Vitamin A spielt eine entscheidende Rolle in verschiedenen lebenswichtigen biologischen Prozessen im menschlichen Körper. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über diesen essentiellen Mikronährstoff. Dabei wird die Bedeutung von Vitamin A für die menschliche Gesundheit beleuchtet, Lebensmittelquellen mit hohem Vitamin A-Gehalt werden aufgezeigt, und die Frage nach einer möglichen Nahrungsergänzung wird ausführlich erörtert. Alle Informationen basieren auf dem aktuellen Forschungsstand und berücksichtigen sowohl internationale Studien als auch Bewertungen der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit.
Vitamin A wird nicht nur in der Ernährung, sondern auch in der Kosmetikindustrie verwendet, insbesondere in Hautpflegeprodukten. Trotz dieser breiten Verwendung konzentriert sich dieser Artikel schwerpunktmäßig auf die ernährungsbezogene Bedeutung von Vitamin A und lässt des Aspekt der äußeren Anwendung außer Acht.
Was ist eigentlich Vitamin A?
Vitamin A ist eine Sammelbezeichnung für alle fettlöslichen Verbindungen, die im Organismus die biologische Aktivität von Retinol entfalten. Häufig wird Retinol daher mit Vitamin A gleichgesetzt, dabei handelt es sich streng genommen nur um eine Unterform, nämlich Vitamin A1. Weitere natürlich vorkommende Formen von Vitamin A sind Retinal und Retinsäure. Alle drei Formen können im Körper ineinander umgewandelt werden, sodass eine Abgrenzung praktisch unnötig ist und alle gemeinsam als Vitamin A zusammengefasst werden können. Zusätzlich zu diesen natürlichen Verbindungen gibt es auch synthetische Formen von Vitamin A, die zwar natürlicherweise nicht in unserer Ernährung vorkommen, im Körper aber dieselbe Wirkung entfalten. Sie können kostengünstig in großen Mengen hergestellt werden und kommen zumeist in der Kosmetikindustrie, bei Nahrungsergänzungsmitteln oder in der Futtermittelindustrie zum Einsatz. Im Körper können auch sie in Retinol umgewandelt werden, sodass auch sie unter die Sammelbezeichnung „Vitamin A“ fallen.
Vitamin A ist ein essentieller Nährstoff für alle Wirbeltiere und muss daher auch von Menschen zwingend mit der Nahrung aufgenommen werden. Dabei ist nicht nur die Aufnahme von Vitamin A selbst wichtig, das ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vorkommt, sondern auch die Aufnahme von Provitamin A, welches in großer Menge in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt. Das Provitamin wird im Körper in Retinol umgewandelt und kann dann so in dieser Form in alle Zellen des Körpers transportiert werden und hier seine spezifische Wirkung auf den Organismus entfalten. In Form von Retinylester kann das fettlösliche Vitamin A vor allen Dingen in der Leber, aber auch in anderen Organen gespeichert werden. Bei einem gesunden Erwachsenen finden sich pro Gramm Leber zwischen 100 und 300 µg Retinylester. Dieser große Speicher kann den Körper eine Zeit lang vor einer Unterversorgung schützen, wobei dieser Mechanismus die Bedeutung von Vitamin A für einen gesunden Organismus unterstreicht.
Wofür benötigt der Körper Vitamin A?
Vitamin A erfüllt im Körper zahlreiche wichtige Funktionen und ist für einen normalen Stoffwechsel und unsere Gesundheit unentbehrlich. Trotz intensiver Forschungsarbeit sind bis heute zwar noch immer nicht alle Feinheiten in den empfindlich abgestimmten Interaktionen dieses wichtigen Vitamins vollständig verstanden, dennoch können die wichtigsten Aspekte der Funktionen von Vitamin A unter folgenden Punkten dargestellt werden.
Zellwachstum und Genregulation
Bereits in der Embryonalentwicklung ist Vitamin A ein essentieller Faktor für das Wachstum und die Differenzierung von Zellen. Dabei reguliert es nicht nur die Teilungsrate, sondern erfüllt vor allen Dingen auch eine wichtige Rolle bei der Ausrichtung der Längsachse des entstehenden Körpers, der Bildung von Armen und Beinen sowie der Strukturierung des zentralen Nervensystems. Für eine gesunde Embryonalentwicklung ist eine optimale Versorgung mit Vitamin A daher von großer Bedeutung. Auch nach der Geburt benötigen Kinder und Heranwachsende für ein gesundes Wachstum, insbesondere das Wachstum der Knochen, eine ausreichende Versorgung mit Vitamin A. Tatsächlich ist ihr Bedarf daher etwas großer als der von Erwachsenen. Darauf wird weiter unten in diesem Artikel genauer eingegangen.
Das Wachstum und die Teilung von Zellen sind aber nicht allein während der embryonalen Entwicklung oder der Kindheit von Relevanz, sondern finden kontinuierlich in jedem lebenden Organismus statt. Tatsächlich besteht der menschliche Körper Schätzungen zufolge aus etwa 75 Billionen Zellen, die sich in ihrer Vielfalt und Spezialisierung unterscheiden. Die meisten von ihnen müssen in regelmäßigen Abständen erneuert werden, damit die jeweiligen Organe, Strukturen oder Systeme ihre Funktion aufrecht halten können. So entstehen und differenzieren sich jeden Tag zahlreiche Zellen, um geschädigte oder veraltete Zellen zu ersetzen. Auf diese Weise werden zum Beispiel rote Blutkörperchen (Erythrozyten) fortlaufend im Knochenmark erneuert, da die einzelne Zelle nur eine Lebensdauer von etwa 120 Tage hat und dann ersetzt werden muss. Ein weiteres Beispiel findet sich bei den Zellen der Lunge, die ständig potentiell schädlichen Umweltfaktoren ausgesetzt sind. Die regelmäßige Erneuerung der Lungenepithelzellen ist daher von entscheidender Bedeutung, um das gesamte Organ vor schädlichen Einflüssen von außen zu schützen und auch chronische Atemwegserkrankungen zu vermeiden.
Regulation von Genen
Vitamin A spielt im Zusammenhang mit dem Zellwachstum eine wichtige Rolle bei der Regulation von Genen. Diese Wirkung entfaltet sich durch die Wechselwirkung mit sogenannten Kernrezeptoren, die durch Vitamin A aktiviert werden und die Expression definierter Zielgenen direkt beeinflussen. Auf diese Weise können bestimmte Gene ein- und ausgeschaltet werden. Diese regulatorische Funktion erstreckt sich über verschiedene Gewebe und Organe, wobei Vitamin A entscheidend dazu beiträgt, die normale Gewebestruktur aufrechtzuerhalten und die spezifischen Funktionen der verschiedenen Zelltypen zu gewährleisten. Des Weiteren beeinflusst Vitamin A den Zellzyklus, indem es auf Proteine einwirkt, die an der Kontrolle der Zellteilung beteiligt sind. So trägt Vitamin A dazu bei, unkontrollierte Zellteilungen zu verhindern und leistet dabei einen entscheidenden Beitrag in der natürlichen Abwehr gegen Tumorbildung. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung von Vitamin A in der Krebsforschung. Tatsächlich gibt es zahlreiche Studien, die vielversprechenden Effekte von Vitamin A zum Beispiel bei der Behandlung bestimmter Leukämieformen zeigen, sodass die Ausbreitung und Entwicklung von Krebszellen gehemmt wird. Hier ist allerdings noch weitere Forschung nötig, um die Details der Wechselspiele besser zu verstehen und therapeutisch nutzen zu können.
