Kieselerde: Ein potenziell gefährliches Supplement?

Kieselerde gehört zu den klassischen Nahrungsergänzungsmitteln, die seit Jahrzehnten in Drogerien und Apotheken erhältlich sind. Viele Menschen nehmen diese Präparate in der Hoffnung auf schönere Haut, festere Nägel oder kräftigeres Haar. Doch was ist Kieselerde überhaupt? Und hält sie, was die Werbung verspricht? Diese Fragen verdienen eine gründliche, wissenschaftlich fundierte Betrachtung.

Der Begriff „Kieselerde“ führt oft zu Verwirrung. Chemisch betrachtet handelt es sich hauptsächlich um Siliziumdioxid (SiO₂), das in verschiedenen Formen vorkommt. In Nahrungsergänzungsmitteln stammt die Kieselerde meist aus fossilen Kieselalgen, den sogenannten Diatomeen. Diese winzigen Lebewesen bildeten vor Millionen Jahren Ablagerungen auf dem Meeresboden. Ihre Schalen bestehen aus amorphem (nicht-kristallinem) Siliziumdioxid.

Silizium selbst ist nach Sauerstoff das zweithäufigste Element in der Erdkruste. Im menschlichen Körper findet man es vor allem im Bindegewebe, in Knochen, Knorpeln, Blutgefäßen und in der Haut. Ein erwachsener Mensch trägt etwa 1-2 Gramm Silizium in sich. Die Frage ist jedoch: Brauchen wir zusätzliches Silizium aus Nahrungsergänzungsmitteln?

Zusammensetzung und Formen von Kieselerde

Die handelsübliche Kieselerde besteht zu 70-90% aus Siliziumdioxid. Der Rest setzt sich aus verschiedenen Mineralien zusammen, darunter Calcium, Magnesium, Eisen und Aluminium. Diese Begleitmineralien entstammen den ursprünglichen Ablagerungen und variieren je nach Herkunft und Aufbereitung des Produkts.

Man unterscheidet verschiedene Arten von Siliziumdioxid in Nahrungsergänzungsmitteln. Die wichtigste Unterscheidung betrifft die kristalline und die amorphe Form. Kristallines Siliziumdioxid, wie es in Quarz vorkommt, gilt als gesundheitlich bedenklich, wenn es eingeatmet wird. Die in Nahrungsergänzungsmitteln verwendete Kieselerde sollte ausschließlich aus amorphem Siliziumdioxid bestehen.

Verschiedene Darreichungsformen

Kieselerde-Präparate gibt es in unterschiedlichen Formen. Am verbreitetsten sind Pulver, Kapseln und Tabletten. Das Pulver lässt sich in Wasser oder Saft einrühren, schmeckt jedoch meist erdig und sandig. Kapseln und Tabletten sind geschmacksneutral und einfacher einzunehmen. Manche Hersteller bieten auch Gel-Präparate an, die eine bessere Bioverfügbarkeit versprechen.

Die Partikelgröße spielt eine wichtige Rolle für die Aufnahme im Körper. Je feiner das Pulver gemahlen ist, desto besser kann es theoretisch vom Darm aufgenommen werden. Allerdings zeigen Studien, dass die Aufnahme von Siliziumdioxid generell sehr gering ist – meist unter 5% der eingenommenen Menge [1].

Qualitätsunterschiede bei Kieselerde-Produkten

Die Qualität von Kieselerde-Präparaten schwankt erheblich. Wichtige Qualitätskriterien sind die Reinheit des Produkts, die Partikelgröße und der Gehalt an Schwermetallen. Hochwertige Präparate werden mehrfach gereinigt und auf Schadstoffe geprüft. Billigere Produkte können hingegen Verunreinigungen enthalten.

Ein kritischer Punkt ist der mögliche Gehalt an kristallinem Siliziumdioxid. Obwohl die meisten Hersteller versichern, nur amorphes Siliziumdioxid zu verwenden, fanden Untersuchungen in einigen Produkten auch kristalline Anteile [2]. Diese könnten bei langfristiger Einnahme problematisch sein.

