Mit etwa 700 Gramm im erwachsenen Körper gehört Phosphor zu den mengenmäßig wichtigsten Mineralstoffen des Menschen. Rund 85 Prozent davon stecken in Knochen und Zähnen, der Rest arbeitet in jeder einzelnen Körperzelle [1]. Trotz dieser beeindruckenden Präsenz steht der Mineralstoff selten im Mittelpunkt ernährungswissenschaftlicher Diskussionen – zu Unrecht, denn die moderne Ernährung liefert oft zu viel davon, was gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann.
Die Geschichte der Phosphor-Forschung beginnt 1669, als der Hamburger Alchemist Hennig Brand den Stoff aus Urin isolierte. Was damals wie Zauberei wirkte – der Stoff leuchtete im Dunkeln – entpuppte sich als Element mit der Ordnungszahl 15. Heute wissen wir: Ohne Phosphor gäbe es kein Leben, wie wir es kennen. Das Element steckt in der DNA, treibt als ATP unseren Energiestoffwechsel an und hält unsere Knochen stabil [2].
In der Ernährung begegnet uns Phosphor hauptsächlich als Phosphat, also in gebundener Form mit Sauerstoff. Diese Unterscheidung mag akademisch klingen, hat aber praktische Bedeutung: Während natürliche Phosphate aus Lebensmitteln vom Körper kontrolliert aufgenommen werden, gelangen zugesetzte Phosphate aus Fertigprodukten nahezu vollständig ins Blut – mit teils bedenklichen Folgen für Nieren und Gefäße [3].
Biochemische Grundlagen und Funktionen
Phosphor erfüllt im menschlichen Körper eine erstaunliche Vielfalt an Aufgaben, die weit über die bekannte Rolle als Knochenbaustoff hinausgehen. Als fünfthäufigstes Element im Organismus bildet es das Rückgrat zahlreicher lebenswichtiger Moleküle und biochemischer Prozesse. Die chemische Vielseitigkeit von Phosphat-Verbindungen ermöglicht es diesem Mineralstoff, sowohl strukturelle als auch regulatorische und energetische Funktionen zu übernehmen. Diese Multifunktionalität macht Phosphor zu einem der wichtigsten Elemente für alle Lebensprozesse – von der einzelnen Zelle bis zum komplexen Organsystem.
Strukturelle Funktionen
In Knochen und Zähnen liegt Phosphor hauptsächlich als Hydroxylapatit vor, einer kristallinen Verbindung mit der chemischen Formel Ca₁₀(PO₄)₆(OH)₂. Diese Kristalle verleihen dem Skelett seine charakteristische Festigkeit – etwa so, wie Stahlträger einem Gebäude Stabilität geben. Ein erwachsener Mensch trägt etwa 600 Gramm Phosphor in seinem Skelett, wobei das molare Verhältnis von Calcium zu Phosphor bei etwa 1,67:1 liegt [4].
Auf zellulärer Ebene bilden Phospholipide die Grundstruktur aller Zellmembranen. Moleküle wie Phosphatidylcholin oder Phosphatidylserin bestehen aus einem hydrophilen (wasserliebenden) Phosphat-Kopf und hydrophoben (wasserabweisenden) Fettsäure-Schwänzen. Diese Doppelschicht-Struktur funktioniert wie eine intelligente Barriere: Sie lässt bestimmte Stoffe durch und hält andere draußen. Ohne diese Phospholipide könnte keine Zelle ihre Integrität bewahren [5].
Energiestoffwechsel und ATP
Adenosintriphosphat (ATP) wird oft als „Energiewährung“ der Zelle bezeichnet – und das aus gutem Grund. Dieses Molekül speichert Energie in seinen Phosphat-Bindungen, genauer gesagt in den zwei energiereichen Phosphoanhydrid-Bindungen zwischen den drei Phosphatgruppen. Wenn der Körper Energie braucht, spaltet das Enzym ATPase eine Phosphatgruppe ab. Dabei werden etwa 30,5 Kilojoule pro Mol freigesetzt – genug Energie für eine Muskelkontraktion oder den Transport von Molekülen durch die Zellmembran [6].