Insgesamt zeigt sich, dass Vitamin A einen umfassenden Einfluss auf die Genregulation hat, der für viele physiologische Funktionen von großer Bedeutung ist. Diese Funktionen erstrecken sich über Zellteilung, Gewebeentwicklung, Geweberegeneration und sogar die Regulation von Energiehaushalt und Entzündungsprozessen. Praktisch zeigt sich dies zum Beispiel an der stetigen Stabilisierung der Knochen, der Erneuerung von Blut, Haut, Schleimhäuten und anderen Geweben. Dadurch sorgt Vitamin A unter anderem dafür, dass die Hautbarriere gesund bleibt, Wunden schneller verschlossen werden und Organe möglichst lange funktionieren. Die Rolle von Vitamin A in diesen Prozessen veranschaulicht seine grundlegende Bedeutung für den Organismus und erklärt auch die Notwendigkeit einer effizienten Speicherung, um Unterversorgungen entgegenzuwirken. [1]
Sehkraft
Vitamin A ist essentiell für die Funktion unseres Auges, denn es ist ein wesentlicher Bestandteil des lichtempfindlichen Proteins Rhodopsin, das in den Stäbchen der menschlichen Netzhaut eingelagert wird. Diese spezifischen Lichtsinneszellen sind für das Hell-Dunkel-Sehen verantwortlich und ermöglichen somit die Wahrnehmung von Graustufen. Durch das enthaltene Rhodopsin reagieren die Zellen bereits auf kleinste Lichteinstrahlungen, sodass auch bei wenig Licht eine passable Sicht möglich ist. Im Gegensatz dazu sind die Zapfen, der andere Typus von Lichtsinneszellen in der Netzhaut, für das Sehen von Farben verantwortlich und benötigen deutlich mehr Licht, um überhaupt aktiviert zu werden. Dies ist auch der Grund, warum wir bei Dämmerung durchaus Gegenstände erkennen, aber keine Farben. Durch die Einwirkung von Licht ändert Rhodopsin seine Form und löst damit ein Signal aus, dass über den Sehnerv direkt an das Gehirn weitergeleitet wird.
Durch einen effizienten Recyclingprozess kann ein einzelnes Rhodopsin zwar mehrfach verwendet werden, dennoch nutzt es sich ab, weswegen kontinuierlich neues Rhodopsin in der Netzhaut gebildet werden muss. Dafür wird zwingend Vitamin A als Baustein benötigt. Kann aufgrund einer Unterversorgung mit Vitamin A nicht ausreichend neues Rhodopsin gebildet werden, müssen die Stäbchen mit einer geringeren Menge des lichtempfindlichen Proteins zurechtkommen. Bei weniger Rhodopsin in der Sinneszelle ist somit mehr Licht erforderlich, um die Zelle zu aktivieren und ein Signal an das Gehirn weiterzuleiten. Das bedeutet, dass die Sicht bei schlechten Lichtverhältnissen schlechter wird. Im praktischen Leben bedeutet das Nachtblindheit. Im Gegensatz zu einer angeborenen Nachtblindheit ist diese erworbene Form reversibel, wenn wieder genügend Rhodopsin bzw. das dafür notwendige Vitamin A zur Verfügung steht. Es kann, je nach Ausprägung, allerdings mehrere Wochen dauern, bis das Dämmerungssehen wieder auf einem vollkommen gesunden Niveau ist. [1]
Immunsystem
Das Immunsystem ist ein hochkomplexes Netzwerk aus Zellen, Geweben und Molekülen, dessen Hauptaufgabe darin besteht, den Körper vor schädlichen Mikroorganismen, wie Bakterien, Viren und Parasiten, zu schützen. Vitamin A spielt eine wichtige Rolle in der Regulation unseres Immunsystems und wird sowohl bei der zellulären Immunantwort als auch bei der Antikörper-abhängigen Immunantwort benötigt.
Bei der zellulären Immunantwort erkennen und bekämpfen spezialisierte Zellen, wie etwa T-Zellen und natürliche Killerzellen, direkt infizierte oder abnormal veränderte Zellen. Vitamin A spielt hierbei eine entscheidende Rolle, indem es die Teilung und Differenzierung regulatorischer T-Zellen unterstützt. Diese regulatorischen T-Zellen sind essenziell, um eine angemessene Reaktion des Immunsystems sicherzustellen und gleichzeitig Autoimmunreaktionen, also das fälschliche Angreifen körpereigener Zellen, zu verhindern. Durch die Interaktion mit anderen Immunzellen und die Modulation von entzündlichen Reaktionen trägt Vitamin A dazu bei, das Gleichgewicht im Immunsystem aufrechtzuerhalten.
Bei der Antikörper-abhängigen Immunantwort werden hingegen Antikörper produziert, die spezifisch an schädliche Mikroorganismen binden und sie markieren, damit sie anschließend von anderen Immunzellen zerstört werden können. Vitamin A beeinflusst diese Antwort, indem es das Wachstum von B-Lymphozyten fördert, die für die Produktion der Antikörper verantwortlich sind.
Darüber hinaus beeinflusst Vitamin A die Regulation von entzündlichen Reaktionen und die Ruhephasen von Stammzellen des Blutes (hämatopoetischen Stammzellen), was entscheidend für die langfristige Funktionalität des Immunsystems ist. Ein ausgewogenes Vorhandensein von Vitamin A ist daher essenziell, um eine effektive und ausgewogene Immunantwort zu gewährleisten und die Abwehrmechanismen des Körpers in optimaler Weise zu unterstützen. [1]
In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2018 erläutern chinesische Forscher die Anwendung von Vitamin A in der Behandlung von Infektionskrankheiten. Mit Blick auf Tuberkulose zeigt sich zum Beispiel, dass Personen mit gesundem Immunsystem signifikant höhere Vitamin-A-Serumspiegel aufweisen als Tuberkulosepatienten. Studien legen nahe, dass ein Mangel an Vitamin A dosisabhängig mit dem Auftreten von Tuberkulose korreliert. Tatsächlich konnten In-vitro-Studien, also Untersuchungen in der Petrischale, zeigen, dass Vitamin A das Wachstum von Mycobacterium tuberculosis hemmt und die Überlebensrate des Erregers deutlich reduziert. Gleichzeitig scheint Vitamin A die Wirksamkeit herkömmlicher Medikamente gegen Tuberkulose zu verbessern. Trotz dieser vielversprechenden Daten sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die positiven Effekte von Vitamin A auf die Tuberkulosetherapie zu klären. Auch bei Kinderkrankheiten sieht die Forschung einen interessanten Bezug zu Vitamin A. Mikronährstoffmangel, insbesondere ein Mangel an Vitamin A, zeigt enge Verbindungen zu Infektionskrankheiten im Atem- und Verdauungssystem von Kindern. Eine Supplementierung von Vitamin A zeigt therapeutische Wirkungen bei Atemwegserkrankungen wie Lungenentzündung und Masern sowie bei Verdauungskrankheiten wie Säuglingsdurchfall und Hand-Fuß-Mund-Krankheit. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt daher in weniger entwickelten Ländern eine hochdosierte Vitamin-A-Supplementierung für Kinder zwischen 6 Monaten und 5 Jahren, um die Inzidenz sowie Mortalität dieser Krankheiten zu reduzieren. [2]
Was passiert bei einem Mangel an Vitamin A?
Ein Mangel an Vitamin A ist weltweit die häufigste Form eines Nährstoffmangels. Dabei sind vor allen Dingen Entwicklungsländer in Südasien, Afrika und Teilen Lateinamerikas von einem Mangel betroffen. Hier zeigen sich schon bei Kindern extrem niedrige Serumspiegel, die schon frühzeitig zu Folgeerkrankungen führen. Tatsächlich ist ein Mangel an Vitamin A in diesen betroffenen Regionen die häufigste Ursache für Erblindung. Im Jahr 1995 veröffentlichte die WHO ein umfassendes Papier zu dieser Thematik, woraufhin globale Bemühungen der Verbesserung dieses Zustandes in Gang gesetzt wurden. Hierzu gehörte eine breit aufgestellt Aufklärung und Zugang zu wichtigen Supplementen mit Vitamin A in den Risikogebieten. Hier läuft bis heute eine Vielzahl unterschiedlicher Hilfsangebote und Programme, doch noch immer ist Vitamin-A-Mangel in einigen Regionen ein enormes Problem der öffentlichen Gesundheit. Das Kernproblem ist bis heute eine Mangelernährung. So fehlt es in diesen Regionen sehr oft an Vielfalt der Lebensmittel. Stattdessen wird zum Beispiel Mais, Couscous oder Hirse als Hauptnahrungsmittel verzehrt, was weder Vitamin A noch Beta-Carotin (Provitamin A) enthält.
