Was ist Beta-Alanin und wie wirkt es im Körper?

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Beta-Alanin Strukturformel

Eine Supplementierung mit Beta-Alanin wird insbesondere im Sportbereich immer populärer, da sie zu einer Leistungssteigerung führen soll. Doch wie wirkt Beta-Alanin eigentlich und wer kann von eine zusätzlichen Einnahme tatsächlich profitieren? Gibt es Risiken und wie ist überhaupt der aktuelle Forschungsstand? Diese und weitere Fragen werden im folgenden Text umfassend beantwortet.

Beta-Alanin Strukturformel
Die Strukturformel von Beta-Alanin

Was ist eigentlich Beta-Alanin?

Beta-Alanin ist ein sogenanntes Strukturisomer der proteinogenen Aminosäure Alanin (auch: Alpha-Alanin). Das bedeutet, dass diese zwei Aminosäuren zwar dieselbe chemische Strukturformel besitzen, aber aufgrund einer unterschiedlichen Position der Aminogruppe verschiedene biologische Eigenschaften aufweisen. Dadurch erfüllen sie auch im menschlichen Organismus unterschiedliche Funktionen und sind im Grunde nicht vergleichbar. In einer bildlichen Darstellung könnte man sie mit Löffel und Gabel vergleichen. Grundlegend sind sich diese Besteckteile sehr ähnlich, doch erfüllen sie aufgrund ihrer unterschiedlichen Form verschiedene Aufgaben. Oder wer mag schon seine Suppe mit einer Gabel essen?

Beta-Alanin kann über die Nahrung aufgenommen werden, wird aber auch permanent vom menschlichen Körper selbst hergestellt. Es ist ein natürliches Abbauprodukt der Pyrimidinbasen Uracil und Cytosin (Grundbausteine von DNA und RNA) und spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung Carnosin. Dadurch ist es an einer gesunden Funktion von Muskeln und dem Gehirn beteiligt.

Wie wirkt Beta-Alanin im Körper?

Beta-Alanin entsteht als Abbauprodukt in der Leber und wird von dort in die Blutbahn abgegeben. Auch mit der Nahrung aufgenommenes Beta-Alanin gelangt über den Darm in die Blutbahn. Von dort wird es über den Blutkreislauf zu den Zielorganen transportiert. Die größten Mengen an Beta-Alanin finden sich in der Muskulatur und im Gehirn. Dort liegt es zumeist in Form von Carnosin vor, ein Dipeptid, das aus nur zwei Aminosäuren aufgebaut ist: Beta-Alanin und Histidin. Histidin ist eine semi-essentielle Aminosäure, die für den Bau zahlreicher Proteine benötigt wird und in geringen Mengen mit der Nahrung aufgenommen werden muss. Die Bildung von Carnosin hängt somit von der Verfügbarkeit dieser zwei Aminosäuren ab. Studien konnten zeigen, dass der Carnosingehalt in der Muskulatur steigt, wenn vermehrt Beta-Alanin aufgenommen wird, sodass Beta-Alanin als limitierender Faktor für die gebildete Menge an Carnosin verstanden werden kann. Experten gehen davon aus, dass sich die positive Wirkung von Beta-Alanin einzig über die Steigerung des Carnosingehaltes erklären lässt. 

Beta-Alanin in der Muskulatur

Carnosin wirkt in der Muskulatur als Puffer, indem es bei kurzzeitiger hoher Belastung die Bildung von Milchsäure (Lactat) reduziert. Lactat wird in den Muskelzellen dann produziert, wenn im anaeroben Trainingsbereich Energie aus Glykolyse, also der Verbrennung von Zucker, gewonnen werden muss. Diese Reaktion ist unabhängig von Sauerstoff und verspricht eine rasche Bereitstellung von Energie. Der Preis dafür ist allerdings ein Anstieg freier Wasserstoffionen in den Zellen, die zur Entstehung von Natriumlactat führen. Zwar wird das Lactat schnell weiter verstoffwechselt, wenn aber mehr entsteht als abgebaut werden kann, kann es zu einer Übersäuerung der Muskulatur kommen. Dadurch kommt nicht nur der Energiestoffwechsel langsam zum erliegen, auch Schmerzen und eine Verhärtung der überbeanspruchten Muskulatur machen sich bemerkbar und führen schließlich zu einem deutlichen Leistungsabfall. Carnosin erfüllt die Aufgabe, diese drohende Übersäuerung abzufangen, indem es die Bildung von Lactat verlangsamt. Je mehr Carnosin somit im Muskel vorhanden ist, desto weniger Lactate werden gebildet, desto länger ist die Muskulatur belastbar. Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen Carnosin und der Leistungsfähigkeit der Muskulatur. Die Menge an Carnosin wiederum hängt von der Bereitstellung von Beta-Alanin ab.

