Kieselerde gehört zu den klassischen Nahrungsergänzungsmitteln, die seit Jahrzehnten in Drogerien und Apotheken erhältlich sind. Viele Menschen nehmen diese Präparate in der Hoffnung auf schönere Haut, festere Nägel oder kräftigeres Haar. Doch was ist Kieselerde überhaupt? Und hält sie, was die Werbung verspricht? Diese Fragen verdienen eine gründliche, wissenschaftlich fundierte Betrachtung.
Der Begriff „Kieselerde“ führt oft zu Verwirrung. Chemisch betrachtet handelt es sich hauptsächlich um Siliziumdioxid (SiO₂), das in verschiedenen Formen vorkommt. In Nahrungsergänzungsmitteln stammt die Kieselerde meist aus fossilen Kieselalgen, den sogenannten Diatomeen. Diese winzigen Lebewesen bildeten vor Millionen Jahren Ablagerungen auf dem Meeresboden. Ihre Schalen bestehen aus amorphem (nicht-kristallinem) Siliziumdioxid.
Silizium selbst ist nach Sauerstoff das zweithäufigste Element in der Erdkruste. Im menschlichen Körper findet man es vor allem im Bindegewebe, in Knochen, Knorpeln, Blutgefäßen und in der Haut. Ein erwachsener Mensch trägt etwa 1-2 Gramm Silizium in sich. Die Frage ist jedoch: Brauchen wir zusätzliches Silizium aus Nahrungsergänzungsmitteln?
Zusammensetzung und Formen von Kieselerde
Die handelsübliche Kieselerde besteht zu 70-90% aus Siliziumdioxid. Der Rest setzt sich aus verschiedenen Mineralien zusammen, darunter Calcium, Magnesium, Eisen und Aluminium. Diese Begleitmineralien entstammen den ursprünglichen Ablagerungen und variieren je nach Herkunft und Aufbereitung des Produkts.
Man unterscheidet verschiedene Arten von Siliziumdioxid in Nahrungsergänzungsmitteln. Die wichtigste Unterscheidung betrifft die kristalline und die amorphe Form. Kristallines Siliziumdioxid, wie es in Quarz vorkommt, gilt als gesundheitlich bedenklich, wenn es eingeatmet wird. Die in Nahrungsergänzungsmitteln verwendete Kieselerde sollte ausschließlich aus amorphem Siliziumdioxid bestehen.
Verschiedene Darreichungsformen
Kieselerde-Präparate gibt es in unterschiedlichen Formen. Am verbreitetsten sind Pulver, Kapseln und Tabletten. Das Pulver lässt sich in Wasser oder Saft einrühren, schmeckt jedoch meist erdig und sandig. Kapseln und Tabletten sind geschmacksneutral und einfacher einzunehmen. Manche Hersteller bieten auch Gel-Präparate an, die eine bessere Bioverfügbarkeit versprechen.
Die Partikelgröße spielt eine wichtige Rolle für die Aufnahme im Körper. Je feiner das Pulver gemahlen ist, desto besser kann es theoretisch vom Darm aufgenommen werden. Allerdings zeigen Studien, dass die Aufnahme von Siliziumdioxid generell sehr gering ist – meist unter 5% der eingenommenen Menge [1].
Qualitätsunterschiede bei Kieselerde-Produkten
Die Qualität von Kieselerde-Präparaten schwankt erheblich. Wichtige Qualitätskriterien sind die Reinheit des Produkts, die Partikelgröße und der Gehalt an Schwermetallen. Hochwertige Präparate werden mehrfach gereinigt und auf Schadstoffe geprüft. Billigere Produkte können hingegen Verunreinigungen enthalten.
Ein kritischer Punkt ist der mögliche Gehalt an kristallinem Siliziumdioxid. Obwohl die meisten Hersteller versichern, nur amorphes Siliziumdioxid zu verwenden, fanden Untersuchungen in einigen Produkten auch kristalline Anteile [2]. Diese könnten bei langfristiger Einnahme problematisch sein.
| Darreichungsform | Siliziumgehalt | Übliche Tagesdosis | Vor- und Nachteile | 
|---|---|---|---|
| Pulver | 70-90% SiO₂ | 1-3 Teelöffel | Günstig, aber sandiger Geschmack | 
| Kapseln | 400-500 mg/Kapsel | 2-3 Kapseln | Geschmacksneutral, teurer | 
| Tabletten | 200-300 mg/Tablette | 3-4 Tabletten | Kompakt, oft mit Zusatzstoffen | 
| Gel | 1-2% Kieselsäure | 15-30 ml | Bessere Aufnahme vermutet, sehr teuer | 
Silizium im menschlichen Körper
Um die Wirkung von Kieselerde zu verstehen, muss man die Rolle von Silizium im Körper kennen. Silizium ist ein sogenanntes Spurenelement – der Körper braucht es nur in sehr kleinen Mengen. Anders als bei Eisen oder Zink ist jedoch nicht eindeutig geklärt, ob Silizium für Menschen lebensnotwendig (essentiell) ist.
Im Körper kommt Silizium hauptsächlich als Orthokieselsäure (Si(OH)₄) vor. Diese Form kann von den Zellen aufgenommen und verwertet werden. Die höchsten Konzentrationen finden sich in Bindegewebe, Knochen, Knorpel, Haaren und Nägeln. Mit dem Alter nimmt der Siliziumgehalt in diesen Geweben ab – was manche als Argument für eine Supplementierung sehen.
Aufnahme und Stoffwechsel von Silizium
Die Aufnahme von Silizium aus der Nahrung erfolgt im Dünndarm. Dabei können nur bestimmte Formen des Elements aufgenommen werden. Orthokieselsäure wird am besten absorbiert, während das in Kieselerde enthaltene Siliziumdioxid erst im sauren Magenmilieu teilweise in Orthokieselsäure umgewandelt werden muss.
Studien zeigen, dass nur etwa 1-5% des Siliziumdioxids aus Kieselerde-Präparaten tatsächlich vom Körper aufgenommen werden [3]. Im Vergleich dazu liegt die Aufnahme von Silizium aus pflanzlichen Lebensmitteln bei 20-70%. Bier enthält beispielsweise gut verfügbares Silizium aus der Gerste – etwa 20 mg pro Liter.
Nach der Aufnahme wird Silizium über das Blut zu den verschiedenen Geweben transportiert. Überschüssiges Silizium scheidet der Körper über die Nieren aus. Die Halbwertszeit im Blut beträgt nur wenige Stunden, weshalb eine kontinuierliche Zufuhr nötig wäre, um die Gewebespiegel zu erhöhen.
Funktionen von Silizium im Gewebe
Silizium erfüllt verschiedene Aufgaben im Bindegewebe. Es ist an der Bildung von Kollagen und Elastin beteiligt – zwei Proteinen, die für die Festigkeit und Elastizität von Haut, Sehnen und Blutgefäßen wichtig sind. Im Labor konnte gezeigt werden, dass Silizium die Aktivität des Enzyms Prolylhydroxylase steigert, welches für die Kollagenbildung notwendig ist [4].
In den Knochen trägt Silizium zur Mineralisierung bei. Es scheint die Einlagerung von Calcium und Phosphat zu fördern. Tierversuche zeigten, dass Silizium-Mangel zu schwächeren Knochen und schlechterem Knochenwachstum führt. Ob diese Erkenntnisse auf Menschen übertragbar sind, ist jedoch unklar.
Auch für Haare und Nägel könnte Silizium wichtig sein. Diese Strukturen enthalten relativ viel von dem Element – Haare etwa 20-90 μg/g. Ob eine zusätzliche Zufuhr von Silizium tatsächlich zu kräftigerem Haar oder festeren Nägeln führt, ist wissenschaftlich aber nicht eindeutig belegt.
Beworbene Wirkungen und wissenschaftliche Evidenz
Die Werbung für Kieselerde-Präparate verspricht oft wahre Wunder: straffere Haut, glänzendes Haar, feste Nägel und sogar Schutz vor Osteoporose. Doch was sagt die Wissenschaft zu diesen Behauptungen? Ein Blick auf die verfügbaren Studien zeigt ein ernüchterndes Bild.
Die meisten Untersuchungen zu Kieselerde wurden mit sehr kleinen Teilnehmerzahlen durchgeführt. Viele Studien haben methodische Schwächen, wie fehlende Kontrollgruppen oder zu kurze Beobachtungszeiträume. Die wenigen gut gemachten Studien zeigen bestenfalls minimale Effekte.
Wirkung auf Haut, Haare und Nägel
Eine der bekanntesten Studien zur Wirkung von Kieselerde auf Haut und Haare wurde 2005 in Hamburg durchgeführt [5]. 50 Frauen nahmen über 20 Wochen täglich 10 mg Silizium in Form von Orthokieselsäure ein. Die Ergebnisse zeigten eine leichte Verbesserung der Hautstruktur und der Haardicke im Vergleich zur Placebogruppe. Die Effekte waren jedoch gering und statistisch nur knapp nachweisbar.
Eine weitere Studie aus Belgien untersuchte die Wirkung auf brüchige Nägel [6]. Nach 20 Wochen Einnahme von Cholin-stabilisierter Orthokieselsäure berichteten die Teilnehmerinnen über festere Nägel. Allerdings basierte diese Bewertung nur auf subjektiven Einschätzungen, objektive Messungen fehlten.
Kritisch anzumerken ist, dass die meisten positiven Studien nicht mit klassischer Kieselerde, sondern mit besser verfügbaren Silizium-Verbindungen durchgeführt wurden. Die Übertragbarkeit auf herkömmliche Kieselerde-Präparate ist daher fraglich.
Einfluss auf die Knochengesundheit
Der Zusammenhang zwischen Silizium und Knochengesundheit wurde in mehreren epidemiologischen Studien untersucht. Die Framingham-Studie fand einen Zusammenhang zwischen höherer Siliziumaufnahme aus der Nahrung und besserer Knochendichte [7]. Allerdings stammte das Silizium hier aus normalen Lebensmitteln, nicht aus Nahrungsergänzungsmitteln.
Interventionsstudien mit Kieselerde-Präparaten zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Eine kleine Studie mit postmenopausalen Frauen fand nach einem Jahr keine Verbesserung der Knochendichte durch Kieselerde-Supplementierung [8]. Andere Untersuchungen berichten über minimale positive Effekte, die aber klinisch kaum relevant sind.
| Studie | Teilnehmer | Dosis/Dauer | Hauptergebnis | 
|---|---|---|---|
| Barel et al. 2005 | 50 Frauen | 10 mg Si/Tag, 20 Wochen | Leichte Verbesserung Hautstruktur | 
| Wickett et al. 2007 | 48 Frauen | 10 mg Si/Tag, 20 Wochen | Minimal festere Nägel (subjektiv) | 
| Spector et al. 2008 | 184 Frauen | 3-12 mg Si/Tag, 12 Monate | Kein Effekt auf Knochendichte | 
| Jurkić et al. 2013 | Review | Verschiedene | Uneinheitliche, schwache Evidenz | 
Weitere behauptete Wirkungen
Manche Hersteller bewerben Kieselerde auch zur „Entgiftung“ oder zur Bindung von Schwermetallen. Für diese Behauptungen gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat alle gesundheitsbezogenen Werbeaussagen zu Silizium geprüft und keine einzige zugelassen [9].
Auch die oft beworbene Wirkung auf das Bindegewebe ist wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Zwar spielt Silizium eine Rolle bei der Kollagenbildung, aber ob eine zusätzliche Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich zu strafferer Haut führt, konnte bisher nicht überzeugend nachgewiesen werden.
Natürliche Siliziumquellen in der Ernährung
Bevor man zu Nahrungsergänzungsmitteln greift, lohnt ein Blick auf natürliche Siliziumquellen. Viele alltägliche Lebensmittel enthalten das Spurenelement in gut verfügbarer Form. Die Aufnahme aus diesen Quellen ist meist deutlich besser als aus Kieselerde-Präparaten.
Getreide und Getreideprodukte gehören zu den wichtigsten Siliziumlieferanten in unserer Ernährung. Besonders die äußeren Schichten der Körner sind reich an dem Element. Vollkornprodukte enthalten daher mehr Silizium als Weißmehlprodukte. Hafer führt die Liste mit etwa 400-600 mg/kg an, gefolgt von Gerste und Weizen.
Pflanzliche Siliziumquellen
Viele Gemüsesorten enthalten beachtliche Mengen an Silizium. Grüne Bohnen liefern etwa 10 mg pro 100 g, Spinat und Mangold etwa 5-8 mg. Auch Wurzelgemüse wie Kartoffeln (2-5 mg/100g) und Karotten (3-4 mg/100g) tragen zur Siliziumversorgung bei. Die Schale enthält oft besonders viel von dem Element.
Obst enthält generell weniger Silizium als Gemüse. Bananen gehören mit 4-5 mg/100g zu den besseren Quellen. Äpfel und Birnen liefern etwa 2-3 mg/100g. Trockenfrüchte haben durch den Wasserentzug höhere Konzentrationen – getrocknete Datteln enthalten etwa 15-20 mg/100g.
Kräuter und Gewürze sind wahre Silizium-Bomben. Petersilie enthält etwa 20-30 mg/100g, Brennnessel sogar bis zu 50 mg/100g. Da man diese jedoch nur in kleinen Mengen verzehrt, ist ihr Beitrag zur Gesamtaufnahme begrenzt.
Getränke als Siliziumquelle
Überraschenderweise gehören bestimmte Getränke zu den besten Siliziumquellen. Bier enthält durch die verwendete Gerste etwa 20 mg Silizium pro Liter – und das in sehr gut verfügbarer Form. Die Aufnahme liegt hier bei etwa 50-60% [10]. Natürlich sollte Bier nicht als Nahrungsergänzungsmittel missbraucht werden.
Auch Mineralwasser kann zur Siliziumversorgung beitragen. Der Gehalt schwankt je nach geologischem Untergrund der Quelle zwischen 0 und 80 mg/l. Wässer aus vulkanischen Gebieten enthalten oft mehr Silizium. Auf dem Etikett ist der Wert als „Kieselsäure“ angegeben.
Tee, besonders grüner Tee, liefert ebenfalls Silizium. Eine Tasse enthält etwa 2-5 mg in gut verfügbarer Form. Kaffee trägt mit 0,5-1 mg pro Tasse nur wenig zur Versorgung bei.
| Lebensmittel | Siliziumgehalt (mg/100g) | Geschätzte Bioverfügbarkeit | 
|---|---|---|
| Hafer/Haferflocken | 40-60 | 20-30% | 
| Hirse | 50-60 | 20-30% | 
| Gerste | 20-30 | 30-40% | 
| Grüne Bohnen | 10-12 | 40-50% | 
| Bananen | 4-5 | 40-50% | 
| Brennnessel | 40-50 | 30-40% | 
| Bier (pro Liter) | 20 | 50-60% | 
| Mineralwasser (pro Liter) | 0-80 | 60-80% | 