Ein durchschnittlicher Erwachsener produziert und verbraucht täglich etwa sein eigenes Körpergewicht an ATP. Das bedeutet: Ein 70 Kilogramm schwerer Mensch setzt jeden Tag rund 70 Kilogramm ATP um. Da der Körper nur etwa 250 Gramm ATP gleichzeitig speichern kann, muss jedes ATP-Molekül etwa 300 Mal am Tag recycelt werden. Dieser ständige Kreislauf von ATP zu ADP (Adenosindiphosphat) und zurück macht deutlich, wie wichtig eine ausreichende Phosphor-Versorgung für unseren Energiehaushalt ist [7].
Regulation und Signalübertragung
Phosphorylierung – das Anhängen von Phosphatgruppen an Proteine – gehört zu den wichtigsten Schaltern in der Zelle. Über 500 verschiedene Proteinkinasen (Enzyme, die Phosphatgruppen anhängen) und etwa 200 Phosphatasen (Enzyme, die sie wieder entfernen) regulieren auf diese Weise zelluläre Prozesse. Ein bekanntes Beispiel: Insulin aktiviert eine Kaskade von Phosphorylierungen, die letztendlich dazu führt, dass Muskelzellen Glucose aus dem Blut aufnehmen [8].
Auch die Genregulation hängt von Phosphor ab. Transkriptionsfaktoren – Proteine, die bestimmen, welche Gene abgelesen werden – werden oft durch Phosphorylierung aktiviert oder deaktiviert. Der Transkriptionsfaktor p53, auch „Wächter des Genoms“ genannt, wird beispielsweise durch Phosphorylierung an verschiedenen Stellen reguliert. Je nachdem, wo die Phosphatgruppen sitzen, stoppt p53 die Zellteilung oder leitet sogar den programmierten Zelltod ein [9].
Phosphor-Stoffwechsel im Detail
Der menschliche Körper reguliert seinen Phosphat-Haushalt durch ein komplexes Zusammenspiel von Aufnahme, Verteilung, Speicherung und Ausscheidung. Dieser Regelkreis muss präzise funktionieren, denn sowohl zu wenig als auch zu viel Phosphat im Blut kann ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen. Die Hauptakteure in diesem System sind der Darm, die Nieren, die Knochen sowie verschiedene Hormone. Besonders bemerkenswert ist dabei die enge Verknüpfung mit dem Calcium-Stoffwechsel – beide Mineralstoffe beeinflussen sich gegenseitig und werden teilweise von denselben Hormonen reguliert.
Absorption im Darm
Die Phosphat-Aufnahme im Darm erfolgt über zwei Wege: einen aktiven Transport, der von Vitamin D abhängt, und eine passive Diffusion, die bei höheren Phosphat-Konzentrationen dominiert. Der Natrium-Phosphat-Cotransporter NaPi-IIb im Dünndarm pumpt aktiv Phosphat aus dem Darmlumen in die Darmzellen. Dieser Transporter arbeitet wie eine molekulare Pumpe: Er nutzt den Natrium-Gradienten, um Phosphat gegen sein Konzentrationsgefälle zu transportieren [10].
Die Absorptionsrate variiert stark je nach Phosphat-Quelle. Aus tierischen Lebensmitteln nimmt der Körper etwa 60 bis 70 Prozent des enthaltenen Phosphors auf, aus pflanzlichen Quellen nur 40 bis 50 Prozent. Der Grund: Pflanzen speichern Phosphor oft als Phytat (Phytinsäure), eine Verbindung, die der menschliche Darm nur schwer aufschließen kann. Zugesetzte anorganische Phosphate aus Lebensmittelzusätzen werden dagegen zu fast 100 Prozent absorbiert – sie umgehen praktisch alle körpereigenen Kontrollmechanismen [11].
Nierenfunktion und Ausscheidung
Die Nieren filtern täglich etwa 7 Gramm Phosphat aus dem Blut, wovon sie normalerweise 80 bis 90 Prozent wieder zurückgewinnen. Diese Rückresorption findet hauptsächlich im proximalen Tubulus statt, wo die Natrium-Phosphat-Cotransporter NaPi-IIa und NaPi-IIc sitzen. Die Menge an Phosphat, die zurückgewonnen wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab: dem Phosphat-Spiegel im Blut, der Calcium-Konzentration und verschiedenen Hormonen [12].