Beta-Alanin im Gehirn

Auch im Gehirn finden sich vergleichsweise große Mengen Carnosin, allerdings ist seine physiologische Bedeutung dort bis heute weitestgehend unklar. Aus der Blutbahn gelangt Beta-Alanin ungehindert durch die Blut-Hirn-Schranke in das zentrale Nervensystem und wird dort hauptsächlich in speziellen Gliazellen (Oligodendrozyten) für die Bildung von Carnosin verwendet. Von dort wird das Dipeptid in Nervenzellen und Astrozyten transportiert und in diesen Zellen gespeichert. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass Carnosin eine wesentliche Bedeutung für die Reduktion von oxidativem Stress spielt. Oxidativer Stress ist eine Hauptursache für Alterungsprozesse und steht im Gehirn in einem engen Zusammenhang mit der Entstehung unterschiedlicher neurodegenerativer Erkrankungen (z. B. Alzheimer). Tatsächlich ist es auffällig, das Carnosin besonders in den Geweben in großer Menge vorliegt, in denen der Stoffwechsel sehr aktiv und die Belastung durch oxidativen Stress somit potentiell sehr hoch ist. Aufgrund seiner antioxidativen und neuroprotektiven (das Gehirn schützenden) Eigenschaften gerät Carnosin zunehmend in den Fokus als mögliches Therapeutikum bei neurodegenerativen Erkrankungen. Aufgrund dieser Zusammenhänge trägt auch Beta-Alanin als limitierender Faktor für die Bildung von Carnosin einen wichtigen Beitrag für eine gesunde Funktion des Gehirns.

Wie wird Beta-Alanin aufgenommen?

Beta-Alanin wird wahrscheinlich in physiologisch ausreichender Menge vom Körper selbst hergestellt, sodass eine zusätzliche Aufnahme über die Nahrung gesundheitlich nicht notwendig erscheint. Dennoch kann aber ebenso aufgenommenes Beta-Alanin im Körper verwendet werden. Wie auch andere Aminosäuren wird Beta-Alanin durch unterschiedliche Enzyme aus der Nahrung abgespalten und über die Schleimhaut im Dünndarm aufgenommen. Von hier gelangt es über den Blutkreislauf in die Zellen. Chemisch betrachtet unterscheidet sich selbst-produziertes und mit der Nahrung ausgenommenes Beta-Alanin nicht. 

Beta-Alanin in natürlichen Nahrungsmitteln

Mit der Nahrung wird Beta-Alanin hauptsächlich über die Dipeptide Carnosin und Anserin aufgenommen. Dabei ist Anserin nur eine leicht veränderte Form von Carnosin, die im Muskelfleisch von Vögeln und Fischen vorkommt. Somit findet sich Beta-Alanin hauptsächlich in Fleisch und Fisch wieder. Da im Zuge des Verarbeitungsprozesses der Gehalt an Beta-Alanin stark reduziert wird, ist derAnteil in Wurstwaren oder ähnlichen Produkten geringer. Im Gegensatz zu vielen Behauptungen kommt Beta-Alanin ebenso in Pflanzen vor, wenn auch in deutlich geringeren Mengen. Pflanzen bilden Beta-Alanin vor allen Dingen bei Stress (z. B. Hitze oder Wassermangel). Die Aminosäure erfüllt unterschiedliche Schutzfunktionen im pflanzlichen Stoffwechsel, die noch besser verstanden werden müssen.

