5-HTP: Natürlicher Stimmungsaufheller oder überbewertet?

5-Hydroxytryptophan (kurz: 5-HTP) ist seit einigen Jahren als Nahrungsergänzungsmittel in aller Munde. Dabei wird es insbesondere mit Effekten wie Stimmungsaufhellung, Schlafverbesserung oder Appetitzügelung in Verbindung gebracht. Hersteller preisen ihre Produkte oft mit potentiellen Vorteilen für das Wohlbefinden an. Dennoch sind diese Versprechen keinesfalls uneingeschränkt zu übernehmen, da seriöse Studienergebnisse und behördliche Bewertungen differenziert betrachtet werden müssen.

Im Folgenden wird das Thema 5-Hydroxytryptophan aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet: Von der biochemischen Grundlage über potenzielle Wirkungen bis hin zu rechtlichen Aspekten. 

Kurze Definition: Was ist 5-Hydroxytryptophan?

5-Hydroxytryptophan ist eine Aminosäure-Vorstufe des Neurotransmitters Serotonin. Es entsteht im Körper aus der essenziellen Aminosäure Tryptophan, die über die Nahrung aufgenommen werden muss [2]. Da 5-HTP dem Körper eine direkte Vorstufe von Serotonin liefert, wird es oftmals mit einer erhöhten Serotoninproduktion in Zusammenhang gebracht. Daraus leiten viele Anwenderinnen und Anwender mögliche stimmungsaufhellende Effekte ab, da Serotonin häufig als „Glückshormon“ bezeichnet wird.

5-HTP kommt in isolierter Form in verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln vor. Industriell wird es häufig aus den Samen der afrikanischen Schwarzbohne (Griffonia simplicifolia) gewonnen [1]. Diese Pflanze enthält natürlicherweise relativ hohe Konzentrationen an 5-HTP. Als Kapsel, Tablette oder in Pulverform ist 5-HTP inzwischen weltweit verfügbar. Im Gegensatz zu Tryptophan, das ebenfalls als Supplement angeboten wird, gilt 5-HTP oft als effizientere Variante für den direkten Serotoninaufbau im Körper [3].

Wichtig ist hierbei die Abgrenzung zur medizinischen Verwendung: In einigen Ländern wird 5-HTP nach wie vor als verschreibungspflichtiges Medikament angesehen. In den meisten Fällen findet man es jedoch als frei erhältliches Nahrungsergänzungsmittel. Wie bei anderen Supplements ist die Qualität der Produkte sehr unterschiedlich, und die Inhalte können je nach Hersteller variieren.

Historischer und wissenschaftlicher Hintergrund

Das Interesse an 5-HTP und Serotonin reicht in die 1960er-Jahre zurück. Damals wurde verstärkt versucht, den Zusammenhang zwischen Neurotransmittern und psychischen Befindlichkeiten zu entschlüsseln [4]. Erste Studien nahmen sich der Frage an, ob eine gezielte Erhöhung des Serotonin-Spiegels im Gehirn durch Vorstufen wie Tryptophan oder 5-HTP möglich sei. Wissenschaftler erhofften sich daraus neue Ansätze zur Behandlung von Depressionen, Angstzuständen oder Schlafstörungen.

In den 1970er- und 1980er-Jahren folgten klinische Studien, die vor allem untersuchten, ob 5-HTP antidepressive Effekte haben könnte [5]. Tatsächlich gab es zu dieser Zeit einige positive Berichte, in denen 5-HTP in Verbindung mit einer Besserung depressiver Symptome gebracht wurde. Allerdings war und ist die Datenlage dazu nicht uneingeschränkt eindeutig. Kritische Bewertungen monierten vor allem, dass viele dieser Studien klein angelegt und nicht immer placebo-kontrolliert waren [6].

Ein weiterer wissenschaftlicher Meilenstein war die Entdeckung des Zusammenhangs zwischen Tryptophan und der sogenannten Eosinophilie-Myalgie-Syndrom (EMS). In den späten 1980er-Jahren und frühen 1990er-Jahren kam es zu einer Häufung von EMS-Fällen, die zunächst mit verunreinigtem Tryptophan in Verbindung gebracht wurden. Dies führte zu einer erhöhten Vorsicht bei der Produktion und dem Verkauf von Tryptophan und 5-HTP [7]. Zwar betraf dieser Skandal primär Tryptophan, doch rückte dadurch auch 5-HTP stärker in den Blickpunkt von Qualitätskontrollen.