Bei einer phosphatreichen Mahlzeit scheiden die Nieren innerhalb von zwei bis vier Stunden vermehrt Phosphat aus. Dieser Mechanismus funktioniert bei gesunden Menschen sehr effizient. Menschen mit chronischer Nierenerkrankung verlieren jedoch diese Fähigkeit zunehmend – ihr Phosphat-Spiegel im Blut steigt, was zu Gefäßverkalkungen und Knochenproblemen führen kann [13].
Hormonelle Regulation
Drei Hormone spielen die Hauptrolle bei der Phosphat-Regulation: Parathormon (PTH), Calcitriol (die aktive Form von Vitamin D) und FGF23 (Fibroblast Growth Factor 23). PTH aus den Nebenschilddrüsen senkt den Phosphat-Spiegel im Blut, indem es die Ausscheidung über die Nieren erhöht. Gleichzeitig mobilisiert es aber auch Phosphat aus den Knochen – ein zweischneidiges Schwert [14].
Calcitriol steigert die Phosphat-Aufnahme im Darm um bis zu 90 Prozent. Es wird in den Nieren aus Vitamin D gebildet, wenn der Phosphat- oder Calcium-Spiegel zu niedrig ist. FGF23, ein relativ neu entdecktes Hormon aus den Knochenzellen, wirkt als Gegenspieler: Es hemmt die Calcitriol-Produktion und steigert die Phosphat-Ausscheidung. Menschen mit genetischen Defekten im FGF23-System entwickeln oft schwere Störungen im Phosphat-Haushalt [15].
Phosphor-Quellen in der Ernährung
Die Phosphor-Versorgung über die Nahrung hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Während unsere Vorfahren ihren Phosphor-Bedarf hauptsächlich aus unverarbeiteten Lebensmitteln deckten, stammt heute ein erheblicher Teil aus zugesetzten Phosphaten in industriell gefertigten Produkten. Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen für unsere Gesundheit, denn der Körper kann zwischen natürlichen und künstlichen Phosphat-Quellen kaum unterscheiden – er nimmt beide auf, reagiert aber unterschiedlich darauf. Die Kenntnis verschiedener Phosphor-Quellen und ihrer Bioverfügbarkeit wird daher immer wichtiger für eine gesunde Ernährungsplanung.
Natürliche Lebensmittelquellen
vProteinreiche Lebensmittel enthalten generell viel Phosphor, da der Mineralstoff ein wesentlicher Bestandteil von Proteinen und Nukleinsäuren ist. Besonders Milchprodukte liefern gut verfügbares Phosphat in Kombination mit Calcium. Ein Glas Milch (250 ml) enthält etwa 230 mg Phosphor bei einer Bioverfügbarkeit von rund 70 Prozent. Das Calcium-Phosphor-Verhältnis von etwa 1,2:1 in Milchprodukten gilt als optimal für die Knochengesundheit [16].
| Lebensmittel (100g) | Phosphor-Gehalt (mg) | Bioverfügbarkeit (%) | Tatsächlich verfügbar (mg) |
|---|---|---|---|
| Emmentaler Käse | 850 | 70 | 595 |
| Weizenkeime | 840 | 45 | 378 |
| Sonnenblumenkerne | 618 | 45 | 278 |
| Sardinen in Öl | 490 | 65 | 319 |
| Leber (Schwein) | 360 | 70 | 252 |
| Haferflocken | 340 | 40 | 136 |
| Kidneybohnen | 250 | 35 | 88 |
| Vollmilch | 92 | 70 | 64 |
Fleisch und Fisch enthalten Phosphor hauptsächlich in organischer Form als Phosphoproteine und Phospholipide. Ein 150-Gramm-Stück Rindfleisch liefert etwa 300 mg gut verwertbares Phosphat. Innereien wie Leber oder Niere enthalten besonders hohe Konzentrationen – eine Portion Schweineleber (100 g) deckt bereits die Hälfte des Tagesbedarfs [17].
Pflanzliche Phosphor-Quellen schneiden bei der Verfügbarkeit schlechter ab. Getreide, Nüsse und Hülsenfrüchte speichern 50 bis 80 Prozent ihres Phosphors als Phytat. Diese Verbindung bindet auch andere Mineralstoffe wie Eisen, Zink und Calcium und vermindert deren Aufnahme. Interessanterweise können bestimmte Zubereitungsmethoden die Verfügbarkeit verbessern: Einweichen, Keimen oder Fermentieren aktiviert das Enzym Phytase, das Phytat abbaut. Sauerteigbrot enthält daher mehr verfügbares Phosphat als Hefebrot aus demselben Mehl [18].