Zusammenfassend lassen sich somit folgende Lebensmittel als reich an Beta-Alanin beschreiben:

  • Muskelfleisch von Wild, Rind oder Schwein
  • Geflügelfleisch
  • Fisch

Zur Versorgungslage mit Beta-Alanin gibt es keine Erhebung Es ist jedoch davon auszugehen, dass allein die körpereigene Bildung von Beta-Alanin für einen gesunden Menschen ausreichend ist, um den Bedarf zu decken und der Körper auf eine zusätzliche Einnahme nicht angewiesen ist. Somit sollte die Versorgung mit Beta-Alanin auch für Menschen, die kein Fleisch essen, kein Problem darstellen. Zumal die Aminosäure in geringen Mengen auch in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt.

Beta-Alanin in Nahrungsergänzungsmitteln

In den letzten Jahren wurde Beta-Alanin als Nahrungsergänzungsmittel insbesondere im Sportbereich immer populärer. Hier wird es vor allen Dingen für seine positive Auswirkung auf den Carnosingehalt in der Muskulatur beworben. Die Steigerung des Carnosingehalts kann dabei von unterschiedlichen Faktoren abhängen. Neben der aufgenommenen Dosis und der Dauer der Einnahme kann auch die Formulierung oder andere Ernährungseinflüsse regulierend auf die Synthese von Carnosin wirken. Auch die Beanspruchung der Muskulatur hat einen direkten Einfluss auf die Bildung von Carnosin, sodass der Trainingsstatus von wesentlicher Bedeutung ist. Bei gesteigerter sportlicher Aktivität steigt die Bildung von Carnosin, auch wenn kein zusätzliches Beta-Alanin eingenommen wird.

Beta-Alanin ist zumeist in Form von Pulver, seltener als Kapsel oder Tablette erhältlich. Magensaftresistente Kapseln sind dann von Vorteil, wenn der Inhalt vor der aggressiven Magensäure geschützt werden muss. Bei Beta-Alanin ist das nicht nötig, jedoch vereinfachen Kapseln die Dosierung. Die allgemeinen Empfehlungen raten zu der Einnahme von 3-6 Gramm pro Tag, die auf etwa 4 Einzeldosen verteilt werden sollen. Um die Carnosinspeicher in der Muskulatur aufzufüllen, sollte die Einnahme über einen Zeitraum von mehreren Wochen (z. B. 4 bis 10) erfolgen. Diese hoch anmutende Dosierung sei deswegen nötig, weil nur ein sehr geringer Teil des aufgenommenen Beta-Alanins tatsächlich für die Bildung von Carnosin verwendet wird. Gleichzeitig sei eine Verteilung auf mehrere Einzeldosen über den Tag notwendig, um unangenehme Nebenwirkungen wie Kribbeln auf der Haut oder Sensibilitätsstörungen zu reduzieren. 

Eine alternative Einnahme erfolgt in Form von Tabletten, die ihr enthaltenes Beta-Alanin zeitverzögert freigeben, wodurch auch höhere Einzeldosen ohne Nebenwirkungen möglich sein sollen. Diese Form der Supplementierung könnte Studien zufolge möglicherweise zu einem stärkeren Anstieg des Carnosingehalts in der Muskulatur führen. Es sind allerdings weitere Studien nötig, um zu klären, ob die gleiche Tagesdosis in verschiedenen Darreichungsformen tatsächlich zu unterschiedlichen Effekten auf die Muskulatur oder die Leistungsstärke führt.

Wer kann von Beta-Alanin-Supplements profitieren?

Auch wenn es diesbezüglich keine genauen Erhebungen gibt, ist davon auszugehen, dass eine Supplementierung von Beta-Alanin für gesunde Menschen physiologisch nicht nötig ist. Die körpereigene Bildung im Zuge des Abbaus von Pyrimidinbasen sollte den Bedarf eigentlich abdecken. Dennoch ist es möglich, dass einige Personengruppen von einer Supplementierung profitieren könnten.