DarreichungsformSiliziumgehaltÜbliche TagesdosisVor- und Nachteile
Pulver70-90% SiO₂1-3 TeelöffelGünstig, aber sandiger Geschmack
Kapseln400-500 mg/Kapsel2-3 KapselnGeschmacksneutral, teurer
Tabletten200-300 mg/Tablette3-4 TablettenKompakt, oft mit Zusatzstoffen
Gel1-2% Kieselsäure15-30 mlBessere Aufnahme vermutet, sehr teuer

Silizium im menschlichen Körper

Um die Wirkung von Kieselerde zu verstehen, muss man die Rolle von Silizium im Körper kennen. Silizium ist ein sogenanntes Spurenelement – der Körper braucht es nur in sehr kleinen Mengen. Anders als bei Eisen oder Zink ist jedoch nicht eindeutig geklärt, ob Silizium für Menschen lebensnotwendig (essentiell) ist.

Im Körper kommt Silizium hauptsächlich als Orthokieselsäure (Si(OH)₄) vor. Diese Form kann von den Zellen aufgenommen und verwertet werden. Die höchsten Konzentrationen finden sich in Bindegewebe, Knochen, Knorpel, Haaren und Nägeln. Mit dem Alter nimmt der Siliziumgehalt in diesen Geweben ab – was manche als Argument für eine Supplementierung sehen.

Aufnahme und Stoffwechsel von Silizium

Die Aufnahme von Silizium aus der Nahrung erfolgt im Dünndarm. Dabei können nur bestimmte Formen des Elements aufgenommen werden. Orthokieselsäure wird am besten absorbiert, während das in Kieselerde enthaltene Siliziumdioxid erst im sauren Magenmilieu teilweise in Orthokieselsäure umgewandelt werden muss.

Studien zeigen, dass nur etwa 1-5% des Siliziumdioxids aus Kieselerde-Präparaten tatsächlich vom Körper aufgenommen werden [3]. Im Vergleich dazu liegt die Aufnahme von Silizium aus pflanzlichen Lebensmitteln bei 20-70%. Bier enthält beispielsweise gut verfügbares Silizium aus der Gerste – etwa 20 mg pro Liter.

Nach der Aufnahme wird Silizium über das Blut zu den verschiedenen Geweben transportiert. Überschüssiges Silizium scheidet der Körper über die Nieren aus. Die Halbwertszeit im Blut beträgt nur wenige Stunden, weshalb eine kontinuierliche Zufuhr nötig wäre, um die Gewebespiegel zu erhöhen.

Funktionen von Silizium im Gewebe

Silizium erfüllt verschiedene Aufgaben im Bindegewebe. Es ist an der Bildung von Kollagen und Elastin beteiligt – zwei Proteinen, die für die Festigkeit und Elastizität von Haut, Sehnen und Blutgefäßen wichtig sind. Im Labor konnte gezeigt werden, dass Silizium die Aktivität des Enzyms Prolylhydroxylase steigert, welches für die Kollagenbildung notwendig ist [4].

In den Knochen trägt Silizium zur Mineralisierung bei. Es scheint die Einlagerung von Calcium und Phosphat zu fördern. Tierversuche zeigten, dass Silizium-Mangel zu schwächeren Knochen und schlechterem Knochenwachstum führt. Ob diese Erkenntnisse auf Menschen übertragbar sind, ist jedoch unklar.

Auch für Haare und Nägel könnte Silizium wichtig sein. Diese Strukturen enthalten relativ viel von dem Element – Haare etwa 20-90 μg/g. Ob eine zusätzliche Zufuhr von Silizium tatsächlich zu kräftigerem Haar oder festeren Nägeln führt, ist wissenschaftlich aber nicht eindeutig belegt.

Beworbene Wirkungen und wissenschaftliche Evidenz

Die Werbung für Kieselerde-Präparate verspricht oft wahre Wunder: straffere Haut, glänzendes Haar, feste Nägel und sogar Schutz vor Osteoporose. Doch was sagt die Wissenschaft zu diesen Behauptungen? Ein Blick auf die verfügbaren Studien zeigt ein ernüchterndes Bild.

Die meisten Untersuchungen zu Kieselerde wurden mit sehr kleinen Teilnehmerzahlen durchgeführt. Viele Studien haben methodische Schwächen, wie fehlende Kontrollgruppen oder zu kurze Beobachtungszeiträume. Die wenigen gut gemachten Studien zeigen bestenfalls minimale Effekte.