Phosphat-Zusatzstoffe in Lebensmitteln
Die Lebensmittelindustrie setzt Phosphate als Zusatzstoffe (E338 bis E343, E450 bis E452) in zahlreichen Produkten ein. Diese erfüllen verschiedene technologische Funktionen: Sie stabilisieren den pH-Wert, verbessern die Wasserbindung in Fleischprodukten, wirken als Emulgatoren in Schmelzkäse oder verhindern das Verklumpen von Pulvern. Eine Scheibe Schmelzkäse kann durch zugesetzte Phosphate doppelt so viel Phosphor enthalten wie normaler Käse [19].
Besonders problematisch: Diese anorganischen Phosphate werden zu 90 bis 100 Prozent vom Körper aufgenommen – weitaus mehr als natürliche Phosphor-Verbindungen. Eine Cola (330 ml) enthält etwa 40 bis 70 mg Phosphorsäure, die vollständig ins Blut gelangt. Zum Vergleich: Die gleiche Menge Orangensaft enthält zwar 40 mg natürliches Phosphat, wovon der Körper aber nur etwa 20 mg aufnimmt [20].
- Fleisch- und Wurstwaren: Bis zu 30 Prozent mehr Phosphor durch zugesetzte Phosphate, die Wasser binden und die Textur verbessern. Ein Wiener Würstchen mit Phosphat-Zusatz enthält 280 mg Phosphor pro 100 g statt der natürlichen 180 mg.
- Fast Food und Fertiggerichte: Eine Tiefkühlpizza kann durch verschiedene phosphathaltige Zusätze bis zu 800 mg Phosphor enthalten – mehr als die Hälfte des Tagesbedarfs. Chicken Nuggets erreichen durch Phosphat-Marinaden ähnlich hohe Werte.
- Backwaren: Phosphathaltige Backtriebmittel in Kuchen und Gebäck liefern 100 bis 200 mg zusätzliches Phosphat pro Portion. Selbst Brötchen vom Bäcker enthalten oft Phosphate zur Teigverbesserung.
Versteckte Phosphat-Quellen
Viele Verbraucher unterschätzen die Phosphat-Aufnahme aus Getränken. Energy-Drinks, Cola-Getränke und manche Sportgetränke enthalten Phosphorsäure als Säuerungsmittel. Ein Liter Cola kann 500 bis 700 mg hoch verfügbares Phosphat liefern – fast die Hälfte des Tagesbedarfs. Selbst vermeintlich gesunde Getränke wie bestimmte Smoothies oder Proteinshakes enthalten oft zugesetzte Phosphate als Stabilisatoren [21].
Medikamente stellen eine oft übersehene Phosphat-Quelle dar. Viele Brausetabletten nutzen Phosphate als Hilfsstoffe. Eine Vitamin-C-Brausetablette kann 200 mg Phosphat enthalten. Menschen, die regelmäßig mehrere Medikamente einnehmen, sollten die Beipackzettel auf Phosphat-Verbindungen prüfen. Auch manche Nahrungsergänzungsmittel, besonders Calcium-Präparate, enthalten Phosphate als Füllstoffe oder zur besseren Löslichkeit [22].
Gesundheitliche Auswirkungen
Der Phosphor-Status eines Menschen beeinflusst nahezu alle Organsysteme – vom Knochenstoffwechsel über die Nierenfunktion bis hin zum Herz-Kreislauf-System. Während ein echter Phosphor-Mangel in entwickelten Ländern extrem selten vorkommt, entwickelt sich die chronische Überversorgung zunehmend zu einem unterschätzten Gesundheitsproblem. Die moderne Ernährung mit ihrem hohen Anteil an verarbeiteten Lebensmitteln führt bei vielen Menschen zu dauerhaft erhöhten Phosphat-Spiegeln im Blut. Diese scheinbar harmlosen Werte im oberen Normalbereich können langfristig erhebliche Schäden verursachen – ein Phänomen, das die Medizin erst in den letzten Jahren richtig zu verstehen beginnt.