Sportler

Vor allen Dingen unter Sportlern ist die Supplementierung von Beta-Alanin zunehmend verbreitet. In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2017 fassen Wissenschaftler aus Brasilien die Ergebnisse von 23 Studien aus dem Zeitraum 2005 bis 2015 zusammen, die sich mit einem möglichen Effekt von Beta-Alanin oder Carnosin auf das Training befasst haben. Die Ergebnisse dieser Studien streuten breit und zeigten kein deutliches einheitliches Ergebnis. Allerdings war der direkte Vergleich aufgrund unterschiedlicher verwendeter Dosen, Sportarten und Messparameter auch schwierig. Nichtsdestotrotz deuten die Studien darauf hin, dass eine Supplementierung von Beta-Alanin die biochemischen Parameter verbessert, die im Zusammenhang mit Muskelermüdung stehen (z. B. Lactatkonzentration). Auch das subjektive Empfinden zur Muskelermüdung sowie die körperliche Leistungsfähigkeit schienen leicht verbessert. Die Ergebnisse waren allerdings oftmals nicht statistisch signifikant, sondern zeigten nur tendenziell in diese Richtung. [4]

Eine weitere Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2019 verdeutlicht das Problem und stellt fest, dass die leistungssteigernden Effekte von Beta-Alanin in einem engen Zusammenhang mit den Besonderheiten der einzelnen Sportart stehen. Dadurch wird es für Trainer und Sportler sehr schwierig, Studienergebnisse für ihre Zwecke korrekt zu interpretieren. Allgemein stellen die Wissenschaftler aber fest, dass bei sogenannten „supramaximalen kontinuierlichen und intermittierenden Übungen die Beweise für einen positiven Effekt einer Beta-Alanin-Supplementierung eindeutig sind“. Das umfasst Sportarten, bei denen die Athleten immer wieder für kurze Zeit bis an ihre Leistungsgrenze oder sogar darüber hinaus gehen. Namentlich werden in der Übersichtsarbeit Radrennen (über 4 km), Rudern (über 2.000 m), Schwimmen (über 100 und 200 m), Kampfsportarten und Wasserball als Sportarten genannte, bei denen für Beta-Alanin eine ergogene (leistungssteigernde) Wirkung belegt werden konnte.

Ältere Menschen

Mit zunehmendem Alter schwindet allmählich die Muskelmasse, da ein Neuaufbau von Proteinen langsamer erfolgt als der Abbau alter Muskeleiweiße. So verliert ein Mensch ab seinem 50. Lebensjahr durchschnittlich 2 Prozent seiner gesamten Muskelmasse pro Jahr. Sollte der Muskelabbau schneller erfolgen, spricht der Mediziner von einer Sarkopenie. Dessen stetiger Fortschritt führt zu einer deutlichen Reduktion der Beweglichkeit und Körperstabilität. Es entsteht ein Teufelskreis, in dem die Muskulatur immer schneller abgebaut wird und der Mensch zunehmend schwächer wird und  schneller ermüdet. Dadurch kommt es auch vermehrt zu Stürzen und daraus resultierenden Verletzungen, die wiederum im Alter schlechter abheilen und die Lebensqualität nachhaltig herabsetzen können. Beta-Alanin könnte einen Beitrag dazu leisten, die muskuläre Aktivität bei alternden Menschen auf einem höheren Niveau zu halten, Ermüdung zu verzögern und die körperliche Leistung zu stärken. Hierzu bedarf es allerdings noch genauere klinische Untersuchungen. Einfache Maßnahmen gegen einen übermäßigen Muskelabbau im Alter sind eine proteinreiche Ernährung und ausreichende Bewegung.

Zusätzlich könnten insbesondere ältere Menschen von den antioxidativen und neuroprotektiven Eigenschaften von Beta-Alanin profitieren. In einem alternden Gehirn steigt das Risiko für die Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen, denen womöglich entgegengewirkt werden könnte. Aber auch hier gibt es noch sehr viel Forschungsbedarf und es muss die Frage geklärt werden, ob sich diese neuroprotektiven Eigenschaften bereits über eine Nahrungsergänzung entfalten oder ob eine höhere Dosierung in Form einer medikamentösen Behandlung erforderlich ist. Auch mögliche Nebenwirkungen müssten dann noch geklärt werden. Tatsächlich konnten Wissenschaftler der Universität Seoul im Jahr 2020 erstmals nachweisen, dass Carnosin, das Beta-Alanin enthält, bei menschlichen Nervenzellen in Kultur den Alterungsprozess deutlich verlangsamt. Dieses grundlegende Experiment gibt allerdings nur erste Hinweise, die in komplexen Studien weiter analysiert werden müssen.