Wirkung auf Haut, Haare und Nägel

Eine der bekanntesten Studien zur Wirkung von Kieselerde auf Haut und Haare wurde 2005 in Hamburg durchgeführt [5]. 50 Frauen nahmen über 20 Wochen täglich 10 mg Silizium in Form von Orthokieselsäure ein. Die Ergebnisse zeigten eine leichte Verbesserung der Hautstruktur und der Haardicke im Vergleich zur Placebogruppe. Die Effekte waren jedoch gering und statistisch nur knapp nachweisbar.

Eine weitere Studie aus Belgien untersuchte die Wirkung auf brüchige Nägel [6]. Nach 20 Wochen Einnahme von Cholin-stabilisierter Orthokieselsäure berichteten die Teilnehmerinnen über festere Nägel. Allerdings basierte diese Bewertung nur auf subjektiven Einschätzungen, objektive Messungen fehlten.

Kritisch anzumerken ist, dass die meisten positiven Studien nicht mit klassischer Kieselerde, sondern mit besser verfügbaren Silizium-Verbindungen durchgeführt wurden. Die Übertragbarkeit auf herkömmliche Kieselerde-Präparate ist daher fraglich.

Einfluss auf die Knochengesundheit

Der Zusammenhang zwischen Silizium und Knochengesundheit wurde in mehreren epidemiologischen Studien untersucht. Die Framingham-Studie fand einen Zusammenhang zwischen höherer Siliziumaufnahme aus der Nahrung und besserer Knochendichte [7]. Allerdings stammte das Silizium hier aus normalen Lebensmitteln, nicht aus Nahrungsergänzungsmitteln.

Interventionsstudien mit Kieselerde-Präparaten zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Eine kleine Studie mit postmenopausalen Frauen fand nach einem Jahr keine Verbesserung der Knochendichte durch Kieselerde-Supplementierung [8]. Andere Untersuchungen berichten über minimale positive Effekte, die aber klinisch kaum relevant sind.

StudieTeilnehmerDosis/DauerHauptergebnis
Barel et al. 200550 Frauen10 mg Si/Tag, 20 WochenLeichte Verbesserung Hautstruktur
Wickett et al. 200748 Frauen10 mg Si/Tag, 20 WochenMinimal festere Nägel (subjektiv)
Spector et al. 2008184 Frauen3-12 mg Si/Tag, 12 MonateKein Effekt auf Knochendichte
Jurkić et al. 2013ReviewVerschiedeneUneinheitliche, schwache Evidenz

Weitere behauptete Wirkungen

Manche Hersteller bewerben Kieselerde auch zur „Entgiftung“ oder zur Bindung von Schwermetallen. Für diese Behauptungen gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat alle gesundheitsbezogenen Werbeaussagen zu Silizium geprüft und keine einzige zugelassen [9].

Auch die oft beworbene Wirkung auf das Bindegewebe ist wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Zwar spielt Silizium eine Rolle bei der Kollagenbildung, aber ob eine zusätzliche Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich zu strafferer Haut führt, konnte bisher nicht überzeugend nachgewiesen werden.

Natürliche Siliziumquellen in der Ernährung

Bevor man zu Nahrungsergänzungsmitteln greift, lohnt ein Blick auf natürliche Siliziumquellen. Viele alltägliche Lebensmittel enthalten das Spurenelement in gut verfügbarer Form. Die Aufnahme aus diesen Quellen ist meist deutlich besser als aus Kieselerde-Präparaten.

Getreide und Getreideprodukte gehören zu den wichtigsten Siliziumlieferanten in unserer Ernährung. Besonders die äußeren Schichten der Körner sind reich an dem Element. Vollkornprodukte enthalten daher mehr Silizium als Weißmehlprodukte. Hafer führt die Liste mit etwa 400-600 mg/kg an, gefolgt von Gerste und Weizen.