Heute ist 5-HTP Gegenstand intensiver Forschung, wobei es vorrangig um die Rolle bei Schlaf, Appetitregulation und Schmerzwahrnehmung geht. Die Frage, ob es langfristig sicher ist und welche Patientengruppen besonders von einer Einnahme profitieren könnten, ist weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Debatten [8].

Biochemische Grundlagen

Serotonin und seine Bedeutung im Körper

Serotonin (5-Hydroxytryptamin, 5-HT) ist ein Neurotransmitter, der im menschlichen Körper vielfältige Aufgaben übernimmt. Vor allem im Zentralnervensystem spielt Serotonin eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Stimmung, Angst, Appetit und Schlaf [9]. Auch im peripheren Nervensystem, insbesondere im Magen-Darm-Trakt, ist Serotonin wichtig. Dort trägt es unter anderem zur Darmmotilität bei und beeinflusst bestimmte Hormonausschüttungen.

Ein ungleichmäßiger oder niedriger Serotoninspiegel wird häufig mit depressiven Verstimmungen in Verbindung gebracht. Dieser Zusammenhang ist allerdings nicht so einfach, wie es häufig dargestellt wird. Es gibt viele Faktoren, die den Neurotransmitterhaushalt beeinflussen, darunter Genetik, Stress, Ernährung und weitere hormonelle Prozesse [10].

Gleichzeitig ist Serotonin nicht ausschließlich positiv konnotiert. Ein zu hoher Serotoninspiegel kann beispielsweise zum gefährlichen Serotonin-Syndrom führen, das sich durch Symptome wie Verwirrtheit, erhöhten Blutdruck, beschleunigten Herzschlag, Muskelzittern und Übelkeit äußern kann [11]. Dieser Zustand wird allerdings in den meisten Fällen durch eine Kombination mehrerer serotonerger Medikamente (z. B. MAO-Hemmer, SSRI und Triptane) ausgelöst und selten nur durch 5-HTP.

Umwandlung von Tryptophan zu 5-HTP und weiter zu Serotonin

Im Körper läuft die Serotoninproduktion über einen biochemischen Syntheseweg ab:

  1. Tryptophan wird aus der Nahrung aufgenommen. Diese Aminosäure ist essentiell, was bedeutet, dass sie nicht im Körper selbst hergestellt werden kann.
  2. Tryptophan wird durch das Enzym Tryptophan-Hydroxylase zu 5-Hydroxytryptophan (5-HTP) umgewandelt.
  3. Anschließend konvertiert die Aromatische-L-Aminosäure-Decarboxylase (AADC) das 5-HTP zu Serotonin (5-HT).

Dieser Syntheseweg ist strikt reguliert und abhängig von verschiedenen Faktoren. Unter anderem können Stresshormone, die Verfügbarkeit von Cofaktoren (z. B. Vitamin B6, Magnesium) und die Konkurrenz zu anderen Aminosäuren (wie Leucin oder Tyrosin) eine Rolle spielen [2].

Die Idee hinter der Einnahme von 5-HTP als Nahrungsergänzungsmittel ist, die geschwindigkeitsbestimmende Reaktion im Serotonin-Stoffwechsel zu umgehen. Da Tryptophan zunächst durch das Enzym Tryptophan-Hydroxylase zu 5-HTP umgewandelt werden muss, könnte ein direktes Zuführen von 5-HTP die Serotoninbildung schneller und effektiver steigern. Allerdings ist dieser Prozess keineswegs trivial. Der Körper weist Feedback-Mechanismen auf und reagiert auf steigende Vorstufenwerte mit diversen Ausgleichsstrategien.