Risikobewertung und Sicherheitsaspekte

Im Jahr 2015 gab die International Society of Sports Nutrition (ISSN) zuletzt einen kritischen Überblick über die Verwendung von Beta-Alanin-Supplements. Dabei kam zu dem Schluss, dass die zusätzliche Einnahme von Beta-Alanin für gesunde Menschen innerhalb der Dosierungsempfehlung von maximal 6 Gramm täglich unbedenklich ist. Die positiven Effekte werden dem durch Beta-Alanin induzierten Anstieg von Carnosin in der Muskulatur zugeschrieben.

Als einzige bekannt Nebenwirkung wird Parästhesie, also ein Kribbeln auf der Haut genannt. Es erscheint dosisabhängig und kann bis zu 90 Minuten nach der Einnahme anhalten. Verursacht wird diese Irritation vermutlich durch die Aktivierung bestimmter Rezeptoren von Nervenzellen im Rückenmark. Deren Fasern leiten sensorische Informationen von der Hautoberfläche an das Gehirn weiter. Betroffen von einer Parästhesie sind meistens Gesicht, Nacken oder Handrücken, wobei sie nicht bei allen Menschen auftritt und individuell unterschiedlich stark ausfällt. Diese Nebenwirkung reduziert sich deutlich, wenn die Tagesdosis auf mehrere Einzeldosen aufgeteilt wird oder Supplements verwendet werden, die ihre Dosierung verzögert abgeben.

Ein weiteres mögliches Problem bei einer Supplementierung von Beta-Alanin könnte eine daraus folgende Unterversorgung mit der Aminosäure Taurin darstellen. Sie erfüllt im menschlichen Stoffwechsel eine Vielzahl von Aufgaben und konkurriert im Darm mit Beta-Alanin um denselben Transporter, der die Aminosäuren über die Zellen der Darmschleimhaut aufnimmt. Bisher gibt es allerdings keine Belege dafür, dass Beta-Alanin in großen Mengen tatsächlich zu einem Mangel an Taurin führt. Zusammenfassend halten die Experten der ISSN die Nebenwirkungen und möglichen Risiken für unbedenklich und gehen trotz komplett fehlender Datenlage davon aus, dass auch eine längere Einnahme (über ein Jahr) „wahrscheinlich ohne Sicherheitsbedenken“ ist.

Die Verbraucherzentrale bemängelt, dass es keine ausreichenden Belege für eine positive Wirkung von Beta-Alanin auf den Muskel gibt und das vor allen Dingen Untersuchungen zur Sicherheitsbewertung bei einer langfristigen Einnahme vollständig fehlen. Grundsätzlich könnten auch Hochleistungssportler den Bedarf sämtlicher Aminosäuren problemlos über die Nahrung decken und müssten nicht auf diverse Proteinpulver zurückgreifen. Lediglich für den Profisport, in dem es bei Wettkämpfen teilweise um Millisekunden geht, sei eine Einnahme unter professioneller Kontrolle denkbar.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat noch keine gesonderte Stellungnahme zu Beta-Alanin abgegeben. Allerdings machte Dr. Hans Braun von der Deutschen Sporthochschule Köln bereits im Jahr 2012 auf dem 14. BfR-Forum „Nahrungsergänzungsmittel für Sportler“ darauf aufmerksam, dass die Supplementierung von Carnosin oder Beta-Alanin die Leistung unter hoch intensiver laktazider (Milchsäure wird gebildet) Belastung in einem Bereich von 1-6 Minuten verbessert. Damit mag eine Supplementierung im Hochleistungsprofisport interessant sein, selbst für ambitionierte Hobbysportler bleibt der Nutzen insbesondere bei zum Teil unklarer Risikolage allerdings fraglich.