In den Industriestaaten zeigt sich ein vollkommen anderes Bild. Ein ernährungsbedingter Mangel an Vitamin A ist hier aufgrund des breiten und übermäßigen Nahrungsangebotes eher selten und findet sich dann eher bei Menschen mit extrem einseitiger Ernährung oder Essstörungen. Tatsächlich sind es hierzulande eher krankheitsbedingte Malabsorptionen, also Störungen in der Aufnahme von Vitamin A, als Nahrungsdefizite, die zu einer Unterversorgung mit Vitamin A führen können. Zusätzlich können bei Erkrankungen der Leber Probleme mit der Speicherung von Vitamin A auftreten, weswegen ein Vitamin-A-Mangel eine sehr häufige Begleiterscheinung bei Alkoholikern ist. Auf die jeweiligen Risikogruppen für eine ernährungsunabhängige Form der Unterversorgung mit Vitamin A wird weiter unten im Detail eingegangen, wenn es um die Frage geht, welche Personengruppen von einer Supplementierung profitieren könnten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in der Leber gespeichertes Vitamin A den Körper für mehrere Monate versorgen kann, sodass ein tatsächlicher (symptomatischer) Mangel nur bei langfristigen Versorgungsengpässen entsteht. Dennoch können auch bei einer chronischen leichten Unterversorgung Beeinträchtigungen festgestellt werden.
Charakteristisch für eine Unterversorgung mit Vitamin A sind Auswirkungen auf die Sehkraft. Sie entsteht, weil der Körper nicht mehr ausreichende Mengen Rhodopsin bilden kann. So treten bereits früh Störungen im Dämmerungssehen (Nachtblindheit) auf. Bei einem fortschreitenden Mangel können schließlich zusätzlich als Folge einer beeinträchtigten Zellproliferation irreversible Schäden der Hornhaut des Auges entstehen, die die Sehschärfe stark mindern und bis zur Erblindung führen können.
Etwas allgemeiner und deswegen mitunter schwieriger zu deuten sind Symptome der Haut und der Schleimhäute. So zeigt sich bei einer Unterversorgung mit Vitamin A eine trockene und schuppige Haut sowie Wundheilungsstörungen. Auch Schleimhäute (z. B. im Mund) werden trockener und dadurch anfällig für Infektionen, weswegen auch Zahnfleischentzündungen ein typisches Symptom bei einem Vitamin-A-Mangel ist. Diese Störungen entstehen unter anderem durch eine Beeinträchtigung der Zellteilung und des Zellwachstums, da der Körper an dieser Stelle als erstes auf eine vollumfängliche Funktion verzichten kann. Bei einem fortschreitenden Mangel werden auch andere Organe und das Immunsystem betroffen, wodurch es zu einer erhöhten Infektanfälligkeit (insbesondere der Atemwege und des Magen-Darm-Traktes) kommt. Störungen in der Blutbildung führen außerdem zu einer Blutarmut und damit zu einem sekundären Eisenmangel, der seinerseits anhaltende Müdigkeit, Konzentrationsstörungen oder Schwindel verursacht.
Insbesondere in der Schwangerschaft und Stillzeit ist Vitamin A wichtig für eine gesunde Entwicklung des Kindes. Ein Mangel an Vitamin A während der Schwangerschaft kann schwerwiegende Auswirkungen auf den Fötus haben und durch eine veränderte Zelldifferenzierung Fehlbildungen unterschiedlichster Art begünstigen (z. B. der Gliedmaßen) oder Störungen in der Entwicklung des Immunsystems verursachen. Insbesondere wird Vitamin-A-Mangel als eine mögliche Ursache für Wachstumsrestriktion des Fötus und das spätere Risiko von Insulinresistenz und Glukoseintoleranz im Erwachsenenalter betrachtet. [3]
Wie wird Vitamin A aufgenommen?
Vitamin A durchläuft im Körper einen komplexen Weg, der mit der Resorption im oberen Dünndarm beginnt. Da Vitamin A fettlöslich ist, ist dieser Prozess eng mit der Fettverdauung verbunden und erfordert die Anwesenheit von Nahrungsfetten, Gallensäuren und Verdauungsenzymen. Das Vitamin wird natürlicherweise entweder in Form von Provitaminen aus pflanzlichen Lebensmitteln oder als Fettsäureester aus tierischen Produkten aufgenommen. Nach der Spaltung im Darm gelangt das freiwerdende Retinol in die Darmschleimhautzellen und wird dort verestert. Durch diesen chemischen Prozess wird das Retinol stabilisiert und kann besser transportiert und eingelagert werden.
Über das Pfortadersystem gelangt Vitamin A zunächst zur Leber, wo die Retinylester gespeichert und bei Bedarf freigesetzt werden können. Von dort erfolgt bedarfsorientiert der Transport im Körper über das Blut, indem es an verschiedene lipophile Transportproteine bindet. So gelangt Vitamin A schließlich in die Zielregionen (z. B. Netzhaut oder Lunge), wo es aktiv von den Zellen aufgenommen wird. Im Stoffwechsel der Zellen unterliegt das Vitamin verschiedenen Umwandlungen, darunter unter anderem die Umsetzung zu Retinsäure, eine aktive Form von Vitamin A, die mit Rezeptoren im Zellkern interagiert.
Vitamin A in natürlichen Nahrungsmitteln
Wie bereits beschrieben kommt Vitamin A in unterschiedlichen Formen in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor. Dabei findet sich das „fertige“ Vitamin ausschließlich in tierischen Lebensmitteln. Insbesondere die Leber weist einen hohen Gehalt an Vitamin A auf, da es hier auch bei Tieren gespeichert wird. Ebenso findet sich Vitamin A in geringeren Mengen in den unterschiedlichen Fleisch- und Wurstwaren. Auch Milch, Milchprodukten und Eier beinhalten Vitamin A. Insgesamt hängt die Menge des enthaltenen Vitamin A in tierischen Lebensmitteln direkt davon ab, wie gut die Tiere mit Vitamin-A-haltigem Futter versorgt wurden. In der Massentierhaltung wird aus diesem Grunde Futtermittel verwendet, dass mit Vitamin A angereichert wird. Allerdings gibt es inzwischen strengere Richtwerte, die die Zufütterung von Vitamin A in der Nutztierhaltung beschränken. Geringe Mengen Vitamin A finden sich außerdem in Fisch, wobei insbesondere in fettreichem Fisch (z. B. Thunfisch oder Aal) der Gehalt höher ist.
Unser Stoffwechsel ist jedoch nicht allein auf tierisches Vitamin A angewiesen, denn es kann pflanzliche Carotinoide in Vitamin A umwandeln. Aus diesem Grunde werden diese sekundären Pflanzenstoffe auch als Provitamine-A bezeichnet. Carotinoide sind pflanzliche Farbstoffe, die in einer Vielzahl von Obst und Gemüse vorkommen und diesen ihre charakteristischen Gelb-, Orange- oder Rotfärbung verleihen. In der Natur dienen sie den Pflanzen als UV-Schutz. Der prominenteste Vertreter der Carotinoide ist das Beta-Carotin, das in vergleichsweise großen Mengen in Karotten, Süßkartoffeln oder Kürbis vorkommt. Tatsächlich ist es aber ratsam, bei der Auswahl von Gemüsesorten für eine optimale Versorgung mit Vitamin A auf eine bunte Vielfalt zu setzen, denn verschiedenfarbiges Gemüse enthält eine breite Palette unterschiedlicher Carotinoide. So finden sich wertvolle Carotinoide in grünem Blattgemüse wie Spinat oder Grünkohl oder in orangefarbenes Gemüse wie Karotten, Paprika oder Tomaten. Der Verzehr von Gemüse in verschiedenen Farben gewährleistet somit eine breite Palette an Nährstoffen und fördert eine ausgewogene Vitamin-A-Versorgung, die in der Regel dann auch für vegetarisch oder vegan lebende Menschen hierzulande gut gewährleistet ist.