Natürliche Vorkommen und Quellen von 5-HTP

Rein natürlich kommt 5-HTP vor allem in den Samen von Griffonia simplicifolia vor, einer in West- und Zentralafrika heimischen Pflanze [1]. Diese Samen enthalten einen relativ hohen Anteil an 5-HTP, der industriell extrahiert und als Rohstoff für Nahrungsergänzungsmittel genutzt wird. In geringen Mengen lässt sich 5-HTP auch in manchen Früchten und Gemüsesorten nachweisen, allerdings liegt die Konzentration meist so niedrig, dass keine nennenswerte Steigerung des Serotoninspiegels zu erwarten ist [12].

Viele Menschen erreichen ihren Bedarf an Tryptophan durch eine ausgewogene Ernährung. Gute Tryptophanquellen sind zum Beispiel Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Fleisch, Fisch und einige Milchprodukte. Aus Tryptophan kann der Körper eigenständig 5-HTP und schließlich Serotonin herstellen. Wer jedoch gezielt 5-HTP ergänzen möchte, nimmt in der Regel entsprechende Supplemente.

Mögliche Wirkungen und Anwendungsgebiete

Stimmungsaufhellung und Stressreduktion

Eine der meistdiskutierten potenziellen Wirkungen von 5-HTP betrifft die Stimmungsaufhellung. Da Serotonin als ein wichtiger Modulator für Emotionen gilt, liegt die Vermutung nahe, dass eine Erhöhung des Serotoninspiegels durch 5-HTP zu einem positiveren Gefühlszustand beitragen kann [4]. Einzelne Studien, darunter eine frühe Untersuchung von Byerley et al. (1987), deuten darauf hin, dass 5-HTP in niedrigen bis mittleren Dosen bei milden depressiven Verstimmungen helfen könnte [5].

Gleichzeitig ist die Studienlage uneinheitlich. Eine Cochrane-Review aus dem Jahr 2002 (aktualisiert 2013) zeigte, dass die Daten zu Tryptophan und 5-HTP insgesamt nicht ausreichen, um eine klare Aussage zur Wirksamkeit bei Depressionen zu treffen [6]. Einerseits existieren positive Ergebnisse, andererseits sind viele Studien zu klein oder methodisch uneinheitlich. Fachgesellschaften raten daher zu Vorsicht bei der Anwendung in Eigenregie, insbesondere wenn bereits Antidepressiva eingenommen werden.

Einige Anwenderinnen und Anwender berichten zudem von einer Stressreduzierung. Da Serotonin an Regulationsmechanismen beteiligt ist, die die Stresshormone (z. B. Cortisol) beeinflussen, könnte es plausibel sein, dass 5-HTP unterstützend wirkt. Allerdings existiert kein einheitlicher wissenschaftlicher Konsens darüber, in welchem Umfang eine Supplementierung von 5-HTP tatsächlich zu einer spürbaren Reduktion von Stress führt [2][4].

Unterstützung bei Schlafstörungen

Ein ausreichend hoher Serotoninspiegel ist wichtig für eine gute Schlafqualität, denn aus Serotonin wird im Körper das Hormon Melatonin gebildet, welches den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert [13]. Es liegt also nahe, dass 5-HTP – als direkte Serotoninvorstufe – für einen stabileren Tag-Nacht-Rhythmus sorgen kann. Mehrere kleine Studien deuten darauf hin, dass eine Einnahme von 5-HTP den Schlaf unterstützen könnte, vor allem in Hinblick auf das Einschlafen und Durchschlafen [14].

Trotzdem ist auch hier die Datenlage noch nicht eindeutig. Einige Untersuchungen berichten von keinen oder nur minimalen Effekten auf die Schlafqualität. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass 5-HTP den Schlaf zwar in bestimmten Fällen fördern, bei anderen Personen jedoch zu Nebenwirkungen wie lebhaften Träumen oder sogar Einschlafproblemen führen kann [15]. Eine individuelle Abwägung, idealerweise in Rücksprache mit ärztlichem Fachpersonal, ist daher essenziell.

Gewichtsmanagement und Appetitzügelung

Ein weiteres häufig genanntes Argument für 5-HTP als Nahrungsergänzungsmittel ist seine mögliche Wirkung auf den Appetit. Serotonin spielt eine entscheidende Rolle bei der Appetitregulation. Ein niedriger Serotoninspiegel kann mit Heißhunger oder verstärktem Verlangen nach Kohlenhydraten in Verbindung gebracht werden [16]. Erste Studien legen nahe, dass 5-HTP bei manchen Personen zu einem verringerten Hungergefühl führen könnte, was wiederum beim Gewichtsmanagement helfen soll [3][16].