Zusammenfassung und Fazit

Beta-Alanin ist eine Aminosäure, die vom Körper selbst gebildet wird und zusätzlich mit der Nahrung aufgenommen werden kann. Eine ihrer wichtigsten Funktionen ist die Bildung von Carnosin, das für die Leistungsdauer der Muskulatur von Bedeutung ist und eine positive Auswirkung auf das Gehirn besitzt. Durch eine zusätzliche Einnahme von Beta-Alanin können die Carnosinspeicher in der Muskulatur weiter gefüllt werden, sodass die Leistung im anaeroben Bereich gesteigert werden kann. Im Detail geht es um eine Verlängerung der Leistungsdauer um 1 bis 6 Minuten. Da nur das anaerobe Training von diesem Effekt betroffen ist, profitieren in erster Linie Sportler, die kurzzeitig intensive Leistungsspitzen zeigen müssen. Bei anderen Sportarten konnten mitunter nur schwache oder gar keine Effekte nachgewiesen werden. Insbesondere im Profisport kann eine Supplementierung somit von Vorteil sein. Neben Sportlern könnten aber auch ältere Menschen von Beta-Alanin profitieren, da es möglicherweise kognitiven Alterserscheinungen entgegenwirken könnte.

Die möglichen Risiken, insbesondere einer langfristigen Einnahme von Beta-Alanin sind nicht tiefgreifend untersucht. Eine häufige Nebenwirkung ist ein Kribbeln auf der Haut, das vermutlich dadurch entsteht, das Beta-Alanin in großen Mengen bestimmte Nervenzellen im Rückenmark stimuliert und es zu einer sensorischen Fehlwahrnehmung kommt. Das Kribbeln tritt nicht bei allen Menschen gleichermaßen auf, ist dosisabhängig und verschwindet nach spätestens 90 Minuten von allein. Es kann reduziert werden, wenn die Tagesdosis auf mehrere kleinere Einzeldosen über den Tag verteilt wird. Experten für Nahrungsergänzungsmittel im Sport stufen diese Nebenwirkung als ungefährlich ein, eine genaue Abklärung gibt es aber auch diesbezüglich nicht.

Nahrungsergänzungsmittel zur Steigerung der sportlichen Leistung sind grundsätzlich physiologisch nicht nötig, können aber zu einem Vorteil bei Wettkämpfen beitragen. Da der Nutzen von Beta-Alanin allerdings überschaubar ist, Nebenwirkungen unangenehm sein können und die Risiken etwas unklar bleiben, kann es ratsam sein, auf alternative und bewährte Supplements wie zum Beispiel Kreatin zurückzugreifen. Dennoch ist auch hier anzumerken, dass der Nutzen im Hobbysport fraglich bleibt.

Quellen

  • Perim et al. (2019) Can the Skeletal Muscle Carnosine Response to Beta-Alanine Supplementation Be Optimized? Front Nutr. 2019; 6: 135.
  • Solana-Manrique et al. (2022) Antioxidant and Neuroprotective Effects of Carnosine: Therapeutic Implications in Neurodegenerative Diseases. Antioxidants (Basel). 2022 Apr 26;11(5):848.
  • Parthasarathy et al. (2019) The Synthesis and Role of β-Alanine in Plants. Front Plant Sci. 2019; 10: 921.
  • Zanella et al. (2017) Effects of beta-alanine supplementation on performance and muscle fatigue inathletes and non-athletes of different sports: a systematic review. J Sports Med Phys Fitness. 2017 Sep;57(9):1132-1141.
  • Brisola & Zagatto (2019) Ergogenic Effects of β-Alanine Supplementation on Different Sports Modalities: Strong Evidence or Only Incipient Findings? J Strength Cond Res. 2019 Jan;33(1):253-282.
  • Kim & Kim (2020) L-histidine and L-carnosine exert anti-brain aging effects in D-galactose-induced aged neuronal cells. Nutr Res Pract. 2020 Jun;14(3):188-202.
  • Trexler et al. (2015) International society of sports nutrition position stand: Beta-Alanine. J Int Soc Sports Nutr. 2015; 12: 30.
  • Verbraucherzentrale (Stand: 6.12.21) Aminosäuren für Freizeitsportler – besser als ein kleines Steak?
  • Braun (2012) Nahrungsergänzungsmittel für Sportler. Vortrag auf 14. BfR-Forum – NEM für Sportler.
Annika Mix ist promovierte Biologin und arbeitete viele Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer journalistischen Weiterbildung erfüllte sie sich den Wunsch, als freiberufliche Texterin und Wissenschaftsjournalistin Themen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln.