrieren. Eisenpräparate reduzieren die Resorption von Tetracyclin-Antibiotika und Schilddrüsenhormonen. Magnesium kann die Wirkung von Bisphosphonaten gegen Osteoporose und einigen Antibiotika abschwächen [30].
Gastrointestinale Nebenwirkungen sind die häufigsten unerwünschten Effekte. Magnesium wirkt in höheren Dosen abführend - Magnesiumsulfat (Bittersalz) wird gezielt als Abführmittel eingesetzt. Calcium kann Verstopfung verursachen, besonders Calciumcarbonat. Eisenpräparate führen häufig zu Übelkeit, Bauchschmerzen und Schwarzfärbung des Stuhls. Kaliumtabletten können die Magenschleimhaut reizen und sollten immer mit viel Flüssigkeit eingenommen werden. Die Verträglichkeit lässt sich durch Dosisreduktion, Präparatwechsel oder Einnahme zu den Mahlzeiten verbessern [31].
Spezielle Bevölkerungsgruppen
Bestimmte Personengruppen haben einen erhöhten Bedarf an Elektrolyten oder ein erhöhtes Risiko für Mangelzustände. Die Anpassung der Zufuhr an individuelle Bedürfnisse ist wichtig für Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Dabei müssen sowohl physiologische Besonderheiten als auch Lebensumstände berücksichtigt werden.
Schwangerschaft und Stillzeit
Während der Schwangerschaft steigt der Bedarf an fast allen Mineralstoffen. Das Blutvolumen nimmt um 40 bis 50 Prozent zu, was zusätzliche Elektrolyte erfordert. Der Fötus benötigt für sein Wachstum erhebliche Mengen: etwa 30 Gramm Calcium für das Skelett, 750 Milligramm Magnesium und 500 Milligramm Phosphat. Der Calciumbedarf steigt auf 1.200 Milligramm täglich, wobei die Resorption im Darm durch erhöhte Vitamin-D-Spiegel verbessert wird. Magnesiummangel erhöht das Risiko für vorzeitige Wehen und Präeklampsie. Eine Supplementierung mit 200 bis 400 Milligramm Magnesium täglich kann diese Komplikationen reduzieren. Der Eisenbedarf verdoppelt sich auf 30 Milligramm täglich, da zusätzlich zur fetalen Versorgung die mütterliche Erythropoese gesteigert ist [32].
In der Stillzeit gehen täglich etwa 250 Milligramm Calcium, 40 Milligramm Magnesium und 130 Milligramm Phosphat in die Muttermilch über. Bei unzureichender Zufuhr mobilisiert der Körper diese Mineralstoffe aus den mütterlichen Speichern, was zu Knochendichteverlust führen kann. Die Natriumkonzentration in der Muttermilch ist mit 180 Milligramm pro Liter niedrig und wird streng reguliert, unabhängig von der mütterlichen Aufnahme. Stillende Frauen haben einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf von zusätzlich 750 Milliliter täglich [33].
Senioren und altersbedingte Veränderungen
Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich die Regulation des Elektrolythaushalts aus mehreren Gründen. Die Nierenfunktion nimmt ab - die glomeruläre Filtrationsrate sinkt um etwa ein Prozent pro Jahr ab dem 40. Lebensjahr. Das Durstgefühl lässt nach, wodurch ältere Menschen oft zu wenig trinken. Die Magensäureproduktion reduziert sich, was die Aufnahme von Calcium, Eisen und Vitamin B12 beeinträchtigt. Die Vitamin-D-Synthese in der Haut nimmt um 75 Prozent ab, zusätzlich halten sich viele Senioren weniger im Freien auf. Dies führt zu schlechterer Calciumresorption und erhöhtem Osteoporoserisiko [34].
Polypharmazie - die Einnahme von fünf oder mehr Medikamenten - betrifft 40 Prozent der über 65-Jährigen und erhöht das Risiko für Elektrolytstörungen erheblich. Diuretika, die häufigsten Blutdruckmedikamente bei Älteren, verursachen Verluste von Kalium, Magnesium und Natrium. Gleichzeitig steigt die Empfindlichkeit gegenüber Elektrolytstörungen: Schon milde Hyponatriämien können zu Stürzen, Verwirrtheit und Krankenhauseinweisungen führen. Regelmäßige Laborkontrollen sind daher bei älteren Menschen besonders wichtig [35].
Vegetarier und Veganer
Pflanzliche Ernährung liefert reichlich Kalium und Magnesium, kann aber bei einigen Mineralstoffen zu Unterversorgung führen. Die Calciumzufuhr liegt bei Veganern oft unter den Empfehlungen, da Milchprodukte fehlen. Zwar enthalten grüne Gemüse, Mandeln und angereicherte Pflanzenmilch Calcium, die Bioverfügbarkeit ist jedoch teilweise reduziert. Oxalsäure in Spinat und Rhabarber bindet bis zu 95 Prozent des enthaltenen Calciums. Phytinsäure in Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten reduziert zusätzlich die Aufnahme von Calcium, Magnesium, Eisen und Zink. Durch Einweichen, Keimen oder Fermentation lässt sich der Phytinsäuregehalt um 30 bis 50 Prozent senken [36].
Die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Quellen (Nicht-Häm-Eisen) beträgt nur 2 bis 20 Prozent, verglichen mit 15 bis 35 Prozent aus Fleisch (Häm-Eisen). Vitamin C kann die Aufnahme um das Drei- bis Vierfache steigern, weshalb eisenreiche Mahlzeiten mit Vitamin-C-Quellen kombiniert werden sollten. Ein Glas Orangensaft zu Haferflocken oder Paprika zu Linsen verbessert die Eisenresorption erheblich. Die Zinkversorgung kann ebenfalls kritisch sein, da pflanzliche Lebensmittel weniger Zink enthalten und die Bioverfügbarkeit durch Phytate reduziert ist. Eine um 50 Prozent höhere Zufuhr wird für Vegetarier empfohlen [37].
Mythen und Missverständnisse
Um das Thema Elektrolyte ranken sich zahlreiche Mythen und Halbwahrheiten, die oft durch geschicktes Marketing oder Fehlinterpretationen wissenschaftlicher Studien entstehen. Eine kritische Betrachtung dieser Behauptungen ist wichtig, um fundierte Entscheidungen über die eigene Ernährung und eventuelle Supplementierung zu treffen.
Alkalisches Wasser und pH-Wert
Die Bewerbung von alkalischem Wasser mit pH-Werten von 8 bis 10 verspricht Entgiftung, Anti-Aging und Krebsprävention. Diese Behauptungen ignorieren grundlegende physiologische Fakten: Der Magen produziert Salzsäure mit einem pH von 1 bis 2, die jedes alkalische Wasser sofort neutralisiert. Der Körper reguliert den Blut-pH über Atmung und Nieren extrem präzise bei 7,40 ± 0,05. Weder Nahrungsmittel noch Getränke können diesen Wert dauerhaft verändern - das wäre lebensgefährlich. Eine Metaanalyse von 2016 fand keine überzeugenden Beweise für gesundheitliche Vorteile von alkalischem Wasser. Die einzige nachgewiesene Wirkung ist eine leichte Reduktion der Magensäure bei Refluxbeschwerden, ähnlich wie Antazida [38].
Salz als Gesundheitsrisiko
Die pauschale Verteufelung von Salz ist wissenschaftlich nicht haltbar. Während ein Überkonsum von über 12 Gramm täglich das Risiko für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, zeigen neuere Studien, dass auch zu wenig Salz schädlich sein kann. Die PURE-Studie mit über 100.000 Teilnehmern fand ein U-förmiges Risikoprofil: Sowohl unter 3 Gramm als auch über 6 Gramm Natrium täglich war mit erhöhter Sterblichkeit verbunden. Nur etwa 30 bis 50 Prozent der Menschen sind "salzsensitiv" und reagieren auf Salzreduktion mit Blutdrucksenkung. Diese Personen haben oft eine genetische Variante des Epithelialen Natriumkanals (ENaC) oder des ACE-Gens. Für die anderen bringt radikale Salzreduktion keine Vorteile und kann sogar die Insulinresistenz erhöhen [39].
Sportgetränke für jeden
Die Sportgetränke-Industrie suggeriert, dass isotonische Drinks für jede körperliche Aktivität notwendig sind. Tatsächlich benötigt der Körper bei Belastungen unter 60 Minuten nur Wasser. Die zusätzlichen Kalorien aus Zucker (60 bis 80 Kalorien pro 250 Milliliter) können bei moderater Bewegung sogar kontraproduktiv sein. Erst bei intensiver Belastung über eine Stunde oder bei Aktivitäten in großer Hitze werden Elektrolytersatz und schnelle Energie sinnvoll. Für den Freizeitsportler, der dreimal wöchentlich 30 Minuten joggt, ist Leitungswasser völlig ausreichend. Die nach dem Sport verzehrte normale Mahlzeit ersetzt alle verlorenen Mineralstoffe [40].
Zukunftsperspektiven und aktuelle Forschung
Die Forschung zu Elektrolyten entwickelt sich ständig weiter und liefert neue Erkenntnisse über ihre Rolle in Gesundheit und Krankheit. Moderne Analysemethoden ermöglichen präzisere Messungen und ein besseres Verständnis der komplexen Regulationsmechanismen. Personalisierte Medizin berücksichtigt zunehmend individuelle genetische Varianten, die den Mineralstoffbedarf beeinflussen.
Genetische Polymorphismen
Genetische Varianten beeinflussen den individuellen Elektrolytbedarf erheblich. Der Polymorphismus C677T im MTHFR-Gen, den etwa 30 Prozent der Bevölkerung tragen, reduziert die Enzymaktivität um 35 Prozent und erhöht den Bedarf an Folsäure und möglicherweise auch Magnesium. Varianten im VDR-Gen (Vitamin-D-Rezeptor) beeinflussen die Calciumaufnahme und das Osteoporoserisiko. Menschen mit der TT-Variante des FokI-Polymorphismus haben eine um 30 Prozent reduzierte Calciumresorption. Das TRPM6-Gen kodiert für den Haupttransporter der Magnesiumaufnahme - Mutationen führen zu schwerer Hypomagnesiämie. Nutrigenomische Tests können solche Varianten identifizieren und eine personalisierte Supplementierung ermöglichen [41].
Neue Biomarker und Diagnostik
Die herkömmliche Serumbestimmung wird zunehmend durch präzisere Methoden ergänzt. Die Messung der intrazellulären Magnesiumkonzentration in Erythrozyten oder mononukleären Zellen spiegelt den Gewebestatus besser wider als Serumwerte. Der EXA-Test misst Mineralstoffe in der Mundschleimhaut und soll den Gewebestatus abbilden, die wissenschaftliche Validierung steht jedoch aus. Kontinuierliche Elektrolytmessung über implantierbare Sensoren wird für Risikopatienten entwickelt. Diese Geräte, kleiner als ein Reiskorn, messen Kalium und Natrium in Echtzeit und warnen bei kritischen Abweichungen. Erste klinische Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse bei Dialysepatienten [42].
Die Proteomik identifiziert neue Regulatoren des Mineralstoffhaushalts. Das 2018 entdeckte Protein FKBP12 reguliert den Magnesiumtransporter TRPM7 und könnte ein Angriffspunkt für neue Therapien sein. microRNAs beeinflussen die Expression von Ionenkanälen und Transportern - ihre Rolle wird intensiv erforscht. Die Metabolomik untersucht das Zusammenspiel zwischen Elektrolyten und anderen Stoffwechselprodukten und liefert Einblicke in bisher unbekannte Wechselwirkungen [43].
Schlussbetrachtung
Elektrolyte sind weit mehr als simple Salze im Körperwasser - sie sind die unsichtbaren Dirigenten nahezu aller physiologischen Prozesse. Ihre präzise Regulation entscheidet über Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Überleben. Während eine ausgewogene Ernährung bei gesunden Menschen meist ausreichende Mengen liefert, können besondere Umstände wie intensive körperliche Aktivität, Krankheit oder bestimmte Lebensphasen zu erhöhtem Bedarf oder Verlusten führen.
Die wissenschaftliche Evidenz zeigt klar, dass sowohl Mangel als auch Überschuss gesundheitliche Probleme verursachen können. Die optimale Versorgung ist individuell verschieden und hängt von genetischen Faktoren, Lebensstil, Medikamenten und Umweltbedingungen ab. Pauschale Empfehlungen greifen oft zu kurz - eine differenzierte Betrachtung ist erforderlich. Moderne Diagnostik ermöglicht zunehmend personalisierte Ansätze, die den individuellen Bedarf besser abbilden.
Die Zukunft liegt in der präzisen, individualisierten Versorgung basierend auf genetischen Profilen, kontinuierlicher Überwachung und intelligenten Algorithmen zur Dosisanpassung. Bis diese Technologien breit verfügbar sind, bleibt die Kombination aus ausgewogener Ernährung, bewusster Lebensführung und gezielter Supplementierung bei nachgewiesenem Bedarf der beste Weg zur optimalen Elektrolytversorgung. Kritisches Hinterfragen von Werbeversprechen und regelmäßige ärztliche Kontrollen bei Risikogruppen sind dabei essentiell für die Gesunderhaltung dieses komplexen Systems.
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