In einer kleinen, placebokontrollierten Studie wurde beobachtet, dass Probandinnen, die 5-HTP einnahmen, weniger Kalorien zu sich nahmen als die Kontrollgruppe [17]. Diese Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass 5-HTP zu einer besseren Sättigung beiträgt. Dennoch betonen Fachleute, dass allein die Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels keine langfristige Gewichtsabnahme garantiert. Vielmehr spielt die allgemeine Ernährungsweise, ausreichend Bewegung und gegebenenfalls eine professionelle Beratung eine größere Rolle.

Gerade in Bezug auf den Langzeiteinsatz von 5-HTP liegen aktuell keine umfangreichen Daten vor. Eine Daueranwendung zur Appetitzügelung wird daher nicht standardmäßig empfohlen, zumal sich Toleranzen oder andere Anpassungseffekte entwickeln könnten [3].

Weitere potenzielle Einsatzgebiete

Über die bekannten Anwendungsgebiete hinaus diskutiert man, ob 5-HTP bei Migräne oder Fibromyalgie positive Effekte zeigen könnte. Erste Studien ermittelten einen potenziell schmerzlindernden Effekt, der wiederum mit der Rolle von Serotonin bei der Schmerzverarbeitung zusammenhängen könnte [8].

Beispielsweise zeigte eine doppelt verblindete, placebokontrollierte Studie von Caruso et al. (1990), dass 5-HTP bei Fibromyalgie-Patienten zu einer besseren Schmerzbewältigung und einem verringerten Fatigue-Gefühl beitragen könnte [18]. Diese Studienergebnisse müssen jedoch durch weitere, größere Untersuchungen bestätigt werden.

Bei Migräne wird ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Serotonin und den Attacken diskutiert, da viele Migräne-Medikamente (z. B. Triptane) an Serotoninrezeptoren wirken [19]. Ob 5-HTP hier eine prophylaktische oder gar therapeutische Wirkung entfalten kann, ist bislang nicht zweifelsfrei belegt. Einzelne Studien deuten auf einen positiven Effekt hin, doch fehlen großangelegte klinische Studien, um klare Empfehlungen aussprechen zu können [19].

Einsatz als Nahrungsergänzungsmittel

Die Hauptmotive für eine zusätzliche Einnahme von 5-HTP liegen in den genannten möglichen Wirkbereichen: StimmungsaufhellungSchlafunterstützung und Appetitkontrolle. Einige Menschen nutzen es zudem bei Spannungskopfschmerzen oder als unterstützendes Mittel bei Schmerzsyndromen [5][18]. Es existieren auch Berichte, wonach 5-HTP bei leichten Angstsymptomen helfen könnte, doch die Datenlage hierfür ist begrenzt [2].

Wer sich für 5-HTP interessiert, sollte im Idealfall im Vorfeld abklären, ob eine organische Ursache für die Beschwerden vorliegt. Gerade bei depressiven Zuständen oder schweren Schlafstörungen ist ein ärztlicher Rat dringend anzuraten. Nahrungsergänzungsmittel sollten nicht als Ersatz für eine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung verstanden werden.

Übliche Dosierungen und Darreichungsformen

Übliche Dosierungen von 5-HTP liegen, je nach Anwendungsbereich, zwischen 50 mg und 300 mg pro Tag. Manche Hersteller bieten auch höher dosierte Produkte an, die bis zu 500 mg 5-HTP enthalten können [1][5]. Ein einheitlicher Standard existiert allerdings nicht, da die Dosierung stark von individuellen Faktoren wie Körpergewicht, Empfindlichkeit gegenüber Serotonin oder Einnahme anderer Medikamente abhängig ist.

Als Darreichungsformen dominieren:

  • Kapseln: weitverbreitet, gut dosierbar
  • Tabletten: häufig mit zusätzlichen Hilfsstoffen
  • Pulver: flexibel in der Einnahme, aber schwieriger zu dosieren

Da es sich bei 5-HTP nicht um ein wasserlösliches Vitamin oder ähnliches handelt, gibt es keine offizielle Empfehlung zur täglichen Höchstmenge von Seiten der Gesundheitsbehörden. Allerdings raten viele Fachleute, die tägliche Gesamtmenge von 300–400 mg nicht zu überschreiten, wenn keine ärztliche Anleitung erfolgt [4].

Kombinationspräparate: 5-HTP in Verbindung mit anderen Wirkstoffen

Häufig findet man 5-HTP in Kombinationspräparaten zusammen mit anderen Substanzen, die auf das Wohlbefinden und das Nervensystem abzielen. Dazu gehören etwa:

  • BaldrianMelisseHopfen (Schlaf- und Beruhigungsmittel)
  • MagnesiumVitamin B6Zink (Cofaktoren des Stoffwechsels)
  • Andere Pflanzenextrakte wie Johanniskraut

Gerade bei Johanniskraut ist Vorsicht geboten, da dieses selbst aktiv in die Neurotransmitter-Regulation eingreift und unter anderem Enzyme der Leber beeinflussen kann [20]. Dies kann zu Wechselwirkungen mit weiteren Medikamenten führen, was das Risiko von Nebenwirkungen erhöht. Auch Baldrian kann bestimmte Reaktionen im zentralen Nervensystem modulieren, wenngleich es meist als mild gilt [21].

Wer sich für ein Kombinationspräparat entscheidet, sollte gründlich prüfen, ob alle Bestandteile sinnvoll aufeinander abgestimmt sind und nicht versehentlich Doppelungen mit anderen Nahrungsergänzungsmitteln oder Medikamenten bestehen.

Sicherheit, Verträglichkeit und Risiken

Wie bei allen Wirkstoffen kann es auch bei 5-HTP zu Nebenwirkungen kommen. Zu den häufigsten zählen:

  • ÜbelkeitMagen-Darm-Beschwerden
  • Kopfweh
  • Schwindel
  • Herzklopfen oder Palpitationen
  • Unruhe und, seltener, Angstgefühle

Die Intensität dieser Nebenwirkungen variiert individuell. Manche Menschen bemerken gar keine negativen Effekte, andere reagieren bereits auf niedrige Dosen empfindlich [6]. Eine schleichende Eindosierung – also das langsame Herantasten an eine individuelle „Verträglichkeitsdosis“ – kann sinnvoll sein.

Wechselwirkungen mit Medikamenten

Ein besonders wichtiger Aspekt betrifft die Wechselwirkungen zwischen 5-HTP und anderen Medikamenten. Dies gilt vor allem für Antidepressiva, insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) wie Fluoxetin, Sertralin oder Citalopram [22]. Werden diese mit 5-HTP kombiniert, kann es theoretisch zu einer starken Erhöhung des Serotoninspiegels kommen, was das Risiko für ein Serotonin-Syndrom erhöht [11].

Auch MAO-Hemmer, die teils bei Depressionen oder Parkinson eingesetzt werden, können in Kombination mit 5-HTP zu einer gefährlich hohen Serotoninkonzentration führen [22]. Des Weiteren ist bei der Einnahme von Triptanen (Migräne-Medikamente) Vorsicht geboten.

Wer also entsprechende Medikamente einnimmt, sollte unbedingt vor der Einnahme von 5-HTP ärztlichen Rat einholen. Dies gilt auch für Personen, die viele unterschiedliche Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen, da die Kombinationswirkungen komplex sein können.

Potenzielle Gefahren durch Überdosierung oder unsachgemäßen Gebrauch

Eine Überdosierung von 5-HTP ist selten, kann aber problematisch sein. In sehr hohen Dosen (z. B. über 1 g pro Tag) wurden verstärkte Nebenwirkungen wie Übelkeit und Herzrhythmusstörungen beschrieben [3]. Besonders problematisch kann es werden, wenn 5-HTP in Kombination mit anderen serotonergen Substanzen eingenommen wird. Hier kann ein überhöhter Serotoninspiegel auftreten, der im Extremfall ins Serotonin-Syndrom münden kann.

Ein weiterer Faktor, der oft unterschätzt wird, ist die Langzeiteinnahme. Studien zu langfristigen Effekten von 5-HTP sind rar. Es ist unklar, inwieweit der Körper auf eine anhaltend hohe Zufuhr von Serotoninvorstufen reagiert. Denkbar ist, dass körpereigene Regulationsmechanismen unter Umständen die interne Serotoninproduktion drosseln, wenn ständig eine hohe Menge an 5-HTP zugeführt wird [2].

Risiko von Verunreinigungen in Nahrungsergänzungsmitteln

In den späten 1980er- und 1990er-Jahren sorgten Fälle von Eosinophilie-Myalgie-Syndrom (EMS) für Aufsehen. Diese wurden zunächst mit verunreinigtem Tryptophan in Verbindung gebracht. Es handelte sich wohl um Produktionsfehler eines einzelnen Herstellers, die zu toxischen Nebenprodukten führten [7]. Auch 5-HTP kann in seltenen Fällen durch mangelhafte Qualitätskontrollen verunreinigt sein.

EMS ist durch Muskelschmerzen, Gelenkbeschwerden und eine erhöhte Anzahl an Eosinophilen (bestimmte weiße Blutkörperchen) im Blut gekennzeichnet. Das Auftreten dieses Syndroms sollte als Warnsignal dienen, dass auch bei vermeintlich harmlosen Nahrungsergänzungsmitteln strenge Qualitätsstandards notwendig sind.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten daher auf seriöse Hersteller achten, die nachweislich Qualitätsprüfungen durchführen und entsprechende Zertifikate (z. B. GMP – Good Manufacturing Practice) vorlegen können.

Einordnung der aktuellen Studienlage

Die wissenschaftliche Datenlage zu 5-HTP ist gemischt. Es gibt sowohl positive Hinweise auf mögliche Effekte bei Stimmungsschwankungen, Schlafproblemen und Appetitsteuerung als auch kritische Stimmen, die vor einer Überbewertung warnen. Viele bestehende Studien haben methodische Schwächen: Sie sind oft klein angelegt, nicht immer doppelblind-placebokontrolliert und laufen nur über kurze Zeiträume [6].

Die Cochrane-Review von 2002 (aktualisiert 2013) kommt zu dem Schluss, dass es zwar Ansätze gibt, aber keine klaren Belege für eine starke Wirksamkeit bei Depressionen [6]. Auch aktuelle Reviews aus den letzten Jahren untermauern, dass weiterhin großer Forschungsbedarf besteht [3]. Dies schließt die Erfassung langfristiger Sicherheitsdaten ein, da die meisten Untersuchungen den Einsatz von 5-HTP über wenige Wochen oder Monate betrachten.

In der Praxis wird 5-HTP häufig angewandt, da es rezeptfrei erhältlich ist und – zumindest anekdotisch – vielen Menschen einen gewissen Nutzen bringt. Allerdings ist stets zu bedenken, dass der Placebo-Effekt und individuelle Faktoren eine Rolle spielen können. Wer 5-HTP einsetzt, sollte dies wissend um die Lücken in der Studienlage tun und sich möglicher Wechselwirkungen sowie Nebenwirkungen bewusst sein.

Rechtliche Aspekte und Qualitätssicherung

In der Europäischen Union gelten Nahrungsergänzungsmittel rechtlich nicht als Arzneimittel, sondern unterliegen dem Lebensmittelrecht. Die Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) regelt, welche gesundheitsbezogenen Aussagen auf Verpackungen und in Werbung gemacht werden dürfen. Da 5-HTP kein Vitamin, Mineralstoff oder anderer klassischer Nährstoff ist, existieren derzeit keine zugelassenen Health Claims, die eine bestimmte Gesundheitswirkung offiziell bestätigen. Folglich dürfen in der EU keine medizinischen Aussagen oder Heilversprechen über 5-HTP gemacht werden [1].

In Deutschland, Österreich und der Schweiz kann 5-HTP daher als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden, sofern bestimmte Kriterien (etwa zur Produktsicherheit und Kennzeichnung) erfüllt sind. In einigen anderen Ländern, darunter Kanada oder die USA, ist die Regulierung zum Teil lockerer, allerdings besteht überall eine gewisse Grundanforderung an Sicherheit und Kennzeichnung [23].

Qualitätskriterien bei der Auswahl von 5-HTP-Produkten

Wer sich für den Kauf eines 5-HTP-Produkts entscheidet, sollte auf folgende Punkte achten:

  1. Zertifizierte Herstellungsverfahren: GMP-Zertifikate (Good Manufacturing Practice) oder ISO-Zertifizierungen deuten auf hohe Qualitätsstandards hin.
  2. Laborprüfungen: Idealerweise liegen Analysen zur Reinheit und zum 5-HTP-Gehalt vor.
  3. Transparente Deklaration: Seriöse Hersteller listen alle Inhaltsstoffe sowie deren Mengen offen auf.
  4. Verzicht auf unnötige Zusatzstoffe: Einige Produkte enthalten Füllstoffe, Farb- oder Aromastoffe, die nicht unbedingt notwendig sind.

Gerade bei Online-Bestellungen sollte man vorsichtig sein, da hier vermehrt Produkte ohne ausreichende Kontrolle in den Markt gelangen können. Prüf- und Siegelzertifikate, geprüfte Kundenbewertungen und eine transparente Firmenpolitik können bei der Auswahl helfen.

Empfehlungen von Fachgesellschaften oder Behörden

Bislang gibt es keine großen nationalen oder internationalen Fachgesellschaften, die eine allgemeine Empfehlung für die Einnahme von 5-HTP aussprechen. Manche medizinische Fachpersonen verwenden es in ihren Praxen, vor allem im Bereich der Komplementärmedizin oder ganzheitlichen Therapieansätze [2]. Dennoch betonen die meisten seriösen Institutionen, dass weitergehende Studien nötig sind, bevor eine generelle Empfehlung ausgesprochen werden kann.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat keine spezifische Stellungnahme zu 5-HTP veröffentlicht, da es sich dabei nicht um einen klassischen Nährstoff handelt. Insgesamt gilt: Weder europäische noch internationale Behörden (wie die EFSA – Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit oder die FDA – Food and Drug Administration in den USA) haben einen offiziellen Health Claim für 5-HTP genehmigt.

Unser Fazit

5-Hydroxytryptophan (5-HTP) ist eine direkte Vorstufe des Neurotransmitters Serotonin. Es wird unter anderem aus den Samen von Griffonia simplicifolia gewonnen und als Nahrungsergänzungsmittel weltweit verkauft. 5-HTP wird häufig mit einer Stimmungsaufhellung, Stressreduktion, Schlafverbesserung und Appetitzügelung in Verbindung gebracht, was sich zum Teil aus seiner Rolle im Serotonin-Stoffwechsel erklären lässt.

Die wissenschaftliche Datenlage ist jedoch nicht eindeutig. Zwar existieren Studien, die auf potenzielle positive Effekte hinweisen, doch sind viele dieser Untersuchungen klein oder methodisch eingeschränkt. Zudem kann es zu Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Schwindel kommen, insbesondere bei höheren Dosierungen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Antidepressiva oder anderen serotonergen Medikamenten sollte unbedingt ärztlicher Rat eingeholt werden.

Gesetzlich betrachtet gilt 5-HTP in der EU als Nahrungsergänzungsmittel, weshalb keine medizinischen Heilversprechen gemacht werden dürfen. Fachgesellschaften raten zu Vorsicht, und es sind bislang keine offiziellen Gesundheitsclaims zugelassen. Wer sich für 5-HTP entscheidet, sollte auf Qualitätsprodukte achten und eine ärztliche Rücksprache halten, vor allem bei Vorerkrankungen oder bestehender Medikation.

Für wen kann 5-HTP sinnvoll sein, wann ist Vorsicht geboten?

Im Grundsatz kann 5-HTP für Personen interessant sein, die unter milden Stimmungstiefs, Schlafproblemen oder Heißhunger leiden und nach einem frei verkäuflichen Ansatz suchen. Allerdings ersetzt es keine fachärztliche Diagnose oder Therapie. Menschen mit Depressionen, Angsterkrankungen oder anderen psychischen Beeinträchtigungen sollten vor der Einnahme professionellen Rat einholen.