Phosphor-Mangel und seine Folgen
Ein echter Phosphor-Mangel (Hypophosphatämie) mit Serumwerten unter 0,8 mmol/l tritt hauptsächlich bei schweren Erkrankungen auf. Alkoholkranke Menschen entwickeln häufig einen Mangel, da Alkohol die Phosphat-Aufnahme hemmt und die Ausscheidung steigert. Auch das Refeeding-Syndrom – die zu schnelle Wiederernährung nach längerem Fasten – kann zu gefährlich niedrigen Phosphat-Werten führen. Der Körper braucht dann plötzlich viel Phosphat für den wieder anlaufenden Stoffwechsel, die Speicher sind aber leer [23].
Die Symptome eines Phosphor-Mangels entwickeln sich schleichend. Zuerst lässt die Muskelkraft nach – Betroffene klagen über Schwäche und schnelle Ermüdung. Bei Werten unter 0,5 mmol/l können Verwirrtheit, Koordinationsstörungen und im Extremfall sogar Krampfanfälle auftreten. Die roten Blutkörperchen verlieren ihre Flexibilität und können in engen Gefäßen stecken bleiben. Auch die weißen Blutkörperchen arbeiten schlechter – die Infektanfälligkeit steigt [24].
Langfristiger milder Phosphor-Mangel, wie er bei extrem einseitiger Ernährung vorkommen kann, schwächt vor allem die Knochen. Der Körper löst dann Calcium und Phosphat aus dem Skelett, um den Blutspiegel stabil zu halten. Kinder mit chronischem Phosphor-Mangel entwickeln eine Rachitis mit verkrümmten Beinen und aufgetriebenen Rippen. Bei Erwachsenen führt der Mangel zur Osteomalazie – die Knochen werden weich und verformen sich unter Belastung [25].
Phosphor-Überschuss: Das unterschätzte Problem
Erhöhte Phosphat-Werte im Blut (Hyperphosphatämie) galten lange nur bei Nierenkranken als Problem. Neue Studien zeigen jedoch: Auch gesunde Menschen mit Phosphat-Werten im oberen Normalbereich (über 1,45 mmol/l) haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Framingham Heart Study mit über 3000 Teilnehmern fand einen klaren Zusammenhang: Pro 0,3 mmol/l höherem Phosphat-Spiegel stieg das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall um 55 Prozent [26].
Zu viel Phosphat im Blut schädigt die Blutgefäße direkt. Es aktiviert in den Gefäßwandzellen ein genetisches Programm, das sie in knochenähnliche Zellen verwandelt. Diese beginnen dann, Calcium einzulagern – die Gefäße verkalken. Dieser Prozess läuft schleichend ab und bleibt lange unbemerkt. Erst wenn die Arterien stark versteift sind, treten Symptome wie Bluthochdruck oder Durchblutungsstörungen auf [27].
Die Nieren leiden besonders unter hohen Phosphat-Spiegeln. Sie müssen ständig gegen die hohe Phosphat-Last anarbeiten, was die feinen Filterstrukturen überlastet. Tierversuche zeigen: Eine phosphatreiche Ernährung führt innerhalb weniger Monate zu messbaren Nierenschäden. Beim Menschen dauert dieser Prozess Jahre bis Jahrzehnte, das Endergebnis ist aber ähnlich – eine chronische Niereninsuffizienz [28].
Wechselwirkungen mit anderen Nährstoffen
Phosphor und Calcium stehen in ständiger Wechselwirkung. Ein optimales Verhältnis von Calcium zu Phosphor in der Nahrung liegt bei etwa 1,3:1. Die moderne Ernährung liefert jedoch oft doppelt so viel Phosphor wie Calcium – ein Ungleichgewicht mit Folgen. Der Körper reagiert darauf mit einer verstärkten Ausschüttung von Parathormon, das Calcium aus den Knochen mobilisiert. Langfristig führt dies zu Knochenschwund [29].