Zufuhrempfehlung
Bei der Berechnung der notwendigen Menge von Vitamin A für den Körper ist es von entscheidender Bedeutung, in welcher Form das Vitamin aufgenommen wird. So muss zum Beispiel beachtet werden, dass der Umsatz von Beta-Carotin zu Vitamin A nicht im Verhältnis 1:1 erfolgt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) schätzt, dass zwischen 6 und 12 mg Provitamin A nötig sind, um 1 mg Vitamin A zu erzeugen. Daher wird der Referenzwert für Vitamin A in sogenannten Retinolaktivitätsäquivalenten (RAE) angegeben, um die unterschiedliche Aufnahme und Umwandlung der verschiedenen Vitamin-A-Verbindungen im Körper präzise zu berücksichtigen. Das RAE ermöglicht eine genaue Bewertung der Bioverfügbarkeit und Umwandlungsraten der Provitamin-A-Carotinoide in aktives Vitamin A und ist wichtig für die Vergleichbarkeit verschiedener Lebensmittel hinsichtlich ihrer Vitamin-A-Gehalte. Entsprechend empfiehlt die DGE für Erwachsene eine tägliche Vitamin A Zufuhr von o,7 mg RAE für Frauen bzw. 0,85 mg RAE für Männer. Aufgrund der wichtigen Rolle von Vitamin A bei der Embryonalentwicklung und dem kindlichen Wachstum wird der Bedarf an Vitamin A von den Experten der DGE während der Schwangerschaft und der Stillzeit höher angesetzt. So liegt der Referenzwert für Schwangere bei täglich 0,8 mg RAE und für Stillende bei täglich 1,3 mg RAE. Für Säuglinge bis zu 4 Monaten ist ein Schätzwert von 0,5 mg RAE pro Tag angenommen. In den folgenden 4 Jahren liegt er zwischen 0,3 und 0,4 mg RAE pro Tag. Die empfohlene Zufuhr für Kinder bis unter 13 Jahre liegt zwischen 0,35 und 0,6 mg, bei Jugendlichen bis 18 Jahren bei 0,7-0,95 mg RAE pro Tag. [4]
Versorgungslage in Deutschland
Für eine präzise Beurteilung der tatsächlichen Mikronährstoffversorgung der deutschen Bevölkerung werden in regelmäßigen Abständen repräsentative Umfragen durchgeführt, bei denen zufällig ausgewählte Personen aller Altersgruppen zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt werden. Diese nationalen Ernährungsstudien, auch als Nationale Verzehrsstudien bekannt, bieten die Möglichkeit, umfassende Informationen über die Ernährungsmuster der Bevölkerung zu erfassen. Durch die Analyse dieser Daten lässt sich ein besseres Verständnis für den Nährstoffbedarf gewinnen und potenzielle Defizite oder Überschüsse identifizieren. Zudem dienen diese Erhebungen als Grundlage für die Festlegung von Richtwerten, beispielsweise für die Zufuhr von Nahrungsergänzungsmitteln, um eine ausgewogene und angemessene Mikronährstoffversorgung sicherzustellen.
Laut der Nationalen Verzehrsstudie II aus dem Jahr 2008 liegt die durchschnittliche Aufnahme von Vitamin A hierzulande deutlich über dem empfohlenen Referenzwert. So nehmen erwachsene Frauen je nach Altersstufe im Durchschnitt täglich zwischen 175 und 210 Prozent der Referenzmenge von Vitamin A über die natürliche Nahrung auf. Bei Männern liegt die Versorgung im Durchschnitt nur minimal niedriger und liegt im Mittel bei 175 % der Referenzmenge. Dennoch erreichen 15 % der Männer und 10% der Frauen die empfohlene Tagesmenge an Vitamin A nicht über ihre natürliche Ernährung. Dabei war vor allen Dingen die unterste Alterstufe (bis 18 Jahre) betroffen, wobei anzumerken ist, dass in diesem Alter auch der Bedarf etwas höher liegt. Zum aktuellen Zeitpunkt läuft eine erneute Datenerhebung, die Nationale Verzehrsstudie III. Sie wird im Jahr 2025 abgeschlossen sein und erlaubt dann einen aktualisierten Blick auf die Entwicklung der Versorgungslage. Dennoch ist davon auszugehen, dass sich die Situation für Vitamin A wenig geändert hat. So kann auch heute davon ausgegangen werden, dass der absolute Großteil der Bevölkerung in Deutschland eher zu viel als zu wenig Vitamin A mit der Nahrung aufnimmt. [5]
Vitamin A in Supplements
Vitamin A ist in verschiedenen Formen in Nahrungsergänzungsmitteln erhältlich, wobei Retinol und Beta-Carotin am häufigsten vorkommen. Zusätzlich sind innerhalb der EU Retinylacetat und Retinylpalmitat in Nahrungsergänzungsmitteln zugelassen. Die Darreichungsformen von Vitamin A in Supplements sind vielseitig, sodass auf dem Markt Pillen, Kapseln oder Tropfen angeboten werden. Dabei bieten einzig Tropfen die Möglichkeit einer individuellen Dosierung, während sie bei den anderen Darreichungsformen bereits vorgegeben ist. Tatsächlich schwanken die Dosierungen der auf dem Markt erhältlichen Produkte für reine Vitamin-A-Präparate erheblich, sodass Produkte zu finden sind, die zwischen 0,5 und 3 mg Vitamin A pro Tag vorsehen. Dabei werden Tagesmengen ab 1 mg offensiv als „hochdosiert“ beworben, ohne darauf einzugehen, dass ein Überschuss an Vitamin A deutlich negative Folgen haben kann (darauf wird weiter unten im Detail eingegangen). Im Gegenteil wird diese Wortwahl gezielt eingesetzt, um ein Produkt zu bewerben, dass „besonders gut wirkt“. Doch die Ansicht „viel hilft viel“ gilt grundsätzlich nicht für Nahrungsergänzungsmittel und erst recht nicht für Vitamin A. Ein solches Präparat allein würde, ohne jegliche Nahrungsaufnahme, die empfohlene Tagesmenge teilweise sogar um ein Vielfaches überschreiten.
Erschwerend für Verbraucher ist oftmals die Angabe der enthaltenen Menge, denn häufig wird sie nicht in mg oder µg RAE, sondern in IE (internationale Einheiten; manchmal auch IU für international units) angegeben. Zusätzlich muss dann auch hier die Form des enthaltenen Vitamin A differenziert betrachtet werden. So ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, wie viel Vitamin A tatsächlich in einem Supplement enthalten ist. Für die Umrechnung gilt:
- 1 mg Retinol entspricht 1 mg RAE entspricht 3333 IE
- 6 mg Beta Carotin entspricht 1 mg RAE entspricht 3333 IE
- 1,147 mg Retinylacetat entspricht 1 mg RAE entspricht 3333 IE
- 1,833 mg Retinylpalmitat entspricht 1 mg RAE entspricht 3333 IE
Auf dieser Grundlage beträgt der oben vorgestellte geschätzte Tagesbedarf von 0,7 mg RAE für Frauen und 0,85 mg für Männer 2333 bzw. 2833 IE Vitamin A. Ohne an dieser Stelle schon auf die Gefahr von akuten und chronischen Überdosierungen von Vitamin A einzugehen, ist zumindest davon auszugehen, dass aufgenommene Mengen über diesen Bedarf hinaus keinen gesundheitlichen Vorteil bringen.
Zusätzlich zu Monopräparaten werden zahlreiche Kombipräparate angeboten, die neben Vitamin A weitere Mikronährstoffe enthalten. Die Zusammensetzung hängt davon ab, für welchen Zweck ein solches Produkt konzipiert ist. So werden Multipräparate für Schwangere angeboten, die ein breites Spektrum an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen beinhalten oder spezifische Supplements z. B. für die Augen oder die Haut, die weniger breit aufgestellt sind und nur wenige abgestimmte Mikronährstoffe enthalten. In der Regel enthalten diese Kombipräparate geringere Dosierungen von Vitamin A, allerdings besteht gerade bei Kombipräparaten immer die Gefahr, einen Mikronährstoff zu supplementieren, für den faktisch gar keine Unterversorgung vorliegt. Dies ist bestenfalls nutzlos, kann aber auch zu gesundheitlichen Problemen führen.
Beim Kauf von Supplements mit Vitamin A ist es insgesamt wichtig, sorgfältig zu wählen und sich nicht von Schlagworten wie „hochdosiert“ blenden zu lassen. Tatsächlich sollten eher niedrige Dosierungen verwendet werden. Ein übermäßiger Konsum von Vitamin A kann nachteilige Auswirkungen haben. Deshalb sollte eine Einnahme stets kritisch überdacht und gegebenenfalls im Vorfeld von einem Arzt per Blutuntersuchung geprüft werden. Auf die Frage, für welche Personengruppen eine Supplementierung von Vitamin A überhaupt infrage kommt, wird weiter unten detailliert eingegangen.
