Quercetin: Wirkungen, Grenzen und Sicherheit im Überblick

Quercetin ist ein natürliches Flavonoid aus der Gruppe der Polyphenole, das in vielen Obst- und Gemüsesorten vorkommt. In den letzten Jahren hat es als Nahrungsergänzungsmittel an Popularität gewonnen – nicht zuletzt, weil ihm verschiedene gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben werden. So werden u.a. antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften diskutiert. Anders als Vitamine oder Mineralstoffe ist Quercetin zwar kein essentieller Nährstoff, dennoch erhoffen sich viele Anwender einen Nutzen z.B. für das Immunsystem, die Entzündungsabwehr oder die Herzgesundheit. Dieser Text gibt einen faktenbasierten, kritischen Überblick darüber, was Quercetin ist, in welchen Lebensmitteln es vorkommt, wie es im Körper wirkt, welche gesundheitlichen Effekte tatsächlich durch Studien belegt sind und was bei der Einnahme von Quercetin-Präparaten zu beachten ist.

Was ist Quercetin?

Quercetin ist ein sekundärer Pflanzenstoff aus der Untergruppe der Flavonole, einer Klasse der Flavonoide. Chemisch handelt es sich um ein polyphenolisches Molekül mit fünf Hydroxy-Gruppen, das als gelbliches Pigment in vielen Pflanzen vorkommt. Es verleiht z.B. der Schale von Zwiebeln und Äpfeln einen gelblichen Farbton. In der Pflanzenwelt dient Quercetin unter anderem als Antioxidans zum Schutz der Pflanze vor UV-Strahlung und Schädigungen – diese antioxidative Wirkung macht Quercetin auch für die menschliche Ernährung interessant. Quercetin liegt in Pflanzen meist als glykosidisches Derivat vor (d.h. an Zucker gebunden, z.B. als Rutin); reines Quercetin (Aglykon) ist in kaltem Wasser praktisch unlöslich, aber besser in Alkohol oder Fetten löslich.

Als Flavonoid gehört Quercetin zu den phenolischen Bioaktivstoffen in unserer Nahrung. Obwohl der Stoff schon lange bekannt ist (früher wurde er teils als “Vitamin P” bezeichnet), wird seine pharmakologische Bedeutung erst seit den 1990er Jahren intensiver erforscht. Quercetin selbst ist kein Arzneistoff, doch aufgrund seiner vielseitigen biologischen Aktivitäten (z.B. als Antioxidans, Entzündungshemmer und Immunmodulator) gibt es großes wissenschaftliches Interesse daran. Allerdings gilt: Trotz zahlreicher Laborbefunde fehlen für viele angenommene Wirkungen am Menschen noch überzeugende klinische Belege, sodass offiziell keine gesundheitsbezogenen Versprechen gemacht werden dürfen.

Natürliches Vorkommen von Quercetin

Quercetin ist in vielen pflanzlichen Lebensmitteln enthalten – vor allem in Obst, Gemüse, aber auch in einigen Kräutern und Getränken. Zu den quercetinreichen Nahrungsmitteln zählen insbesondere Zwiebeln (vor allem rote Zwiebeln), Äpfel (mit Schale), Beeren (z.B. Holunderbeeren, Preiselbeeren), Trauben und daraus hergestellter Rotwein, sowie Kapern und bestimmte grüne Gemüsesorten. Auch grüner und schwarzer Tee enthalten Quercetin, allerdings in geringeren Mengen im Vergleich zu den Catechin-Flavonoiden im Tee. Weitere Quellen sind Brokkoli, Spargel, Kirschen, dunkelrote Trauben, Zitrusfrüchte, sowie Kräuter wie Dill, Koriander und Buchweizen. Als besonders quercetinreich gelten Kapern und rote Zwiebeln – Untersuchungen zeigen, dass Zwiebeln etwa 300 mg Quercetin pro Kilogramm enthalten können.

Die tatsächlich über die Nahrung aufgenommene Menge an Quercetin variiert stark je nach Ernährungsgewohnheiten. In einer ausgewogenen, obst- und gemüsereichen Kost wird die tägliche Quercetin-Zufuhr auf im Mittel etwa 10–20 mg pro Tag geschätzt. In einigen Ländern liegen Durchschnittswerte z.B. bei ~10 mg/Tag (USA) bis ~18 mg/Tag (Spanien, Japan). Personen, die sehr viel Gemüse, Obst und Tee konsumieren, können auch deutlich höhere Mengen aufnehmen – theoretisch bis zu einige hundert Milligramm am Tag –, doch solche Werte sind eher die Ausnahme. Zum Vergleich: Ein großer roher Apfel liefert ungefähr 5–10 mg Quercetin (vor allem in der Schale), 100 g rote Zwiebeln etwa 30 mg, und eine Tasse grüner Tee rund 2 mg. Insgesamt lässt sich sagen, dass eine abwechslungsreiche Ernährung bereits regelmäßig kleine Quercetin-Mengen mitliefert.

Wie wirkt Quercetin im Körper? – Wirkungsmechanismen

Quercetin wird vor allem für seine antioxidative Wirkung bekannt. Als Antioxidans kann Quercetin freie Radikale neutralisieren, d.h. hochreaktive Sauerstoff- oder Stickstoffmoleküle abfangen, bevor diese Zellen schädigen. Durch diese Radikalfänger-Eigenschaft trägt Quercetin dazu bei, oxidativen Stress zu reduzieren – also einen Zustand, bei dem zu viele freie Radikale im Körper Zellstrukturen (Lipide, Proteine, DNA) angreifen. Laboruntersuchungen zeigen, dass Quercetin und seine Metaboliten Lipidperoxidation verhindern und die zelleigenen antioxidativen Enzymsysteme (z.B. Glutathion) unterstützen können. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass Quercetin in Pflanzen vor oxidativer UV-Schädigung schützt und auch im menschlichen Körper als schützender Faktor diskutiert wird. Allerdings ist zu beachten, dass Quercetin im Menschen nach oraler Aufnahme nur begrenzt bioverfügbar ist – die Konzentrationen in Blut und Gewebe sind viel niedriger als im Reagenzglas, was die tatsächliche in vivo antioxidative Wirksamkeit relativieren könnte.