Vorsicht ist geboten, wenn bereits Medikamente mit serotonerger Wirkung (z. B. SSRIs, MAO-Hemmer, Triptane) eingenommen werden, da hier das Risiko für ein Serotonin-Syndrom steigt. Auch Schwangere und Stillende sollten auf 5-HTP verzichten, da für diese Gruppe keine ausreichenden Daten zur Sicherheit vorliegen.

Wer 5-HTP testet, sollte mit einer niedrigen Dosierung beginnen und auf mögliche Nebenwirkungen achten. Eine kontinuierliche Selbstbeobachtung, gegebenenfalls unterstützt durch ärztliche Kontrolle, ist ratsam.

Quellen

[1] Turner, E. H., Loftis, J. M., & Blackwell, A. D. (2006). Serotonin a la carte: supplementation with the serotonin precursor 5-hydroxytryptophan. Pharmacology & Therapeutics, 109(3), 325-338.
[2] Shaw, K., Turner, J., & Del Mar, C. (2002, aktualisiert 2013). Tryptophan and 5-Hydroxytryptophan for depression. Cochrane Database of Systematic Reviews, (1).
[3] Birdsall, T. C. (1998). 5-Hydroxytryptophan: a clinically-effective serotonin precursor. Alternative Medicine Review, 3(4), 271-280.
[4] Byerley, W. F., Judd, L. L., Reimherr, F. W., & Grosser, B. I. (1987). 5-Hydroxytryptophan: a review of its antidepressant efficacy and adverse effects. Journal of Clinical Psychopharmacology, 7(3), 127-137.
[5] Delgado, P. L. (2006). Serotonin and depression: from molecular biology to human therapeutics. Journal of Clinical Psychiatry, 67(Suppl 6), 3-10.
[6] Shaw, K., Turner, J., & Del Mar, C. (2002, aktualisiert 2013). Tryptophan and 5-Hydroxytryptophan for depression (Review). Cochrane Database of Systematic Reviews, (1).
[7] Mayeno, A. N., & Gleich, G. J. (1994). Eosinophilia-myalgia syndrome and tryptophan production: a cautionary tale. Trends in Biotechnology, 12(9), 346-352.
[8] Juhl, J. H. (1998). Fibromyalgia and the serotonin pathway. Alternative Medicine Review, 3(5), 367-375.
[9] Berger, M., Gray, J. A., & Roth, B. L. (2009). The expanded biology of serotonin. Annual Review of Medicine, 60, 355-366.
[10] Cowen, P. J. (2008). Serotonin and depression: pathophysiological mechanism or marketing myth? Trends in Pharmacological Sciences, 29(9), 433-436.
[11] Boyer, E. W., & Shannon, M. (2005). The serotonin syndrome. New England Journal of Medicine, 352(11), 1112-1120.
[12] Fernstrom, J. D. (2012). A perspective on the safety of supplemental tryptophan based on its metabolic fates. Journal of Nutrition, 142(12), 2236S-2240S.
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[14] Wyatt, R. J., Weitzman, E. D., Alford, C., & Fisher, C. (1971). Production rate of melatonin in man. JAMA Psychiatry, 24(6), 621-626.
[15] Hartmann, E. (1982). Effects of L-5-Hydroxytryptophan on sleep. Neuropsychobiology, 8(4), 264-269.
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[18] Caruso, I., Sarzi-Puttini, P., & Cazzola, M. (1990). Double-blind study of 5-hydroxytryptophan versus placebo in the treatment of primary fibromyalgia syndrome. Journal of International Medical Research, 18(3), 201–209.
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[21] Taibi, D. M., Vitiello, M. V., Barsness, S., Elmer, G. W., & Landis, C. A. (2009). A systematic review of valerian as a sleep aid: safe but not effective? Sleep Medicine Reviews, 13(4), 257-264.
[22] Goldberg, R. J., & Steury, S. (2014). Serotonin syndrome. American Family Physician, 90(5), 351-357.
[23] US FDA (2021). Dietary Supplements. Zugriff: 15.01.2025, https://www.fda.gov/food/dietary-supplements

Yannik
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Hey, mein Name ist Yannik. Ich bin der Co-Chefredakteur von nahrung.de und befasse mich bereits seit geraumer Zeit mit den Themen Ernährung sowie Nahrungsergänzung. Eine objektive und aufklärende Berichterstattung ist mir besonders wichtig!

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