Pflanzliche Siliziumquellen

Viele Gemüsesorten enthalten beachtliche Mengen an Silizium. Grüne Bohnen liefern etwa 10 mg pro 100 g, Spinat und Mangold etwa 5-8 mg. Auch Wurzelgemüse wie Kartoffeln (2-5 mg/100g) und Karotten (3-4 mg/100g) tragen zur Siliziumversorgung bei. Die Schale enthält oft besonders viel von dem Element.

Obst enthält generell weniger Silizium als Gemüse. Bananen gehören mit 4-5 mg/100g zu den besseren Quellen. Äpfel und Birnen liefern etwa 2-3 mg/100g. Trockenfrüchte haben durch den Wasserentzug höhere Konzentrationen – getrocknete Datteln enthalten etwa 15-20 mg/100g.

Kräuter und Gewürze sind wahre Silizium-Bomben. Petersilie enthält etwa 20-30 mg/100g, Brennnessel sogar bis zu 50 mg/100g. Da man diese jedoch nur in kleinen Mengen verzehrt, ist ihr Beitrag zur Gesamtaufnahme begrenzt.

Getränke als Siliziumquelle

Überraschenderweise gehören bestimmte Getränke zu den besten Siliziumquellen. Bier enthält durch die verwendete Gerste etwa 20 mg Silizium pro Liter – und das in sehr gut verfügbarer Form. Die Aufnahme liegt hier bei etwa 50-60% [10]. Natürlich sollte Bier nicht als Nahrungsergänzungsmittel missbraucht werden.

Auch Mineralwasser kann zur Siliziumversorgung beitragen. Der Gehalt schwankt je nach geologischem Untergrund der Quelle zwischen 0 und 80 mg/l. Wässer aus vulkanischen Gebieten enthalten oft mehr Silizium. Auf dem Etikett ist der Wert als „Kieselsäure“ angegeben.

Tee, besonders grüner Tee, liefert ebenfalls Silizium. Eine Tasse enthält etwa 2-5 mg in gut verfügbarer Form. Kaffee trägt mit 0,5-1 mg pro Tasse nur wenig zur Versorgung bei.

LebensmittelSiliziumgehalt (mg/100g)Geschätzte Bioverfügbarkeit
Hafer/Haferflocken40-6020-30%
Hirse50-6020-30%
Gerste20-3030-40%
Grüne Bohnen10-1240-50%
Bananen4-540-50%
Brennnessel40-5030-40%
Bier (pro Liter)2050-60%
Mineralwasser (pro Liter)0-8060-80%

Bioverfügbarkeit und Aufnahme im Vergleich

Der entscheidende Unterschied zwischen Kieselerde und natürlichen Siliziumquellen liegt in der Bioverfügbarkeit. Dieser Begriff beschreibt, wie viel von einem aufgenommenen Stoff tatsächlich vom Körper verwertet werden kann. Bei Silizium gibt es hier enorme Unterschiede.

Siliziumdioxid aus Kieselerde hat eine sehr schlechte Bioverfügbarkeit von nur 1-5%. Das bedeutet: Von 1000 mg eingenommener Kieselerde kommen nur 10-50 mg Silizium tatsächlich im Körper an. Der Rest wird unverdaut wieder ausgeschieden. Im Gegensatz dazu liegt die Aufnahme von Silizium aus pflanzlichen Lebensmitteln bei 20-70%.

Faktoren, die die Aufnahme beeinflussen

Die chemische Form des Siliziums bestimmt maßgeblich die Aufnahme. Orthokieselsäure (Si(OH)₄) wird am besten absorbiert. Sie kommt in gelöster Form in Getränken vor oder entsteht aus bestimmten Silizium-Verbindungen im Magen. Polymere Kieselsäuren und festes Siliziumdioxid werden dagegen kaum aufgenommen.

Der pH-Wert spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Im sauren Milieu des Magens kann ein kleiner Teil des Siliziumdioxids in Orthokieselsäure umgewandelt werden. Menschen mit wenig Magensäure (etwa durch Säureblocker) nehmen daher noch weniger Silizium aus Kieselerde auf.

Auch die Partikelgröße beeinflusst die Aufnahme. Je kleiner die Partikel, desto größer die Oberfläche und desto besser die Löslichkeit. Moderne Kieselerde-Präparate werben oft mit „mikronisierter“ oder „kolloidaler“ Form – die Verbesserung der Aufnahme ist jedoch begrenzt.

Wechselwirkungen mit anderen Nährstoffen

Die gleichzeitige Aufnahme bestimmter Stoffe kann die Siliziumabsorption beeinflussen. Magnesium und Calcium konkurrieren möglicherweise um die gleichen Aufnahmewege im Darm. Sehr hohe Dosen dieser Mineralien könnten die Siliziumaufnahme verschlechtern.

Ballaststoffe scheinen die Siliziumaufnahme zu verbessern. Dies könnte erklären, warum Silizium aus Vollkornprodukten relativ gut verfügbar ist, obwohl es dort fest gebunden vorliegt. Die Ballaststoffe könnten die Freisetzung im Darm fördern.

Phytinsäure, die in Getreide und Hülsenfrüchten vorkommt, bindet verschiedene Mineralien. Ihr Einfluss auf die Siliziumaufnahme ist nicht eindeutig geklärt. Einige Studien deuten darauf hin, dass sie die Aufnahme leicht verringern könnte [11].

Sicherheit und mögliche Nebenwirkungen

Kieselerde gilt allgemein als sicheres Nahrungsergänzungsmittel. Die meisten Menschen vertragen die üblichen Dosierungen ohne Probleme. Dennoch gibt es einige Punkte, die man beachten sollte – besonders bei langfristiger Einnahme oder hohen Dosen.

Die häufigste Nebenwirkung ist Verstopfung. Das feine Pulver kann im Darm Wasser binden und den Stuhl verfestigen. Besonders bei unzureichender Flüssigkeitszufuhr tritt dieses Problem auf. Manche Menschen berichten auch über Blähungen oder ein Völlegefühl nach der Einnahme.

Risiko durch kristallines Siliziumdioxid

Ein ernstes Sicherheitsrisiko besteht, wenn Kieselerde-Präparate kristallines Siliziumdioxid enthalten. Diese Form ist als krebserregend eingestuft, wenn sie eingeatmet wird. Zwar ist das Risiko bei oraler Aufnahme geringer, aber Langzeiteffekte sind nicht ausreichend untersucht.

Untersuchungen verschiedener Kieselerde-Produkte fanden in einigen Fällen kristalline Anteile von bis zu 10% [12]. Dies ist besonders bedenklich, da die Hersteller meist nur „amorphes Siliziumdioxid“ deklarieren. Verbraucher haben keine Möglichkeit, die tatsächliche Zusammensetzung zu überprüfen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt daher, nur Produkte zu verwenden, die nachweislich frei von kristallinem Siliziumdioxid sind. Entsprechende Analysen sollten vom Hersteller vorgelegt werden können.

Wechselwirkungen mit Medikamenten

Kieselerde kann die Aufnahme bestimmter Medikamente beeinträchtigen. Das feine Pulver kann Wirkstoffe im Darm binden und deren Verfügbarkeit verringern. Besonders bei Antibiotika wurde dieser Effekt beobachtet. Ein Abstand von mindestens zwei Stunden zwischen Medikamenteneinnahme und Kieselerde wird empfohlen.

Menschen mit Nierenproblemen sollten vorsichtig sein. Überschüssiges Silizium wird über die Nieren ausgeschieden. Bei eingeschränkter Nierenfunktion könnte es zu einer Anreicherung kommen. Zwar sind keine Fälle von Silizium-Vergiftungen bekannt, aber Vorsicht ist geboten.

Auch bei Schilddrüsenmedikamenten ist Vorsicht angebracht. Einige Kieselerde-Präparate enthalten Spuren von Jod, die die Wirkung von Schilddrüsenhormonen beeinflussen könnten. Patienten sollten dies mit ihrem Arzt besprechen.

NebenwirkungHäufigkeitMaßnahmen
VerstopfungHäufig (10-20%)Mehr trinken, Dosis reduzieren
BlähungenGelegentlich (5-10%)Langsam eindosieren
ÜbelkeitSelten (< 5%)Zum Essen einnehmen
Allergische ReaktionenSehr selten (< 1%)Absetzen, Arzt aufsuchen

Dosierung und Anwendungsempfehlungen

Die empfohlene Dosierung von Kieselerde variiert je nach Hersteller erheblich. Üblich sind 1-3 Teelöffel Pulver täglich, was etwa 3-10 Gramm entspricht. Bei einem Siliziumdioxid-Gehalt von 70-90% wären das 2-9 Gramm reines SiO₂. Davon werden aber nur 20-450 mg tatsächlich aufgenommen.