Neben dem antioxidativen Effekt werden entzündungshemmende Wirkungen beschrieben. Quercetin kann in Immunzellen bestimmte Signalwege modulieren, welche die Freisetzung entzündungsfördernder Botenstoffe steuern. So gibt es Hinweise, dass Quercetin die Produktion von pro-inflammatorischen Zytokinen wie TNF-α, IL-6 und IL-1β hemmt und auch die Aktivität entzündungsrelevanter Enzyme (etwa Cyclooxygenase und Lipoxygenase in der Arachidonsäure-Kaskade) beeinflusst. In Zellkultur- und Tierversuchen führte Quercetin zu einer geringeren Ausschüttung von Entzündungsmediatoren und zur Abschwächung von Entzündungsreaktionen. Auch die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB, einer Art Schalter für entzündliche Genexpression, wird durch Quercetin abgeschwächt. Diese anti-inflammatorischen Eigenschaften machen Quercetin interessant als möglicher entzündungsmodulierender Nährstoff.

Ein weiterer möglicher Mechanismus ist eine antiallergische bzw. antihistaminische Wirkung. Quercetin kann als sogenannter Mastzell-Stabilisator wirken – also jene Immunzellen stabilisieren, die bei allergischen Reaktionen Histamin freisetzen. In Laborexperimenten hemmte Quercetin die Degranulation von Mastzellen und reduzierte deutlich die Freisetzung von Histamin sowie von entzündungsfördernden Cytokinen (wie IL-8, TNF-α) aus menschlichen Mastzellen. Bemerkenswerterweise erzielte Quercetin in einer Studie eine stärkere Hemmung der Mastzell-Aktivität als das Anti-Allergikum Cromoglycinsäure. Dieser Mechanismus erklärt, warum Quercetin in der Komplementärmedizin manchmal als natürliches Antihistaminikum bei Allergien empfohlen wird. Darüber hinaus beeinflusst Quercetin noch diverse andere molekulare Ziele: Es wurden Effekte auf Enzyme (z.B. Hemmung der Xanthinoxidase, die an Harnsäurebildung beteiligt ist) und auf Signalwege im Herz-Kreislauf- und Immunsystem beobachtet. In Zellstudien zeigte Quercetin auch antikanzervolle Aktivitäten, indem es das Wachstum von Tumorzellen hemmte und programmierten Zelltod (Apoptose) auslöste. Diese Wirkungen sind jedoch bislang hauptsächlich in vitro oder in Tiermodellen beschrieben – die Übertragbarkeit auf den Menschen ist Gegenstand aktueller Forschung.

Mögliche gesundheitliche Vorteile von Quercetin

Auf Basis der genannten Wirkmechanismen wurden vielfältige potenzielle gesundheitliche Vorteile von Quercetin untersucht. Wichtig ist vorweg: Viele dieser Effekte sind bislang vor allem aus Labor- oder Tierstudien bekannt. Klinische Studien am Menschen liefern teils vielversprechende, teils aber auch widersprüchliche Ergebnisse. Nachfolgend werden einige Anwendungsbereiche vorgestellt – mit Betonung darauf, was die aktuelle Studienlage tatsächlich hergibt.

Immunsystem und Infektabwehr

Quercetin wird häufig als Immun-Booster beworben. Insbesondere im Bereich der Erkältungen und grippalen Infekte gibt es Interesse an Quercetin, da in Zellstudien antivirale Effekte gezeigt wurden. Im Laborversuch hemmte Quercetin z.B. die Vermehrung von Rhinoviren (Erkältungsviren) in Zellkulturen und reduzierte virusinduzierte Entzündungsfaktoren. Solche Ergebnisse wecken die Hoffnung, dass Quercetin als Nahrungsergänzung die Infektanfälligkeit senken oder Erkältungssymptome mildern könnte.

Die Evidenz aus klinischen Studien ist jedoch begrenzt und nicht eindeutig. Eine der größten Humanstudien zu Quercetin und Erkältungen wurde 2010 als randomisierte Placebo-kontrollierte Studie mit über 1000 Probanden durchgeführt. Die Teilnehmer (im Alter von 18–85 Jahren) nahmen über 12 Wochen entweder Placebo oder Quercetin (500 mg oder 1000 mg täglich) ein. Ergebnis: Insgesamt zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Häufigkeit von Atemwegsinfekten (Erkältungen) oder der Symptomstärke zwischen den Quercetin-Gruppen und Placebo. Allerdings gab es eine interessante Beobachtung in einer Untergruppe: Physisch gut trainierte Probanden über 40 Jahre hatten in der Hochdosis-Quercetin-Gruppe im Schnitt rund 30 % weniger Krankheitstage und geringere Symptomschwere als vergleichbare Personen unter Placebo. Dieses Ergebnis war statistisch signifikant, wohingegen jüngere oder weniger fitte Teilnehmer keinen Benefit zeigten. Die Studienautoren interpretierten dies vorsichtig dahingehend, dass Quercetin möglicherweise bei bestimmten Personengruppen (ältere, trainierte Erwachsene) die Infektabwehr unterstützen könnte – für die Allgemeinbevölkerung ließ sich jedoch kein prophylaktischer Effekt bestätigen.

Auch andere kleinere Studien liefern kein einheitliches Bild. In einigen Untersuchungen – teils mit Hochdosis-Quercetin in Extremsituationen (z.B. bei Marathonläufern nach Wettkampf) – wurden weniger Infekte in der Supplement-Gruppe beobachtet, während in anderen Studien kein Unterschied zu Placebo bestand. Insgesamt kann man aktuell nicht von einem gesicherten schützenden Effekt von Quercetin gegen Erkältungen sprechen. Zwar hat Quercetin im Reagenzglas antivirale und immunmodulierende Aktivitäten, doch im Menschen konnten breite präventive Wirkungen bislang nicht überzeugend belegt werden. Es bedarf weiterer Forschung (auch zur optimalen Dosierung und Bioverfügbarkeit), um zu klären, ob bestimmte Gruppen oder Umstände von Quercetin bezüglich Infektanfälligkeit profitieren.

Entzündliche Erkrankungen und Allergien

Aufgrund seiner antientzündlichen und antihistaminischen Eigenschaften wird Quercetin auch als Mittel zur Linderung von chronischen Entzündungen und Allergien diskutiert. Insbesondere bei allergischen Atemwegserkrankungen wie Heuschnupfen (allergische Rhinitis) und Asthma besteht Interesse an Quercetin als natürlicher Zusatztherapie.

Laborbefunde zeigen, dass Quercetin die Aktivierung von Immunzellen dämpfen kann, die bei Allergien eine Rolle spielen – insbesondere die Mastzellen (siehe Wirkmechanismen). Dadurch könnte Quercetin allergische Reaktionen abschwächen, z.B. weniger Histamin und entzündungsfördernde Substanzen freisetzen. Tiermodelle von Allergien (etwa asthmatische Meerschweinchen) ergaben tatsächlich eine Reduktion allergischer Symptome unter Quercetin-Gabe. Aber was sagen Humanstudien?

Für Heuschnupfen gibt es erste klinische Daten: Eine placebokontrollierte Studie aus Japan (Yamada et al. 2022) untersuchte 66 Erwachsene mit polleninduzierter Rhinitis (Heuschnupfen). Über 4 Wochen erhielten sie täglich 200 mg Quercetin (in einer spezialisierten Phytosom-Form, die die Bioverfügbarkeit erhöht) oder Placebo. Die Ergebnisse waren vielversprechend: In der Quercetin-Gruppe verbesserten sich Symptome wie Niesen, Nasenlaufen, Nasenjucken und Augenjucken signifikant stärker als in der Placebogruppe. Auch quälende Begleitsymptome wie Schlafstörungen durch die Allergie nahmen ab, und die Lebensqualität (erfasst via Fragebogen) stieg deutlich. Bedeutende Nebenwirkungen traten nicht auf. Die Autoren schlussfolgern, dass Quercetin (in gut bioverfügbarer Form) einige Allergiesymptome bei Heuschnupfen-Patienten lindern kann. Allerdings handelt es sich um eine relativ kurze Studie; langfristige Wirksamkeit und optimale Dosis sind noch ungeklärt.

Auch bei Asthma wurde Quercetin getestet, meist als begleitende Maßnahme neben der Standardtherapie. In einer italienischen Pilotstudie (Cesarone et al. 2019) erhielten 58 Patienten mit mildem bis moderatem Asthma und allergischer Rhinitis zusätzlich zur üblichen Behandlung Quercetin-Phytosom (250–500 mg/Tag) über 1 Monat. Die Quercetin-Gruppe zeigte eine deutlich bessere Symptomkontrolle im Vergleich zur Kontrollgruppe: Die Häufigkeit von Tagsymptomen verringerte sich um bis zu 50 %, nächtliche Asthmasymptome gingen um bis zu 70 % zurück, und die Lungenfunktion (Peak Flow) verbesserte sich signifikant. Zudem benötigten die Patienten mit Quercetin seltener Notfallsprays (β2-Agonisten) und Nasensprays gegen ihre Rhinitis. Diese Daten deuten an, dass Quercetin als ergänzende Maßnahme die Asthma-Kontrolle unterstützen könnte. Wichtig zu betonen ist aber, dass es sich um eine offene Pilotstudie handelt; robuste Randomized-Controlled-Trials stehen hier noch aus.

Abseits von Allergien wird Quercetin auch bei chronischen Entzündungskrankheiten (z.B. rheumatoide Arthritis, entzündliche Darmkrankheiten) erforscht. Aufgrund seiner dämpfenden Wirkung auf das Immunsystem in Laborversuchen hofft man auf entzündungshemmende Effekte. Kleinere Studien an Rheuma-Patienten zeigten z.T. geringere Entzündungsmarker und weniger Schmerzen unter Quercetin, allerdings sind die Datenlage und Effektstärke bisher begrenzt.

Insgesamt gilt: Quercetin besitzt anti-inflammatorische und mastzellstabilisierende Eigenschaften, was es zu einem interessanten Kandidaten zur Linderung von Allergie- und Entzündungssymptomen macht. Erste klinische Hinweise auf Nutzen gibt es insbesondere bei allergischer Rhinitis und mildem Asthma. Dennoch sollte Quercetin nicht als Ersatz für etablierte Therapien gesehen werden. Allergiker und Asthmatiker können in Absprache mit dem Arzt Quercetin testweise ergänzend einsetzen, sollten aber die Standardmedikation (Antihistaminika, inhalative Steroide etc.) nicht eigenmächtig absetzen. Weitere Studien müssen noch genau klären, für welche Patienten Quercetin einen verlässlichen Zusatznutzen bietet.

Herz-Kreislauf-Gesundheit

Flavonoide wie Quercetin werden seit langem mit möglicherweise positiven Effekten auf das Herz-Kreislauf-System in Verbindung gebracht. Epidemiologische Untersuchungen deuten z.B. an, dass eine flavonoidreiche Ernährung mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einhergehen könnte. Als wirksamer Bestandteil solcher Diäten wird u.a. Quercetin diskutiert. Mögliche Wirkansätze sind die Senkung von oxidativem Stress an den Gefäßwänden, die Verbesserung der Endothelfunktion (Gefäßwandgesundheit) und eine günstige Beeinflussung von Blutdruck und Blutfetten. Doch was lässt sich durch Interventionen mit Quercetin beim Menschen erreichen?

Bezogen auf den Blutdruck gibt es mehrere kontrollierte Studien und Meta-Analysen. Eine Meta-Analyse von 9 Studien (über 580 Teilnehmer) fand, dass Quercetin-Supplementation im Durchschnitt den systolischen Blutdruck leicht, aber signifikant senkt – im Mittel um ca. 3–4 mmHg. Der diastolische Blutdruck sank geringfügig um ~2 mmHg, wobei dieser Effekt vor allem bei hypertensiven Personen ausgeprägt war. Eine aktuelle Übersichtsarbeit (Umbrella Review, 2023) bestätigte, dass Quercetin-Präparate einen statistisch signifikanten blutdrucksenkenden Effekt auf den systolischen Wert haben, während andere Parameter (z.B. diastolischer Druck, Cholesterin, Entzündungsmarker) nicht signifikant beeinflusst wurden. Die Größenordnung der Blutdrucksenkung ist also relativ klein – für Personen mit grenzwertigem Blutdruck könnte dies aber durchaus einen Beitrag leisten. Interessant ist, dass in einzelnen Studien mit Bluthochdruckpatienten deutlich stärkere Effekte beobachtet wurden: In einer Placebo-kontrollierten Crossover-Studie senkte Quercetin (730 mg/Tag über 4 Wochen) bei Hypertonikern den Blutdruck um durchschnittlich 7 mmHg systolisch und 5 mmHg diastolisch, während bei Personen mit normal-hohem Blutdruck kein Effekt auftrat. Diese Studie zeigt, dass Quercetin insbesondere bei bestehenden Blutdruckerhöhungen wirksamer sein könnte. Nichtsdestotrotz ersetzt Quercetin natürlich keine blutdrucksenkende Medikation – die Effekte sind eher moderat und individuelle Ergebnisse variieren.