Werbeversprechen – Health Claims
Health Claims sind Aussagen, die die gesundheitlichen Vorzüge eines Nahrungsergänzungsmittels oder seiner Bestandteile beschreiben und zu Werbezwecken verwendet werden. Ihr Zweck ist es, Verbrauchern Informationen über mögliche positive Auswirkungen auf die Gesundheit zu bieten. In der EU unterliegen Health Claims strengen Richtlinien und müssen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einzeln wissenschaftlich bewertet und ausdrücklich genehmigt werden, bevor sie verwendet werden dürfen. Diese Vorgehensweise soll sicherstellen, dass die gemachten Aussagen auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und verlässlich sind. So sollen Verbraucher in diesem sensiblen Themenfeld vor Falschinformation und irreführender Werbung geschützt werden.
Um eine Zulassung zu erhalten, müssen die Antragsteller, in der Regel die Hersteller entsprechender Produkte, umfangreiche wissenschaftliche Belege in Form öffentlich publizierter Studien vorlegen, die die behaupteten gesundheitlichen Vorteile stützen. Diese Studien werden dann von unabhängigen Wissenschaftlern der EFSA überprüft, um sicherzustellen, dass sie den wissenschaftlichen Standards entsprechen. Dieser gründliche Prüfprozess zielt darauf ab, Verbrauchern eine sichere Grundlage für ihre Entscheidungen zu bieten und sicherzustellen, dass Health Claims keine irreführenden Informationen enthalten. Am Ende des Prozesses müssen Health Claims immer klar und verständlich formuliert sein, um die Verbraucher auf transparente Weise über die potenziellen gesundheitlichen Vorteile der beworbenen Produkte zu informieren.
Im Zeitraum von 2009 bis 2013 hat die EFSA insgesamt drei Mal gesammelte beantrage Health Claims für Vitamin A wissenschaftlich geprüft. Dabei wurden folgende Aussagen als zulässig eingestuft:
- Vitamin A trägt zu einem normalen Eisenstoffwechsel bei
- Vitamin A trägt zur Erhaltung normaler Schleimhäute bei
- Vitamin A trägt zur Erhaltung normaler Haut bei
- Vitamin A trägt zur Erhaltung normaler Sehkraft bei
- Vitamin A trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei
- Vitamin A hat eine Funktion bei der Zellspezialisierung
Insgesamt wurden schließlich fast alle beantragten Health Claims genehmigt. Lediglich in Bezug auf die Erhaltung normaler Haare und Nägel hat die EFSA Gesundheitsversprechen von Vitamin A abgelehnt. Trotz wiederholter Anträge und wissenschaftlicher Bewertungen durch die Experten der EFSA wurde festgestellt, dass die eingereichten wissenschaftlichen Belege nicht ausreichten, um eine nachgewiesene Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen der Aufnahme von Vitamin A und der Erhaltung normaler Haare und Nägel zu belegen. Daher gibt es bis heute keine genehmigten Health Claims für diese spezifischen Aspekte in Verbindung mit Vitamin A in Nahrungsergänzungsmitteln. Entsprechend dürfen solche Aussagen nicht für werbliche Zwecke verwendet werden. [6-8]
Wer könnte von Supplements mit Vitamin A profitieren?
Grundsätzlich benötigt ein gesunder Mensch, der sich ausgewogen ernährt, kein zusätzliches Vitamin A. Wie bereits weiter oben erläutert, ist es vielmehr so, dass die Menschen in Deutschland im Durchschnitt sogar mehr Vitamin A aufnehmen, als sie tatsächlich benötigen. Eine ernährungsbedingte Unterversorgung ist somit eher selten. Dennoch können unterschiedliche Krankheiten oder auch Lebensumstände dazu führen, dass es auch bei einer eigentlich ausreichenden Ernährung zu einer Unterversorgung kommt. Diese ernährungsunabhängigen Risiken sind mitunter tückisch, da die Betreffenden aufgrund ihrer eigentlich vielseitigen Ernährungsweise nicht mit einer Unterversorgung rechnen und mögliche Symptome falsch einschätzen bzw. gar nicht richtig zuordnen.
Dennoch ist es immer wichtig, einen etwaigen Mangel ärztlich bestätigen zu lassen, bevor zu einer (ggf. sogar langfristigen) Supplementierung mit Vitamin A gegriffen wird. Eine Einnahme über den tatsächlichen Bedarf hinaus bringt, wie bei allen Mikronährstoffen, keinen gesundheitlichen Vorteil. Im Gegenteil, dadurch, dass Vitamin A sehr effizient gespeichert werden kann, besteht sogar die Gefahr einer Überversorgung, die deutlich negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Auf die genauen Folgen wird weiter unten noch genauer eingegangen, doch sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, ohne ärztliche Absprache, eine Supplementierung von 0,2 mg Vitamin A pro Tag nicht zu überschreiten. Wie bereits weiter oben erläutert, stellt diese Mengenangabe tatsächlich eine Herausforderung dar, da sehr viele Produkte auf dem Markt diese Tagesdosis mitunter sogar deutlich überschreiten.
So soll verdeutlicht werden, dass erhöhte Achtsamkeit geboten ist, wenn es um Vitamin A geht. In den folgenden Abschnitten sollen nun Personengruppen vorgestellt werden, bei denen aus unterschiedlichen Gründen ein erhöhtes Risiko besteht, dass eine optimale Versorgung mit Vitamin A auch trotz abwechslungsreicher Ernährung nicht gewährleistet ist. Die genannten Risikogruppen sollten auf oben genannte Anzeichen achten, um einschätzen zu können, ob tatsächlich ein Problem vorliegt, dass dann ärztlich abgeklärt werden sollte.
Menschen mit chronischen Lebererkrankungen
In Deutschland wurden allein im Jahr 2022 über 85.000 Menschen aufgrund einer Lebererkrankung stationär in einem Krankenhaus behandelt [9]. Bei ca. 23.000 dieser Patienten lag eine Fibrose oder Zirrhose der Leber vor, die die Endstadien von chronischen Lebererkrankungen darstellen [10]. Eine Fibrose ist durch die Ansammlung von bindegewebigem Narbengewebe in der Leber gekennzeichnet, während eine Zirrhose ein fortgeschrittenes Stadium ist, in dem gesundes Lebergewebe durch Narbengewebe ersetzt wird. Diese Erkrankungen beeinträchtigen die normale Leberfunktion erheblich und können zu schwerwiegenden Komplikationen führen, einschließlich Leberversagen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Ursachen, Symptome und Risikofaktoren für Fibrose und Zirrhose zu verstehen, um Prävention, Früherkennung und wirksame Behandlungsansätze zu fördern. Dabei gilt es auch, die Rolle von Vitamin A in diesem Kontext besser zu verstehen.
Chronische Lebererkrankungen beeinflussen den Vitamin-A-Stoffwechsel im Körper, da die Leber eine zentrale Rolle bei der Aufnahme und Verteilung von Vitamin A spielt. Chronische Erkrankungen in diesem Organ können so zu einem Ungleichgewicht im Vitamin-A-Haushalt führen, was zu einem ernährungsunabhängigen Vitamin-A-Mangel führen kann. Dieses Risiko wird besonders bei Menschen mit Alkoholmissbrauch erhöht, da exzessiver Alkoholkonsum die Leberfunktion schwer beeinträchtigen kann. Doch auch jenseits der Alkoholleber können chronische Lebererkrankungen auftreten. So weisen Wissenschaftler aus den Niederlanden in einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 darauf hin, dass Menschen mit nicht-alkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD), einer Lebererkrankung, die im Zusammenhang mit Fettleibigkeit und Stoffwechselstörungen steht, niedrigere Vitamin-A-Spiegel aufweisen können. Diese Veränderungen könnten zusätzlich in einer Rückkopplungsschleife dazu beitragen, den Krankheitsverlauf von NAFLD zu verschlechtern. Trotz dieser Erkenntnisse gibt es noch viele offene Fragen bezüglich des Vitamin-A-Stoffwechsels bei Lebererkrankungen. [11]
Fest steht allerdings, dass bei einer Beeinträchtigung der Leberfunktion die Fähigkeit zur Lagerung und/oder Freisetzung von Vitamin A mitunter stark beeinträchtigt sein kann und der Bedarf über die normale Nahrung möglicherweise nicht mehr gedeckt wird. Dadurch kommt es zu weiteren Symptomen, die den Gesundheitszustand insgesamt zusätzlich schwächen. Durch eine höhere Dosierung in den Supplements kann es möglich sein, den Vitamin-A-Spiegel anzuheben und so den Bedarf schließlich zu decken. Eine solche Maßnahme sollte allerdings nur in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen, der auch feststellen kann, welche Dosierung im Einzelfall tatsächlich angebracht ist.