Es gibt keine offizielle Zufuhrempfehlung für Silizium, da es nicht als essentieller Nährstoff anerkannt ist. Schätzungen gehen von einem Tagesbedarf von 20-50 mg aus. Diese Menge lässt sich problemlos über eine ausgewogene Ernährung decken.

Praktische Einnahmehinweise

Wer dennoch Kieselerde einnehmen möchte, sollte einige Punkte beachten. Das Pulver sollte immer mit reichlich Flüssigkeit eingenommen werden – mindestens 200 ml pro Teelöffel. Dies verhindert Verstopfung und verbessert die Löslichkeit.

Der beste Einnahmezeitpunkt ist morgens auf nüchternen Magen, etwa 30 Minuten vor dem Frühstück. So ist die Magensäure-Konzentration am höchsten, was die Umwandlung in besser verfügbare Formen begünstigt. Alternativ kann die Einnahme auf mehrere kleine Dosen über den Tag verteilt werden.

Die Anwendungsdauer ist umstritten. Manche Hersteller empfehlen Kuren von 3-6 Monaten, andere eine Dauereinnahme. Wissenschaftliche Belege für optimale Einnahmedauern fehlen. Sinnvoll erscheint eine Kur von 2-3 Monaten mit anschließender Pause zur Beurteilung möglicher Effekte.

Besondere Personengruppen

Schwangere und Stillende sollten auf Kieselerde-Präparate verzichten. Es liegen keine ausreichenden Sicherheitsdaten vor. Der natürliche Siliziumbedarf lässt sich problemlos über die Ernährung decken. Auch für Kinder gibt es keine Dosierungsempfehlungen – eine Supplementierung ist nicht nötig.

Ältere Menschen nehmen oft weniger Silizium aus der Nahrung auf. Trotzdem ist eine pauschale Empfehlung zur Einnahme von Kieselerde nicht gerechtfertigt. Sinnvoller wäre eine Ernährungsanpassung mit mehr Vollkornprodukten und siliziumreichem Gemüse.

Sportler werben manchmal für Kieselerde zur Stärkung von Sehnen und Bändern. Wissenschaftliche Belege für einen erhöhten Bedarf oder positive Effekte bei Sportlern fehlen jedoch völlig. Die normale Ernährung liefert ausreichend Silizium auch bei hoher körperlicher Belastung.

Kosten-Nutzen-Analyse

Eine objektive Betrachtung von Kieselerde als Nahrungsergänzungsmittel muss auch die Kosten einbeziehen. Die Preise variieren stark – von 5 Euro für 200g Pulver beim Discounter bis zu 50 Euro für „Premium“-Produkte in der Apotheke. Rechnet man mit einer mittleren Dosierung von 5g täglich, ergeben sich Monatskosten zwischen 4 und 40 Euro.

Dem gegenüber steht ein sehr fraglicher Nutzen. Die wissenschaftliche Evidenz für positive Effekte ist schwach. Die schlechte Bioverfügbarkeit bedeutet, dass der Großteil des teuer bezahlten Produkts ungenutzt ausgeschieden wird. Mit dem gleichen Geld könnte man sich monatelang mit siliziumreichen Lebensmitteln versorgen.

Vergleich mit alternativen Siliziumquellen

Ein Kilogramm Haferflocken kostet etwa 1-2 Euro und enthält 400-600 mg gut verfügbares Silizium. Eine tägliche Portion von 50g liefert 20-30 mg Silizium bei Kosten von 5-10 Cent. Die Aufnahme liegt bei etwa 30% – also 6-9 mg verwertbares Silizium täglich.

Im Vergleich: 5g Kieselerde enthalten zwar 3500-4500 mg Siliziumdioxid, aber nur 35-225 mg werden aufgenommen. Bei mittleren Produktpreisen kostet diese Menge 30-60 Cent täglich. Pro aufgenommenem Milligramm Silizium zahlt man also das 5- bis 20-fache im Vergleich zu Haferflocken.

Noch extremer wird der Vergleich bei Mineralwasser. Ein Liter siliziumreiches Wasser (40 mg/l) kostet etwa 50 Cent. Die Aufnahme liegt bei 60-80%, also 24-32 mg verwertbares Silizium. Das ergibt Kosten von etwa 2 Cent pro Milligramm – ein Bruchteil der Kieselerde-Kosten.

SiliziumquelleKosten/TagAufgenommenes Si/TagKosten pro mg Si
Kieselerde (5g)0,30-0,60 €35-225 mg0,3-17 Cent
Haferflocken (50g)0,05-0,10 €6-9 mg0,8-1,7 Cent
Mineralwasser (1l)0,50 €24-32 mg1,6-2,1 Cent
Grüne Bohnen (200g)0,60-1,00 €8-12 mg7,5-12,5 Cent

Regulatorische Aspekte und Qualitätskontrolle

Kieselerde fällt in Deutschland unter die Kategorie der Nahrungsergänzungsmittel. Diese unterliegen weniger strengen Kontrollen als Arzneimittel. Hersteller müssen ihre Produkte lediglich beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) anzeigen – eine Zulassung mit Wirksamkeitsnachweis ist nicht erforderlich.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 2009 und 2011 alle eingereichten gesundheitsbezogenen Werbeaussagen (Health Claims) für Silizium geprüft. Keine einzige Aussage wurde zugelassen – weder für Haut und Haare noch für Knochen oder Gelenke [13]. Trotzdem finden sich auf vielen Produkten weiterhin suggestive Formulierungen.

Probleme bei der Qualitätskontrolle

Die Überwachung von Nahrungsergänzungsmitteln erfolgt stichprobenartig durch die Lebensmittelüberwachung der Länder. Bei Kieselerde-Produkten wurden dabei wiederholt Mängel festgestellt. Neben dem bereits erwähnten Problem mit kristallinem Siliziumdioxid fanden sich auch Schwermetallbelastungen.

Ein weiteres Problem ist die ungenaue Deklaration. Viele Hersteller geben nur „Kieselerde“ oder „Siliziumdioxid“ an, ohne genaue Mengenangaben oder Hinweise zur Bioverfügbarkeit. Verbraucher können die tatsächliche Qualität kaum beurteilen. Seriöse Hersteller lassen ihre Produkte freiwillig von unabhängigen Laboren prüfen.

Die Werbung bewegt sich oft in rechtlichen Grauzonen. Statt konkreter Heilversprechen werden vage Formulierungen wie „kann unterstützen“ oder „trägt bei zu“ verwendet. Diese suggerieren Wirkungen, ohne sie direkt zu behaupten. Für Verbraucher ist es schwer, seriöse von unseriösen Anbietern zu unterscheiden.

Internationale Unterschiede

In anderen Ländern gelten teilweise strengere oder lockerere Regeln. In den USA stuft die FDA Kieselerde als „Generally Recognized As Safe“ (GRAS) ein, erlaubt aber ebenfalls keine konkreten Gesundheitsaussagen. In Japan ist Silizium als funktioneller Lebensmittelzusatz zugelassen mit spezifischen Werbeaussagen für Knochen.

Diese unterschiedlichen Bewertungen zeigen die wissenschaftliche Unsicherheit. Während manche Länder vorsichtiger sind, erlauben andere mehr Spielraum. Für Verbraucher macht dies die Orientierung nicht einfacher – besonders bei Internetbestellungen aus dem Ausland.

Fazit: Eine nüchterne Bewertung

Nach eingehender Betrachtung aller verfügbaren Informationen lässt sich ein klares Fazit zu Kieselerde als Nahrungsergänzungsmittel ziehen: Die wissenschaftliche Evidenz für die beworbenen Wirkungen ist äußerst dünn. Die wenigen vorhandenen Studien zeigen bestenfalls minimale Effekte, die klinisch kaum relevant sind.