| Nährstoff | Wechselwirkung mit Phosphor | Praktische Bedeutung |
|---|---|---|
| Calcium | Konkurrenz um Absorption, gemeinsame hormonelle Regulation | Verhältnis Ca:P sollte 1,3:1 betragen |
| Vitamin D | Steigert Phosphat-Aufnahme um bis zu 90% | Bei Vitamin-D-Mangel sinkt auch Phosphat-Absorption |
| Magnesium | Hohe Phosphat-Zufuhr erhöht Magnesium-Bedarf | Mg-Mangel bei phosphatreicher Ernährung häufiger |
| Eisen | Phosphate bilden unlösliche Komplexe mit Eisen | Phosphatreiche Mahlzeiten hemmen Eisen-Aufnahme |
| Zink | Phytate binden Zink, reduzieren Bioverfügbarkeit | Vegetarier haben höheren Zink-Bedarf |
Vitamin D verstärkt die Phosphat-Aufnahme dramatisch. Menschen mit Vitamin-D-Mangel nehmen nur etwa 60 Prozent des Nahrungsphosphats auf, bei guter Vitamin-D-Versorgung steigt dieser Wert auf über 90 Prozent. Diese Verbindung erklärt, warum Vitamin-D-Supplementierung manchmal zu erhöhten Phosphat-Werten führt – besonders wenn gleichzeitig viel Phosphat über die Nahrung zugeführt wird [30].
Magnesium und Phosphat beeinflussen sich ebenfalls gegenseitig. Hohe Phosphat-Spiegel fördern die Magnesium-Ausscheidung über die Nieren. Gleichzeitig braucht der Körper Magnesium für den Phosphat-Stoffwechsel – viele Enzyme der Energiegewinnung benötigen beide Mineralstoffe. Eine phosphatreiche Ernährung kann daher einen relativen Magnesium-Mangel verursachen, selbst wenn die absolute Magnesium-Zufuhr ausreicht [31].
Empfehlungen und praktische Aspekte
Die richtige Phosphor-Versorgung erfordert heute mehr Aufmerksamkeit als früher. Während unsere Großeltern sich kaum Gedanken über ihre Phosphat-Aufnahme machen mussten, konfrontiert uns die moderne Lebensmittelproduktion mit einer Flut versteckter Phosphate. Die offiziellen Empfehlungen stammen aus einer Zeit, als Phosphor-Mangel das Hauptproblem war – heute müssen wir umdenken. Eine bewusste Lebensmittelauswahl wird immer wichtiger, um die Balance zwischen ausreichender Versorgung und schädlichem Überschuss zu halten. Die folgenden Empfehlungen basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und berücksichtigen die veränderten Ernährungsgewohnheiten unserer Zeit.
Offizielle Zufuhrempfehlungen
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Erwachsene eine tägliche Phosphor-Zufuhr von 700 mg. Diese Empfehlung gilt seit Jahrzehnten unverändert, obwohl sich unsere Ernährungsgewohnheiten grundlegend gewandelt haben. Kinder und Jugendliche im Wachstum brauchen mehr: 500 mg im Kleinkindalter, bis zu 1250 mg in der Pubertät. Schwangere und Stillende haben mit 800 bis 900 mg einen leicht erhöhten Bedarf [32].
Kritisch betrachtet erscheinen diese Empfehlungen heute fragwürdig. Sie basieren auf Studien zur Vermeidung von Mangelerscheinungen, nicht auf der Prävention von Überschuss-Problemen. Die tatsächliche Phosphor-Aufnahme liegt in Deutschland bei durchschnittlich 1400 mg täglich – doppelt so viel wie empfohlen. Männer nehmen durch ihre höhere Nahrungsmenge oft über 1600 mg auf, Jugendliche mit hohem Fast-Food-Konsum erreichen teilweise 2000 mg und mehr [33].
| Altersgruppe | DGE-Empfehlung (mg/Tag) | Tatsächliche Aufnahme (mg/Tag) | Tolerierbare Obergrenze (mg/Tag) |
|---|---|---|---|
| Säuglinge (0-12 Monate) | 120-330 | 150-400 | nicht definiert |
| Kinder (1-9 Jahre) | 500-800 | 900-1200 | 3000 |
| Jugendliche (10-18 Jahre) | 1250 | 1400-2000 | 4000 |
| Erwachsene (19-65 Jahre) | 700 | 1200-1600 | 4000 |
| Senioren (über 65 Jahre) | 700 | 1000-1400 | 3000 |
| Schwangere | 800 | 1300-1500 | 3500 |
| Stillende | 900 | 1400-1600 | 4000 |