Für andere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Cholesterin oder Blutzucker sind die Daten uneinheitlich. Manche Studien sahen kleine Verbesserungen, andere nicht. Die erwähnte Umbrella-Analyse fand keinen signifikanten Einfluss von Quercetin auf das LDL- oder HDL-Cholesterin, auf entzündliche Marker (CRP) oder auf den Nüchternblutzucker. Allerdings ergab sich ein geringfügiger Effekt auf das Insulin: Quercetin reduzierte den Nüchtern-Insulinspiegel um etwa 1 µIU/mL im Durchschnitt. Dies könnte auf eine minimale Verbesserung der Insulinsensitivität hindeuten, aber klinisch relevante Auswirkungen (z.B. für Diabetiker) sind bisher nicht belegt.

Zusammengefasst: Quercetin zeigt in Studien gewisse günstige Effekte auf das Herz-Kreislauf-System, vor allem in Form einer leichten Blutdrucksenkung. Auch antioxidative Wirkungen könnten gefäßprotektiv sein, doch hierfür fehlen klare Endpunktstudien. Bisherige Untersuchungen konnten keine deutliche Senkung von Cholesterin oder Blutzucker nachweisen. Wichtig ist auch hier, keine überzogenen Erwartungen zu haben – Quercetin ist kein Wundermittel gegen Herzleiden. Eine insgesamt obst- und gemüsereiche Kost (die von Natur aus Quercetin enthält) hat vermutlich einen weit größeren Effekt auf die Herzgesundheit als die isolierte Einnahme eines einzelnen Flavonoids.

Leistungsfähigkeit im Sport

Im Bereich des Sports wurde Quercetin vor einigen Jahren als potenzielles natürliches Leistungssteigerungsmittel bekannt. Hintergrund war die Beobachtung, dass intensives Training oxidativen Stress verursacht und das Immunsystem schwächt – theoretisch könnte ein Antioxidans wie Quercetin hier schützen. Zudem gab es frühe Studien bei untrainierten Probanden, die eine kleine Verbesserung der Ausdauerleistung unter Quercetin-Gabe andeuteten. Dies führte dazu, dass Quercetin in Sportlerkreisen als legales Supplement zur Regeneration und Leistungsförderung ausprobiert wurde. Inzwischen liegen allerdings mehrere kontrollierte Studien und Meta-Analysen vor, die ein recht klares Bild ergeben: Quercetin hat höchstens minimale ergogene Effekte.

Eine Meta-Analyse (2013) aggregierte 7 Studien mit insgesamt 288 Personen (sowohl trainierte Athleten als auch Untrainierte). Ergebnis: Durch Quercetin-Supplementation (typisch ca. 1000 mg/Tag über mehrere Wochen) stieg die maximale Sauerstoffaufnahme (VO₂max) im Mittel um knapp 2 %, und die tatsächliche Ausdauer-Leistung (etwa gemessen an der Zeit bis zur Erschöpfung oder an der Leistungsabgabe) verbesserte sich um durchschnittlich 0,7 %. Statistisch war dieser Effekt signifikant – praktisch ist er jedoch sehr klein. Interessanterweise profitierten nur untrainierte Personen signifikant (Leistungssteigerung ~0,8 %), während bei gut trainierten Sportlern gar kein Effekt nachweisbar war. Die Autoren schlussfolgerten, dass Quercetin zwar messbare Änderungen bei VO₂max und Ausdauer hervorruft, diese aber so gering sind, dass sie für die meisten Athleten keinen spürbaren Unterschied machen. Neuere Studien bestätigen im Wesentlichen, dass Quercetin kein verlässlicher Leistungsbooster ist. In einigen Versuchen ließ sich überhaupt keine Verbesserung finden, in anderen nur unter speziellen Bedingungen (etwa Kombinationspräparate mit anderen Antioxidantien). Insgesamt lautet der Konsens, dass Quercetin keine relevante ergogene Wirkung im Ausdauersport besitzt. Für Kraftsport oder anaerobe Leistung liegen kaum Daten vor, hier gibt es keine Hinweise auf Vorteile.

Weitere mögliche Effekte (Stoffwechsel, Gehirn, Krebsprävention)

Neben den oben genannten Hauptbereichen werden noch diverse andere potenzielle Wirkungen von Quercetin diskutiert:

  • Blutzucker und Stoffwechsel: Einige Tierstudien deuten an, dass Quercetin die Insulinsensitivität verbessern und vor diabetischen Folgeschäden schützen könnte (durch Reduktion von oxidativem Stress in Nerven und Leber). Beim Menschen sind die Daten aber spärlich. Wie erwähnt, fand eine Meta-Analyse einen minimal niedrigeren Insulinspiegel unter Quercetin, klinisch relevante Verbesserungen bei Diabetikern wurden jedoch nicht eindeutig nachgewiesen. Quercetin könnte theoretisch durch Hemmung bestimmter Verdauungsenzyme (z.B. α-Glucosidase) die Blutzuckerspitzen nach Mahlzeiten etwas senken, aber hierfür fehlen noch belastbare Studien.
  • Neurodegenerative Erkrankungen: Aufgrund seiner antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften wird Quercetin auch hinsichtlich Gehirngesundheit erforscht. In Zellkulturen schützt Quercetin Nervenzellen vor oxidativem Schaden (etwa induziert durch Wasserstoffperoxid). Tierstudien an Ratten mit induzierten neurodegenerativen Prozessen zeigen teils verbesserte kognitive Funktionen unter Quercetin-Gabe. Es wird diskutiert, dass Quercetin die Akkumulation von tau- und beta-Amyloid-Proteinen beeinflussen oder die Aktivität von Acetylcholinesterase hemmen könnte. Allerdings kann Quercetin nur begrenzt die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Bisher gibt es keine überzeugenden Humanstudien, die z.B. eine Verlangsamung von Alzheimer oder Parkinson durch Quercetin belegen. Ein flavonoidreiches Ernährungsmuster (mit viel Obst, Gemüse, Tee) wurde in Beobachtungsstudien mit geringerem kognitiven Abbau in Verbindung gebracht, doch einzelne Substanzen herauszulösen ist schwierig. Insgesamt ist dieser Bereich derzeit hauptsächlich von präklinischen Daten gestützt.
  • Krebsprävention: Quercetin zeigt in zahlreichen Zellkulturstudien antitumorale Effekte. Es hemmt das Wachstum von Krebszellen verschiedener Linien (z.B. Brust, Dickdarm, Prostata) und kann den programmierten Zelltod auslösen. Auch in Tiermodellen wurden tumorhemmende Effekte gesehen, etwa weniger Metastasenbildung oder verlangsamtes Tumorwachstum, wenn hochdosiertes Quercetin verabreicht wurde. Mechanistisch werden vielfältige Ansatzpunkte beschrieben: Quercetin wirkt als Antioxidans und schützt DNA vor Schäden, es kann karzinogenaktivierende Enzyme blockieren, den Zellzyklus in Krebszellen anhalten, Angiogenese hemmen u.v.m.. Trotz dieser vielversprechenden Laborbefunde gibt es keine belastbaren Hinweise, dass Quercetin als Supplement Krebs beim Menschen vorbeugen oder behandeln kann. Große prospektive Studien fehlen. Einige Beobachtungsstudien suggerieren, dass eine quercetinreiche Ernährung mit geringeren Raten bestimmter Krebsarten einhergehen könnte (z.B. Lungenkrebs bei Rauchern), doch solche Zusammenhänge sind unsicher und können durch generellen Obst-/Gemüsekonsum beeinflusst sein. Wichtig: Krebspatienten sollten Quercetin nicht als Ersatz für anerkannte Therapien nutzen. In Einzelfällen wird Quercetin in experimentellen Krebstherapien untersucht, teils auch intravenös in sehr hohen Dosen – letzteres allerdings nur im Rahmen klinischer Studien, da hohe Dosen auch Risiken bergen (siehe Sicherheit). Insgesamt ist die Krebsprävention durch Quercetin bisher spekulativ. Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat entsprechende gesundheitsbezogene Angaben (z.B. „schützt DNA vor oxidativen Schäden“) mangels Beweisen abgelehnt.

Bewertung der Studienlage

Angesichts der vielfältigen möglichen Effekte stellt sich die Frage: Welche der versprochenen Wirkungen sind wirklich wissenschaftlich belegt? Die kurze Antwort: Viele der positiven Eigenschaften von Quercetin wurden im Laboroder in Tiermodellen nachgewiesen, aber die Übertragung auf den Menschen ist oft noch nicht ausreichend durch Studien gestützt. So zeigen sich zwar antioxidative und entzündungshemmende Wirkungen in experimentellen Systemen, doch in klinischen Studien sind die Ergebnisse vielfach inkonsistent oder nur moderat ausgeprägt.

Insbesondere bei Gesundheitsversprechen muss strikt zwischen nachgewiesenen Wirkungen und theoretischen Annahmen unterschieden werden. Die EU-Health-Claims-Verordnung schreibt vor, dass nur zugelassene Aussagen beworben werden dürfen. Für Quercetin gibt es derzeit keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben. EFSA hat 2011 mehrere eingereichte Claims zu Quercetin geprüft – etwa den Schutz von DNA, Proteinen und Lipiden vor oxidativem Schaden oder Vorteile für Herz-Kreislauf-System, mentale Leistung, Leber und Nieren – und alle als wissenschaftlich nicht ausreichend belegt abgelehnt. Besonders die sehr allgemeinen Versprechen („unterstützt das Herz-Kreislauf-System“ etc.) wurden verworfen, da sie zu unspezifisch sind und keine klaren Evidenznachweise am Menschen hatten.

Das bedeutet nicht, dass Quercetin unwirksam ist – es bedeutet lediglich, dass die aktuellen Studien keine eindeutigen, reproduzierbaren Belege für konkrete gesundheitsfördernde Effekte liefern, die eine Auslobung rechtfertigen würden. Viele Studien zu Quercetin am Menschen haben methodische Einschränkungen (kleine Fallzahlen, unterschiedliche Dosierungsformen, oft Surrogatmarker statt harter Endpunkte). Die Summe der Evidenz deutet auf gewisse positive Trends hin (z.B. Blutdrucksenkung, Symptomlinderung bei Allergien, evtl. geringere Infektanfälligkeit unter bestimmten Umständen), aber es sind weitere hochwertige klinische Studien nötig, um klare Aussagen treffen zu können.

Experten betonen daher, dass Quercetin-Supplements momentan als “Kann”-Option betrachtet werden können, nicht als erwiesene Therapie oder Präventionsmaßnahme. Wer sich ausgewogen ernährt, nimmt bereits eine gewisse Menge Quercetin zu sich – und profitiert vor allem von der Kombination vieler Nährstoffe. Einzelne Substanzen isoliert einzunehmen bringt meist keinen zusätzlichen Nutzen, sofern keine Mängel bestehen. Insgesamt sollte man die beworbenen Wirkungen von Quercetin realistisch einordnen: Es gibt interessante Ansätze und einige vielversprechende Studien, aber keine Wunderwirkung.

Anwendung als Nahrungsergänzungsmittel: Dosierung und Hinweise

Quercetin als Supplement ist in verschiedenen Formen erhältlich – häufig als Kapseln oder Tabletten, teils auch als Pulver. Auf dem Markt sind sowohl Monopräparate (reines Quercetin) als auch Kombinationsprodukte, in denen Quercetin zusammen mit z.B. Vitamin C, Bromelain oder anderen Pflanzenstoffen angeboten wird. Vitamin C soll dabei theoretisch die Wirkung synergistisch unterstützen (als weiteres Antioxidans), während Bromelain (ein eiweißspaltendes Enzym aus Ananas) laut Herstellern die Resorption von Quercetin verbessern könnte – letzteres ist jedoch nicht eindeutig belegt.

Übliche Dosierung: In Studien und von Herstellern werden häufig Dosierungen im Bereich von 500 mg bis 1000 mg Quercetin pro Tag verwendet. Tatsächlich entsprechen viele freiverkäufliche Produkte diesem Spektrum – gängig sind z.B. Kapseln mit 500 mg, die ein- bis zweimal täglich eingenommen werden. Eine offizielle empfohlene Tagesdosis (RDA) gibt es für Quercetin nicht, da es nicht als essentielles Vitamin/Nährstoff gilt. Ernährungswissenschaftlich benötigt der Mensch Quercetin nicht zwingend, sodass auch keine Mangelsymptome definiert sind. Die gewählten Dosierungen orientieren sich vielmehr an den Mengen, die in Interventionsstudien verwendet wurden, sowie an Verträglichkeitsdaten. Mengen bis 1000 mg/Tag gelten kurzfristig als gut verträglich (siehe Sicherheit). Manche Produkte setzen auf niedrigere Dosierungen (100–250 mg/Tag) mit dem Argument, näher an der natürlichen Aufnahme zu bleiben, während andere bewusst hohe Dosierungen anbieten, um mögliche Effekte zu erzielen. Grundsätzlich sollte man ohne ärztliche Absprache nicht deutlich über 1000 mg täglich hinausgehen. Dosen im Grammbereich wurden zwar in Studien getestet, aber die Langzeitverträglichkeit sehr hoher Mengen ist unklar.

Bioverfügbarkeit und Einnahmetipps: Reines Quercetin (Aglykon) wird vom Darm nur begrenzt aufgenommen, da es wasserunlöslich ist. Die Bioverfügbarkeit – also der Anteil, der tatsächlich ins Blut gelangt – ist relativ niedrig. Allerdings liegen in natürlichen Lebensmitteln Quercetin oft als glykosidische Form vor (z.B. Quercetin-3-Glucosid in der Zwiebel), die etwas besser löslich und resorbierbar sein kann. Um die Aufnahme zu verbessern, empfiehlt es sich, Quercetin zu einer Mahlzeit einzunehmen, idealerweise mit etwas Fett. Studien zeigen, dass ein gleichzeitiges fetthaltiges Essen die Resorption signifikant steigern kann – in einer Untersuchung um ~30–45 %. Zudem wird so oft eine mögliche Magenreizung vermieden, da Quercetin auf nüchternen Magen bei empfindlichen Personen Übelkeit auslösen kann. Einige Supplement-Hersteller haben spezielle Formulierungen entwickelt, um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen: z.B. Quercetin-Phospholipid-Komplexe (Phytosome®) oder liposomales Quercetin. In einer klinischen Studie erzielte ein Quercetin-Phospholipid-Komplex rund 20-fach höhere Quercetin-Blutspiegel verglichen mit derselben Dosis gewöhnlichen Quercetins. Solche Formulierungen können also deutlich effizienter ins System gelangen. Beim Kauf eines Supplements kann man darauf achten: Wer eine niedrigere Dosis mit hoher Bioverfügbarkeit bevorzugt, könnte zu einem Phytosom-Produkt greifen. Andernfalls sollte man Quercetin immer mit etwas Nahrung aufnehmen.

Dauer der Einnahme: Kurzfristig (einige Tage bis wenige Wochen) wird Quercetin in Studien häufig eingesetzt, z.B. 2 Wochen bei Sportstudien oder 4–8 Wochen bei Entzündungsstudien. Diese Zeiträume scheinen unproblematisch zu sein. Eine tägliche Einnahme über 8–12 Wochen wurde in Studien ohne schwerwiegende Nebenwirkungen toleriert. Allerdings fehlen systematische Langzeitstudien über viele Monate oder Jahre. Bis man hierzu mehr weiß, wird oft empfohlen, Quercetin eher kurweise oder situativ einzusetzen (z.B. während der Allergiesaison oder in Phasen hoher Infektbelastung) statt dauerhaft. Wenn doch eine längere Verwendung geplant ist, sollte zumindest eine Rücksprache mit einem Arzt erfolgen, insbesondere um mögliche Wechselwirkungen auszuschließen.

Sicherheit, Nebenwirkungen und Risiken

Verträglichkeit: Quercetin gilt im Allgemeinen als gut verträglich. Über die alltägliche Nahrung aufgenommen (typischerweise < 50 mg/Tag) ist es völlig unbedenklich. Auch höhere Dosierungen aus Supplements – gängig bis 1000 mg täglich – zeigen bei kurzzeitiger Einnahme ein günstiges Sicherheitsprofil. Studien mit 1000 mg Quercetin pro Tag über 3 Monate berichteten von keinen schweren unerwünschten Ereignissen; Laborwerte (Leber, Nieren, Blutbild) blieben unauffällig. Die US-Arzneimittelbehörde FDA stuft Quercetin in üblichen Mengen als GRAS (“generally recognized as safe”) ein.

Mögliche Nebenwirkungen: Nebenwirkungen treten nur gelegentlich und meist leicht auf. Einige Menschen berichten von Kopfschmerzen, wenn sie hochdosiertes Quercetin einnehmen. Interessanterweise gibt es die Hypothese, dass Quercetin mitverantwortlich für sog. „Rotwein-Kopfschmerzen“ sein könnte – im Rotwein steckt Quercetin aus Traubenschalen, das beim Abbau möglicherweise Kopfschmerz-auslösende Metaboliten bildet. Ein weiterer häufiger Effekt ist eine leichte Magen-Darm-Reizung: Quercetin kann Übelkeit oder ein flaues Gefühl auslösen, vor allem auf nüchternen Magen. Mit Nahrung genommen, ist dies meist weniger ein Problem. In Einzelfällen wurden bei sehr hohen Dosen auch Erbrechen oder Durchfall beobachtet. Insgesamt sind diese Nebenwirkungen jedoch selten und dosisabhängig. Ein Kribbeln oder Flush-Gefühl wurde anekdotisch beschrieben, lässt sich aber nicht eindeutig auf Quercetin zurückführen. Sollten Nebenwirkungen auftreten, wird empfohlen, die Einnahme zu pausieren – in der Regel klingen die Symptome dann rasch ab.

Hohe Dosierungen und Langzeitrisiken: Bei extrem hohen Mengen oder langfristiger Einnahme ist die Datenlage begrenzt, weshalb hier Vorsicht geboten ist. In einer frühen intravenösen Studie an Krebspatienten zeigte sich bei sehr hohen Dosen Quercetin (über 1000 mg als Infusion) eine Nierenbelastung – einige Patienten entwickelten Anzeichen von Nierenschäden. Orale Einnahme in solchen Mengen wäre kaum erreichbar, dennoch wird Personen mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion geraten, Quercetin-Präparate zu vermeiden. Tierstudien hatten in der Vergangenheit sogar diskutiert, ob Quercetin bei sehr hohen Dosen krebserregende Effekte in der Niere haben könnte (bei Ratten wurden gutartige Nierentumoren unter chronischer Quercetin-Fütterung beobachtet). Ob dies für Menschen relevant ist, ist unklar – zumal Flavonoide im Menschen anders verstoffwechselt werden. Nichtsdestotrotz bestehen offene Fragen zur absoluten Langzeitsicherheit. Eine Übersichtsarbeit von 2018 kam zu dem Schluss, dass zwar akute und mittelfristige Einnahme sicher erscheint, aber mögliche genotoxische Effekte langfristig nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Daher sollte man sehr hohe Dosen (> 1 g/Tag) über längere Zeiträume nur im Rahmen von Studien oder auf ärztlichen Rat nehmen.

Wechselwirkungen: Quercetin kann mit verschiedenen Medikamenten interagieren, da es bestimmte Leberenzyme und Transporter beeinflusst. So hemmt Quercetin z.B. das CYP3A4-Enzymsystem und einige OATP-Transporter in der Leber – dadurch könnte es den Abbau oder die Aufnahme anderer Wirkstoffe verändern. Praktisch relevant ist u.a. folgende Beobachtung:

  • Blutverdünner: Quercetin könnte die gerinnungshemmende Wirkung von Cumarin-Antikoagulantien (z.B. Warfarin) verstärken und somit das Blutungsrisiko erhöhen. Patienten auf Blutverdünnern sollten Quercetin daher nur nach Rücksprache einnehmen.
  • Chemotherapeutika: In präklinischen Modellen verstärkte Quercetin teils die Wirksamkeit von Chemotherapeutika, andererseits gibt es Bedenken, dass es durch seine antioxidative Wirkung gewisse zellschädigende Therapien abschwächen könnte. Krebspatienten sollten Quercetin-Supplements daher nur in Rücksprache mit ihren Onkologen verwenden.
  • Ciclosporin und andere CYP3A4-Substrate: Quercetin kann den Spiegel von Medikamenten erhöhen, die über CYP3A4 abgebaut werden. Beispielsweise wurde gezeigt, dass es die Metabolisierung von Ciclosporin hemmt. Auch bestimmte Antibiotika (Chinolone wie Ciprofloxacin) werden überlappend metabolisiert – hier ist Vorsicht geboten.
  • Blutdruckmedikamente: Da Quercetin selbst leicht blutdrucksenkend wirkt, könnte es zusammen mit Antihypertensiva den Blutdruck zu stark absenkensinglecare.com. In der Praxis ist das Risiko wohl gering, aber eine Überwachung schadet nicht.
  • Andere Supplements: Interessanterweise kann Quercetin die Koffein-Verstoffwechslung hemmen, was zu erhöhtem Koffeinspiegel führen könnte. Wer also regelmäßig hohe Quercetin-Dosen und koffeinhaltige Präparate konsumiert, sollte darauf achten.

Generell gilt: Wer Medikamente einnimmt, sollte die Verwendung von Quercetin mit dem Arzt oder Apotheker besprechen.

Besondere Vorsicht bei bestimmten Personengruppen: Für Schwangere und Stillende liegen keine ausreichenden Sicherheitsdaten vor. Da während der Schwangerschaft die Nieren filtrationsbedingt stärker belastet sind, raten Experten vorsichtshalber von Quercetin-Supplements in der Schwangerschaft ab. Auch während der Stillzeit und bei Kindern ist die Datenlage ungenügend, daher sollte hier sicherheitshalber auf eine Supplementierung verzichtet werden. Personen mit bekannten Nierenerkrankungen oder schweren Leberproblemen sollten Quercetin nur unter ärztlicher Kontrolle verwenden, da ein geschädigtes Ausscheidungsorgan ggf. empfindlicher auf hohe Flavonoid-Dosen reagiert.

Insgesamt ist Quercetin als Ergänzung für die meisten gesunden Erwachsenen in moderater Dosierung gut verträglich. Wie bei jedem Supplement gilt aber: „Die Dosis macht das Gift.“ – Sehr hohe Mengen oder ungewöhnliche Kombinationen mit Medikamenten können problematisch werden. Im Zweifelsfall sollte man Fachleute konsultieren.

Quercetin über die Nahrung vs. als Supplement – braucht man eine Ergänzung?

Angesichts der vielen Bewährungsfelder stellt sich die Frage, ob es überhaupt nötig oder sinnvoll ist, Quercetin zusätzlichin Pillenform einzunehmen. Grundsätzlich lässt sich eine ausreichende Versorgung mit Quercetin und anderen Flavonoiden durch eine obst- und gemüsereiche Ernährung erreichen. Wer täglich verschiedenes Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Tee etc. konsumiert, nimmt automatisch eine Mischung an sekundären Pflanzenstoffen auf – darunter auch Quercetin. Dieser Ernährungsansatz hat gegenüber isolierten Supplementen mehrere Vorteile:

  • Synergie der Nährstoffe: In natürlichen Lebensmitteln tritt Quercetin gemeinsam mit Vitamin C, Ballaststoffen, anderen Flavonoiden und Mikronährstoffen auf. Diese Kombination kann sich gegenseitig in der Wirkung unterstützen. Beispielsweise könnten Vitamin C und andere Antioxidantien die Wirksamkeit von Quercetin ergänzen. Isoliertes Quercetin liefert dagegen keinen dieser Begleitstoffe.
  • Ausgewogene Dosis: Über die Nahrung werden täglich vielleicht 5–50 mg Quercetin zugeführt – eine moderate Menge, die der Körper gewohnt ist. Bei Supplements hingegen werden abrupt Hunderte von Milligramm zugeführt, was pharmakologisch ganz anders wirken kann. Die natürliche Zufuhr ist risikoärmer hinsichtlich Überdosierung.
  • Weitere Gesundheitsvorteile: Lebensmittel, die Quercetin enthalten (wie Äpfel, Beeren, Gemüse), haben selbstzahlreiche nachgewiesene Gesundheitsvorteile – etwa durch Vitamine, Ballaststoffe und andere Inhaltsstoffe. Diese umfassenden Vorteile kann man mit einer isolierten Substanz nicht ersetzen. Ernährungswissenschaftliche Empfehlungen betonen daher, dass *ganze Lebensmittel immer zu bevorzugen sind gegenüber einzelnen Extrakten.

Tatsächlich wird in der evidenzbasierten Medizin oft beobachtet, dass Supplement-Studien enttäuschende Ergebnisse liefern, während die Ernährung als Ganzes positive Effekte zeigt. Ein Beispiel sind die Flavonoide: Eine Ernährung, reich an verschiedenen bunten Früchten und Gemüse, zeigt in Bevölkerungsstudien eine Schutzwirkung vor chronischen Krankheiten. Versucht man aber, einzelne Flavonoide (wie Quercetin oder andere Polyphenole) isoliert zu geben, bleibt der Effekt oft aus – vermutlich, weil das Zusammenwirken vieler Stoffe fehlt.

Dennoch kann es Sondersituationen geben, in denen ein Quercetin-Supplement erwogen wird: Etwa wenn in Studien eine bestimmte Dosis als hilfreich identifiziert wurde, die über die Nahrung kaum erreichbar ist. Ein Beispiel ist die Allergie-Prävention – um 200 mg Quercetin täglich zu erreichen (wie in der japanischen Studie), müsste man unrealistisch große Mengen an Zwiebeln oder Kapern essen. Hier kann ein Supplement sinnvoll sein, wenn ein Allergiker die vielversprechenden Resultate selbst ausprobieren möchte (natürlich zusätzlich zu konventionellen Maßnahmen). Auch Sportler in intensiven Belastungsphasen könnten Quercetin als kurzfristige Unterstützung testen, basierend auf Hinweisen auf weniger Infektanfälligkeit oder oxidativen Stress. Wichtig ist, dass solche Anwendungen experimentell zu sehen sind – der erwartete Nutzen ist nicht garantiert.

Es ist außerdem zu beachten, dass Nahrungsergänzungsmittel keine Medikamente sind. Wer etwa an Bluthochdruck, Diabetes oder chronischen Entzündungen leidet, sollte Quercetin nicht als Ersatz für eine medizinische Behandlung betrachten. In besten Falle können Supplements eine Therapie ergänzen, aber sie kurieren keine Krankheiten.

Unser Fazit

Quercetin ist ein faszinierender sekundärer Pflanzenstoff mit vielseitigen biologischen Wirkungen im Reagenzglas. Es fungiert als Antioxidans, Entzündungshemmer und möglicherweise als natürliches Antihistaminikum. Diese Eigenschaften machen es zu einem Gegenstand intensiver Forschung und erklären, warum Quercetin als Nahrungsergänzungsmittel an Popularität gewonnen hat. In Obst und Gemüse – vor allem in Äpfeln, Beeren, Zwiebeln und Kapern – ist Quercetin breit vertreten, und eine gesunde Ernährung liefert täglich kleine Mengen davon.

Die wissenschaftliche Evidenz zu Quercetin am Menschen ist jedoch gemischt. Einige Studien deuten Vorteile an: So zeigte sich ein leichter blutdrucksenkender Effekt, eine Linderung von Allergiesymptomen und möglicherweise eine etwas geringere Infektanfälligkeit in bestimmten Gruppen. Andere erhoffte Effekte wie deutliche Leistungssteigerung im Sport oder eine allgemeine Immunstärkung ließen sich bisher nicht klar nachweisen. Es darf als gesichert gelten, dass Quercetin keine Wunderdroge ist – viele der in Internet und Werbung behaupteten Wirkungen sind übertrieben oder in dieser Form nicht belegt. Die Europäische Aufsichtsbehörde hat folgerichtig bislang keinen Health Claim für Quercetin zugelassen.

Aus Sicherheits-Sicht schneidet Quercetin erfreulich ab: Es gilt in üblichen Dosierungen bis etwa 1 g pro Tag als gut verträglich und nebenwirkungsarm. Gelegentlich treten leichte Beschwerden wie Kopfschmerz oder Übelkeit auf, die durch Einnahme mit dem Essen meist vermeidbar sind. Langzeitrisiken sind nicht umfassend untersucht, weshalb sehr hohe Dosen über lange Zeiträume vorsichtshalber gemieden werden sollten. Besonders Menschen mit Vorerkrankungen oder diejenigen, die Medikamente einnehmen, sollten Quercetin mit Bedacht einsetzen und im Zweifel Rücksprache mit einem Arzt halten – Wechselwirkungen sind möglich.

Letztlich sollte man Quercetin so betrachten: als Ergänzung, nicht als Ersatz. Eine bunte, pflanzenbasierte Ernährung liefert von Natur aus Quercetin (und viele andere gesundheitsfördernde Stoffe) und ist die Basis für Gesundheit. Ein Quercetin-Supplement kann im Einzelfall einen kleinen zusätzlichen Nutzen bringen – etwa für Allergiegeplagte oder neugierige Gesundheitsbewusste, die auf die neuesten Studienergebnisse reagieren möchten. Dabei muss man aber realistisch bleiben und stets Fakten von Versprechen trennen. Quercetin ist ein interessantes Molekül mit Potenzial, doch es ersetzt weder eine ausgewogene Lebensweise noch ärztliche Therapien bei Krankheit. Die Forschung wird in den kommenden Jahren zeigen, ob Quercetin vielleicht doch noch in bestimmten Bereichen zum „Nutraceutical-Star“ avancieren kann – derzeit sind seine Sterne jedenfalls nicht so glänzend, wie manche Werbeaussagen glauben machen.

Quellen

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Drugs.com (2024). Quercetin – Uses, Benefits & Dosage. Monograph, medically reviewed Dec 9, 2024

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Cesarone, M.R. et al. (2019). Supplementary prevention and management of asthma with quercetin phytosome: a pilot registry. Minerva Med., 110(6):524-529. DOI: 10.23736/S0026-4806.19.06319-5 (Pilotstudie: Quercetin als Ergänzung bei mildem Asthma)

Arabi, S.M. et al. (2023). The effects of Quercetin supplementation on cardiometabolic outcomes: An umbrella review of meta-analyses of RCTs. Phytother. Res., 37(11):5080-5091. DOI: 10.1002/ptr.7971 (Übersichtsarbeit über Meta-Analysen zu Quercetin, u.a. Blutdruck)

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Riva, A. et al. (2019). Improved oral absorption of Quercetin from Quercetin Phytosome®, a new delivery system based on food grade lecithin. Eur. J. Drug Metab. Pharmacokinet., 44(2):169-177. DOI: 10.1007/s13318-018-0517-3 (Studie zur Bioverfügbarkeit: Phytosom-Quercetin ~20x höhere Plasmaspiegel)

Larson, J. (2024). Who should not take quercetin? SingleCare© (Online-Ratgeber, medizinisch geprüft von K. Berger, Pharm.D.) – Schlüsselinfos zu Sicherheit, Risiken und Wechselwirkungen

Mount Sinai Hospital (2021). Quercetin (Gesundheits-Report, Abschnitt „Vitamins & Supplements“). Mount Sinai Health Library. (Übersicht zu Quercetin, inkl. Vorkommen und Einschätzung Ernährung)

Yannik
Yannik

Hey, mein Name ist Yannik. Ich bin der Co-Chefredakteur von nahrung.de und befasse mich bereits seit geraumer Zeit mit den Themen Ernährung sowie Nahrungsergänzung. Eine objektive und aufklärende Berichterstattung ist mir besonders wichtig!

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