Menschen mit chronischen Darmerkrankungen
Chronische Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, sind komplexe Erkrankungen des Verdauungstrakts, die mit stets wiederkehrenden Entzündungen und anderen unangenehmen Symptomen einhergehen. Menschen, die an diesen Erkrankungen leiden, weisen oftmals vielfältige Nährstoffmängel auf, da die grundsätzliche Aufnahme über den Dünndarm je nach Status der Erkrankung massiv gestört sein kann. Einer dieser kritischen Nährstoffe ist Vitamin A, weswegen ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin-A-Mangel bei diesen Patienten festgestellt wurde. Dies könnte durch verschiedene Faktoren wie verringerte Aufnahme, Malabsorption oder vermehrten Verlust im Zusammenhang mit der Erkrankung selbst verursacht werden. Ein so entstandener Mangel kann negative Auswirkungen auf die Funktion des Immunsystems und die Entzündungsprozesse im Darm haben.
Die Frage, ob Vitamin-A-Supplemente für Menschen mit chronischen Darmerkrankungen von Vorteil sind, steht im Fokus der Diskussion einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017. Hier werden unterschiedliche Studien vorgestellt, die zeigen, dass viele Patienten mit chronischen Darmerkrankungen niedrigere Serumkonzentrationen von Vitamin A aufweisen. Die Rolle von Retinsäure ist dabei scheinbar von besonderer Bedeutung. Diese Verbindung unterstützt die Regulation des Immunsystems und trägt zur Erhaltung der Darmgesundheit bei. Tierstudien zeigen, dass Vitamin-A-Mangel zu einer Verschärfung der Entzündung im Darm führen kann, während die Supplementierung Schutz bietet.
Trotz vielversprechender präklinischer Daten sind die Ergebnisse klinischer Studien zur Vitamin-A-Supplementierung bei Patienten mit chronischen Darmerkrankungen nicht eindeutig und teilweise sogar enttäuschend. Die vielfältigen Wirkungen von Vitamin A auf das Immunsystem könnten möglicherweise die begrenzte Wirksamkeit in klinischen Studien erklären. Insgesamt ist die Bedeutung von ausreichendem Vitamin A für die Darmgesundheit von Menschen mit chronischen Darmerkrankungen allerdings unumstritten. Daher könnten entsprechende Supplements, insbesondere bei nachgewiesenem Mangel, eine wichtige Unterstützung darstellen. [13]
Menschen mit (starkem) Übergewicht
Das Problem von Übergewicht ist heutzutage weit verbreitet und geht mit verschiedenen gesundheitlichen Herausforderungen einher. Laut Angaben des Robert Koch Instituts sind in Deutschland etwa 46,6% der Frauen und 60,5% der Männer übergewichtig. Insgesamt 19% der Erwachsenen weisen eine Adipositas, also ein schweres Übergewicht auf. In einem Übersichtsartikel aus dem Jahr 2021 fassen Wissenschaftler aus Brasilien den aktuellen Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Vitamin A und Übergewicht zusammen.
Dabei erläutern sie, dass stark übergewichtige Menschen häufig niedrigere Blutkonzentrationen von Vitamin A aufweisen, was sie als „stille Vitamin-A-Unterversorgung“ bezeichnen. Diese Unterversorgung entsteht dadurch, dass überschüssiges Fettgewebe nicht nur als Energiespeicher dient, sondern auch Vitamin A speichern kann. Dies führt zu einer verringerten Freisetzung von Vitamin A in den Blutkreislauf und zu einer reduzierten Verfügbarkeit dieses essentiellen Nährstoffs für verschiedene physiologische Funktionen. Die Forscher betonen, dass die „stille Vitamin-A-Unterversorgung“ trotz einer scheinbar ausgewogenen Ernährung auftreten kann. Bei starkem Übergewicht kann das gespeicherte Vitamin A in den Fettzellen regelrecht „gefangen“ werden, was zu einem paradoxen Zustand führt: Obwohl der Körper über ausreichende Vitamin-A-Reserven verfügt, steht dieses für lebenswichtige Funktionen nicht zur Verfügung.
Die Situation wird durch eine erhöhte Entzündungsneigung bei Übergewicht weiter verschärft. Entzündliche Prozesse im Fettgewebe können die Konzentrationen von Vitamin A zusätzlich beeinflussen, da dieser Nährstoff bei der Regulation von Entzündungsreaktionen eine wichtige Rolle spielt. Infolgedessen könnte die Unterversorgung mit Vitamin A bei stark übergewichtigen Menschen zu einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen beitragen. Die Auswirkungen reichen von beeinträchtigter Immunfunktion über gestörten Stoffwechsel (z. B. Diabetes) bis hin zu Problemen mit der Sehfunktion. Daher wird die gezielte Supplementierung von Vitamin A bei Menschen mit starkem Übergewicht als vielversprechender Ansatz betrachtet, um die Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit diesem Vitamin zu minimieren und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Es bleibt jedoch wichtig zu betonen, dass die genauen Mechanismen und der optimale Ansatz für eine solche Supplementierung weiterhin Gegenstand intensiver Forschung sind. [12]
Schwangere und Stillende
Die Bedeutung von Vitamin A während Schwangerschaft und Stillzeit ist essenziell, da es nicht nur für die nächtliche Sehfähigkeit der Mutter, sondern auch für die augenärztliche Gesundheit des Fötus und die Entwicklung anderer Organe, des Skelettsystems und des Immunsystems des Fötus unerlässlich ist. Ein Mangel an Vitamin A während dieser Zeit kann zu subklinischen Störungen wie beeinträchtigter Eisenmobilisierung, veränderter Zelldifferenzierung und verminderten Immunreaktionen führen. Klinisch kann dies zu erhöhter Infektionsanfälligkeit, Wachstumsverzögerung, Anämie und Xerophthalmie führen, einer schwerwiegenden Augenkrankheit des Kindes.
Forschungsergebnisse zeigen, dass ein Mangel an Vitamin A während der Schwangerschaft außerdem mit einem erhöhten Risiko für Diabetes beim Kind und mit Schwangerschaftsdiabetes bei der Mutter verbunden ist. Eine ausgewogene Zufuhr ist auch für die normale Entwicklung des Innenohrs wichtig und kann das Risiko von sensorineuralem Hörverlust verringern.
Andererseits wird ein sowohl ein niedriger als auch ein übermäßiger Vitamin-A-Status mit Fehlbildungen, fetalem Wachstumsrückstand und Nierenanomalien in Verbindung gebracht. So ist es wichtig zu betonen, dass nicht nur ein Mangel, sondern auch ein Überschuss an Vitamin A während der Schwangerschaft deutliche Risiken mit sich birgt. Ein Zuviel an Vitamin A kann fruchtschädigende (teratogene) Effekte haben, die von der Art der Malformation abhängen und in verschiedenen Stadien der Schwangerschaft auftreten können. Insbesondere die Einnahme von mehr als 10.000 IE (Internationale Einheiten) Retinol pro Tag (die man problemlos im Handel findet) während der Schwangerschaft wird mit einem erhöhten Risiko für Fehlbildungen in Verbindung gebracht. Daher ist eine sorgfältige Überwachung des Vitamin-A-Status während der Schwangerschaft von entscheidender Bedeutung, um mögliche negative Auswirkungen auf die fetale Entwicklung zu minimieren.
Die Dosierung von Vitamin A Supplements während der Schwangerschaft erfordert daher besondere Aufmerksamkeit. Sie sollte daher immer mit einem Arzt abgesprochen werden. Weitere Forschung ist notwendig, um genaue Empfehlungen für verschiedene Stadien der Schwangerschaft zu entwickeln und die Langzeiteffekte von Vitamin-A-Status auf die Gesundheit von Mutter und Kind zu verstehen. [3]
Ältere Menschen
Ältere Menschen könnten von einer Vitamin-A-Unterversorgung betroffen sein, die durch altersbedingte Veränderungen im Verdauungstrakt, geringere Aufnahme aus Lebensmitteln oder eine eingeschränkte Nahrungsauswahl begünstigt wird. Zudem spielen häufig auftretende Krankheiten und Medikamenteneinnahmen eine Rolle, die den Bedarf oder die Aufnahme von Vitamin A beeinflussen können. Dies unterstreicht die Bedeutung einer individuellen Betrachtung und möglicher Nahrungsergänzungsmittel für ältere Menschen.