Das Hauptproblem liegt in der extrem schlechten Bioverfügbarkeit. Mit einer Aufnahme von nur 1-5% landet der Großteil der teuer bezahlten Kieselerde unverdaut in der Toilette. Natürliche Siliziumquellen wie Vollkornprodukte, bestimmte Gemüsesorten oder sogar Bier liefern das Spurenelement in deutlich besser verwertbarer Form.

Die Sicherheitsbedenken bezüglich möglicher kristalliner Anteile und die fehlende Qualitätskontrolle vieler Produkte geben zusätzlich zu denken. Auch wenn akute Nebenwirkungen selten sind, fehlen Langzeitstudien zur dauerhaften Einnahme. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis spricht klar gegen eine Supplementierung.

Für Menschen, die ihre Siliziumversorgung verbessern möchten, gibt es bessere Alternativen. Eine Ernährung mit viel Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und grünem Gemüse liefert ausreichend gut verfügbares Silizium. Zusätzlich profitiert man von Ballaststoffen, Vitaminen und anderen wertvollen Inhaltsstoffen.

Die Popularität von Kieselerde-Präparaten beruht mehr auf geschicktem Marketing als auf wissenschaftlichen Fakten. Die Sehnsucht nach einfachen Lösungen für komplexe Gesundheitsprobleme macht Menschen empfänglich für solche Versprechen. Dabei wäre das Geld in hochwertige Lebensmittel oder andere evidenzbasierte Gesundheitsmaßnahmen besser investiert.

Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, ob er Kieselerde einnehmen möchte. Diese Entscheidung sollte aber auf Basis korrekter Informationen getroffen werden, nicht aufgrund übertriebener Werbeversprechen. Die vorliegende Analyse zeigt: Es gibt kaum rationale Gründe für eine Einnahme von Kieselerde als Nahrungsergänzungsmittel.

Quellenverzeichnis

  1. Jugdaohsingh R. (2007). Silicon and bone health. Journal of Nutrition, Health and Aging, 11(2), 99-110.
  2. Bundesinstitut für Risikobewertung (2018). Gesundheitliche Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Kieselerde. Stellungnahme Nr. 034/2018.
  3. Sripanyakorn S et al. (2009). The comparative absorption of silicon from different foods and food supplements. British Journal of Nutrition, 102(6), 825-834.
  4. Carlisle EM. (1982). The nutritional essentiality of silicon. Nutrition Reviews, 40(7), 193-198.
  5. Barel A et al. (2005). Effect of oral intake of choline-stabilized orthosilicic acid on skin, nails and hair in women with photodamaged skin. Archives of Dermatological Research, 297(4), 147-153.
  6. Wickett RR et al. (2007). Effect of oral intake of choline-stabilized orthosilicic acid on hair tensile strength and morphology in women with fine hair. Archives of Dermatological Research, 299(10), 499-505.
  7. Jugdaohsingh R et al. (2004). Dietary silicon intake is positively associated with bone mineral density in men and premenopausal women of the Framingham Offspring cohort. Journal of Bone and Mineral Research, 19(2), 297-307.
  8. Spector TD et al. (2008). Effect of bone turnover and BMD of low dose oral silicon as an adjunct to calcium/vitamin D3 in a randomized, placebo-controlled trial. Journal of Bone and Mineral Research, 23, S289.
  9. EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (2011). Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to silicon. EFSA Journal, 9(6), 2259.
  10. Sripanyakorn S et al. (2004). The silicon content of beer and its bioavailability in healthy volunteers. British Journal of Nutrition, 91(3), 403-409.
  11. Nielsen FH. (2014). Update on the possible nutritional importance of silicon. Journal of Trace Elements in Medicine and Biology, 28(4), 379-382.
  12. Verbraucherzentrale NRW (2019). Marktcheck Kieselerde-Produkte: Kristallines Siliziumdioxid in Nahrungsergänzungsmitteln.
  13. EFSA Panel on Food Additives and Nutrient Sources (2009). Scientific Opinion on the safety of silicon dioxide as a food additive. EFSA Journal, 7(7), 1268.
Yannik
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Hey, mein Name ist Yannik. Ich bin der Co-Chefredakteur von nahrung.de und befasse mich bereits seit geraumer Zeit mit den Themen Ernährung sowie Nahrungsergänzung. Eine objektive und aufklärende Berichterstattung ist mir besonders wichtig!

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