In den älteren Bevölkerungsgruppen nimmt die Bedeutung von Vitamin A einen besonderen Stellenwert ein, insbesondere im Kontext von altersbedingter Demenz (z. B. Alzheimer-Krankheit). So ist Vitamin A ein wichtiger Einflussfaktor für die Funktion im menschlichen Hippocampus, einer Struktur im Gehirn, die für das Gedächtnis von elementarer Bedeutung ist.
Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen mit niedrigem Vitamin-A-Spiegel im Blut eher Probleme mit dem Gedächtnis haben. Gleichzeitig deutet eine geringe Menge an Vitamin A im Blut auf erhöhten oxidativen Stress hin, der schädlich für das Gehirn sein kann. Es gibt auch Hinweise darauf, dass bestimmte Gene, die mit der Verarbeitung von Vitamin A im Körper zu tun haben, eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielen könnten. Wenn diese Gene nicht richtig funktionieren, kann dies zu lokalen Entzündungen führen, die wiederum das Alzheimer-Risiko erhöhen. Trotz dieser Erkenntnisse sind die Ergebnisse von Studien zur Einnahme von Vitamin-A-Präparaten zur Vorbeugung von Demenz oder sogar der Alzheimer-Krankheit im Alter nicht eindeutig. Hier ist noch weitere Forschung notwendig, um diesen spannenden Ansatz weiter zu verfolgen. [14]
Gerade vor diesem wichtigen Hintergrund kann es ratsam für ältere Menschen sein, den Vitamin-A-Status regelmäßig ärztlich abklären zu lassen.
Höchstmengen und Risiken
Im Gegensatz zu den meisten B-Vitaminen wie etwa Vitamin B12, die wasserlöslich sind, sodass überschüssige Mengen leicht vom Körper ausgeschieden werden können, ist Vitamin A fettlöslich. Diese Eigenschaft führt dazu, dass sich überschüssiges Vitamin A im Körper ansammeln kann, insbesondere in der Leber. Diese Akkumulation macht Vitamin A anfällig für Überdosierungen, da der Körper Schwierigkeiten hat, überschüssiges an Fett gebundenes Vitamin effizient loszuwerden. Diese Besonderheit unterstreicht die Notwendigkeit, sich der Höchstmengen und potenziellen Risiken von Vitamin A bewusst zu sein, um eine sichere und ausgewogene Aufnahme dieses essentiellen Nährstoffs zu gewährleisten.
Ein Überschuss an Vitamin A im Körper kann sowohl akut als auch chronisch auftreten, wobei beide Formen unterschiedliche Auswirkungen haben. Akuter Vitamin-A-Überschuss tritt auf, wenn kurzfristig eine große Menge dieses Vitamins aufgenommen wird. Dies kann beispielsweise durch die Einnahme von hochdosierten Nahrungsergänzungsmitteln geschehen. Akute Symptome können Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Sehstörungen und Kopfschmerzen umfassen. Sie verschwinden schnell, wenn die Zufuhr von Vitamin A wieder reduziert bzw. normalisiert wird. Im Gegensatz dazu entsteht ein chronischer Überschuss, wenn über einen längeren Zeitraum regelmäßig zu viel Vitamin A aufgenommen wird. Dies kann über die natürliche Ernährung oder die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln geschehen. Ein chronischer Vitamin-A-Überschuss kann bereits bei deutlich geringeren Menden schwerwiegendere irreversible gesundheitliche Probleme verursachen, darunter Leberschäden, Knochenschäden, Hautveränderungen oder Fruchtschäden während der Schwangerschaft. Letzterer Punkt ist die Begründung dafür, dass Schwangeren grundsätzlich davon abgeraten wird, Leber zu essen.
Stellungnahme des Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlichte in einer aktuellen Stellungnahme aus dem Jahr 2021 Empfehlungen zu den Höchstmengen für Vitamin A in Nahrungsergänzungsmitteln. Bei präformiertem Vitamin A, wie Retinol oder Retinylester, zeigt das BfR besondere Vorsicht aufgrund eines geringen Sicherheitsabstands zwischen dem sogenannten Tolerable Upper Intake Level, also der maximalen risikolosen Aufnahmemenge und der tatsächlichen Aufnahme (95% der durchschnittlichen Aufnahmemenge innerhalb der Bevölkerung). Dieser Sicherheitsabstand ist wichtig, um Unwägbarkeiten in der individuellen Aufnahme, Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen und potenzielle Unsicherheiten in den Empfehlungen zu berücksichtigen. Ein geringer Sicherheitsabstand weist somit darauf hin, dass die reale Aufnahme bereits nahe an der als sicher erachteten Obergrenze liegt, was das Risiko von unerwünschten Wirkungen erhöht. Die Experten des Institutes kommen auf dieser Basis zu dem Schluss, dass (ohne ärztliche Abklärung) nicht mehr als 0,2 mg REA pro Tag aufgenommen werden sollten.
Das BfR betont, dass diese Menge immer noch einen bedeutenden Beitrag zur Vitamin-A-Versorgung bei weniger gut versorgten Erwachsenen leisten kann. Allerdings weist es darauf hin, dass einige Menschen auch mit dieser geringen Dosierung den UL für Vitamin A überschreiten könnten, insbesondere bei Mehrfachverwendung von verschiedenen Supplements mit Vitamin A. Explizit Schwangeren rät das BfR grundsätzlich von einer Einnahme von Vitamin A ohne ärztliche Rücksprache ab. [15]
Das hohe Risiko für eine Überversorgung mit Vitamin A wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass das BfR auch Empfehlungen für eine Begrenzung der enthaltenen Menge an Vitamin A in kosmetischen Produkten veröffentlichte. Hierbei sei der Fokus insbesondere auf Produkte zu richten, die im Gesicht oder an den Händen angewendet werden, weswegen die Gefahr groß sei, dass kleine Anteilen versehentlich verschluckt werden. In erster Linie sind Anti-Ageing-Cremes mit Vitamin A gemeint. Lippenstifte sollten dem BfR zufolge aus Sicherheitsgründen gar kein Vitamin A beinhalten. [16]
Es ist wichtig an dieser Stelle anzumerken, dass die Empfehlungen des BfR keine rechtliche Bindung besitzen, sondern allein dazu dienen, Verbraucher zu beraten und zu informieren. Für die Hersteller oder Händler von Supplements stellen diese Empfehlungen keinerlei Verpflichtung dar.
Besser Beta-Carotin
Etwas weniger kritisch sieht es allerdings bei Beta-Carotin aus, da eine Überversorgung hier deutlich weniger wahrscheinlich ist als bei Vitamin A. Dies resultiert hauptsächlich aus der unterschiedlichen metabolischen Verarbeitung im Körper. Beta-Carotin, als Provitamin A, wird nur bei Bedarf in Vitamin A umgewandelt und kann sich nicht in großer Menge im Körper ansammeln, wenn die Zufuhr hoch ist. Die effiziente und bedarfsabhängige Umwandlung von Beta-Carotin reguliert den Prozess natürlicherweise, wodurch das Risiko einer unkontrollierten Überversorgung minimiert wird. Daher stellt Beta-Carotin eine sicherere Option für die Vitamin-A-Versorgung dar. Dennoch gelten auch hier Höchstwerte.
Die EFSA definierte im Jahr 2015 ein Tolerable Upper Intake Level für isoliertes Beta-Carotin von 15 mg. Über diese Menge hinaus gibt es Hinweise darauf, dass bei starken Rauchern möglicherweise das Risiko für Lungenkrebs erhöht werden könnte. Eine mögliche Dosis-Wirkungs-Beziehung für Beta-Carotin-Effekte aus Interventionstests am Menschen oder geeigneten Tierversuchsmodellen ist zwar nicht ganz eindeutig festzumachen, dennoch sollte kein unnötiges Risiko eingegangen werden. Zusätzlich erwarten die Experten sowieso keinen gesundheitlichen Vorteil über die tägliche Zufuhr von 15 mg Beta-Carotin hinaus. Über natürliche Lebensmittel werden durchschnittlich 2-5 mg Beta-Carotin pro Tag aufgenommen. Hinzu kommen industriell hergestellte Lebensmittel, die Beta-Carotin als Zusatzstoff beinhalten, um einen gewünschten Farbeffekt zu erzielen (z.B. in Erfrischungsgetränken). Auf diesem Wege werden zusätzlich durchschnittlich 1-2 mg Beta-Carotin pro Tag aufgenommen. Der von der EFSA bestimmte Wert für eine optimale gesundheitsförderliche Menge an Beta-Caronin liegt bei ca. 10 mg pro Tag. [17]
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2021 eine Höchstmenge von 3,5 mg Beta-Carotin pro Tagesdosis in Nahrungsergänzungsmitteln. Diese Empfehlung berücksichtigt eine Marktrecherche, die darauf hinweist, dass einige Bevölkerungsgruppen in Deutschland möglicherweise die als unbedenklich geltende Aufnahmemenge von 15 mg Beta-Carotin pro Tag bereits über natürliche und industriell gefertigte Lebensmittel überschreiten. Somit erinnert das Institut nochmal daran, dass eine Supplementierung von Beta-Carotin für gesunde Menschen in der Regel nicht nötig ist, dennoch stellt es eine mögliche Alternative zu Supplements mit Vitamin A dar. Gleichwohl sei es immer ratsam, mögliche Versorgungsengpässe mit Mikronährstoffen individuell abklären zu lassen. [18]
Fazit mit Vor- und Nachteilen
Vitamin A spielt eine entscheidende Rolle bei verschiedenen grundlegenden Prozessen unseres Körpers und ist z. B. für gesundes Sehen oder das Immunsystem unerlässlich. Obwohl es, auch aufgrund seiner wichtigen Funktionen, sehr effizient im Körper gespeichert werden kann, muss eine kontinuierliche Zufuhr über die Nahrung gewährleistet sein. Glücklicherweise finden sich Vitamin A und Provitamin A in einer breiten Palette an natürlichen Lebensmitteln, sodass ein ernährungsbedingter Mangel hierzulande sehr selten ist. Tatsächlich nimmt die deutsche Bevölkerung um Durchschnitt allerdings deutlich mehr Vitamin A auf, als eigentlich erforderlich wäre.
Gerade aus diesem Grunde ist bei der Supplementierung Vorsicht geboten, insbesondere da der Großteil der auf dem Markt erhältlichen Präparate Tagesdosierungen vorsieht, die von Experten des Bundesinstitutes für Risikobewertung als deutlich zu hoch eingestuft werden. Sie definierten einen sicheren Höchstwert von 0,2 mg Vitamin A pro Tag über Nahrungsergänzungsmittel. Tatsächlich kann Vitamin A in größeren Mengen durchaus schädlich sein und zu irreversiblen Schädigungen führen. Deswegen sollte eine Supplementierung, gerade langfristig und insbesondere bei Schwangeren, stets mit einem Arzt abgeklärt werden.
Dennoch kann sie bei bestimmten Personengruppen angebracht sein. Denn trotz der allgemeinen positiven Verfügbarkeit können bestimmte Faktoren, insbesondere chronische Erkrankungen oder Übergewicht, die normale Verstoffwechslung von Vitamin A beeinträchtigen und so zu einer ernährungsunabhängigen Unterversorgung führen. Symptome einer leichten Unterversorgung können vielfältig sein und reichen von Sehproblemen bis hin zu Störungen des Immunsystems. Besondere Lebenssituationen wie Schwangerschaft oder Stillzeit können ebenfalls zu einem erhöhten Bedarf führen, der möglicherweise nicht allein durch die Nahrung gedeckt wird.
Aufgrund des Risikos einer Überversorgung stellen Supplements mit Beta-Carotin (Provitamin A) ohne ärztliche Abklärung eine sicherere Quelle für Vitamin A dar, da es sich nicht so stark im Körper ansammelt und entsprechend mit einem deutlich geringeren Risiko für die Gesundheit verbunden ist. Dennoch sollte auch hier die Höchstmenge von 3,5 mg pro Tag nicht überschritten werden.
Quellen
[1] Carazo et al. (2021) Vitamin A Update: Forms, Sources, Kinetics, Detection, Function, Deficiency, Therapeutic Use and Toxicity, Nutrients https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34069881/
[2] Huang et al. (2018) Role of Vitamin A in the Immune System, J Clin Med. 2018 Sep 6;7(9):258. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30200565/
[3] Maia et al. (2019) Vitamin A and Pregnancy: A Narrative Review, Nutrients. 2019 Mar 22;11(3):681. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30909386/
[4] DGE (2020) Neue D-A-CH-Referenzwerte für die Vitamin-A-Zufuhr https://www.dge.de/presse/meldungen/2020/neue-d-a-ch-referenzwerte-fuer-die-vitamin-a-zufuhr/
[5] Max Rubner-Institut & Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (2008) Nationale Verzehrsstudie II – Ergebnisbericht https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf
[6] EFSA (2009) Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to vitamin A and cell differentiation (ID 14), function of the immune system (ID 14), maintenance of skin and mucous membranes (ID 15, 17), maintenance of vision (ID 16), maintenance of bone (ID 13, 17), maintenance of teeth (ID 13, 17), maintenance of hair (ID 17), maintenance of nails (ID 17), metabolism of iron (ID 206), and protection of DNA, proteins and lipids from oxidative damage (ID 209) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006 EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA) European Food Safety Authority (EFSA), Parma, Italy https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.2903/j.efsa.2009.1221
[7] EFSA (2010) Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to vitamin A (including β-carotene) and maintenance of normal vision (ID 4239, 4701), maintenance of normal skin and mucous membranes (ID 4660, 4702), and maintenance of normal hair (ID 4660) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006 EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA) European Food Safety Authority (EFSA), Parma, Italy https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2010.1754
[8] EFSA (2013) Scientific Opinion on the substantiation of a health claim related to vitamin A and contribution to normal development and function of the immune system pursuant to Article 14 of Regulation (EC) No 1924/2006 EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA) European Food Safety Authority (EFSA), Parma, Italy https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2013.3334
[9] Statista (2023) Anzahl von stationären Fällen von Leberkrankheiten in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2022 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150960/umfrage/leberkrankheiten-in-deutschland-seit-2000/
[10] Statista (2023) Anzahl stationärer Fälle von Fibrose und Zirrhose der Leber in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2021 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/150969/umfrage/leberkrankheiten-in-deutschland-fibrose-und-zirrhose-seit-2000/
[11] Saeed et al. (2017) Disturbed Vitamin A Metabolism in Non-Alcoholic Fatty Liver Disease (NAFLD), Nutrients. 2017 Dec 29;10(1):29. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29286303/
[12] Gomes et al. (2021) Vitamin A Status Improvement in Obesity: Findings and Perspectives Using Encapsulation Techniques, Nutrients. 2021 Jun 3;13(6):1921. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34204998/
[13] Gishan & Kiela (2017) Vitamins and Minerals in Inflammatory Bowel Disease, Gastroenterol Clin North Am. 2017 Dec;46(4):797-808. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29173522/
[14] Almaguer et al. (2023) The Contribution of Hippocampal All-Trans Retinoic Acid (ATRA) Deficiency to Alzheimer's Disease: A Narrative Overview of ATRA-Dependent Gene Expression in Post-Mortem Hippocampal Tissue, Antioxidants (Basel). 2023 Oct 27;12(11):1921. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38001775/
[15] BfR (2021) Höchstmengenvorschläge für Vitamin A in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln https://www.bfr.bund.de/cm/343/hoechstmengenvorschlaege-fuer-vitamin-a-in-lebensmitteln-inklusive-nahrungsergaenzungsmitteln.pdf
[16] BfR (2014) Vitamin A: Aufnahme über kosmetische Mittel sollte begrenzt werden https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/vitamin-a-aufnahme-ueber-kosmetische-mittel-sollte-begrenzt-werden.pdf
[17] EFSA (2012) Statement on the safety of β-carotene use in heavy smokers, EFSA-Journal 2012;10(12):2953 https://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/2953
[18] BfR (2021) Höchstmengenvorschläge für Beta-Carotin in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln https://www.bfr.bund.de/cm/343/hoechstmengenvorschlaege-fuer-beta-carotin-in-lebensmitteln-inklusive-nahrungsergaenzungsmitteln.pdf