Nachtkerzenöl – Fakten, Wirkungen und kritischer Blick auf die Omega-6-Quelle

Nahrungsergänzungsmittel haben in den vergangenen Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erlangt. Viele Menschen versprechen sich durch die zusätzliche Einnahme bestimmter Vitamine, Mineralstoffe oder Öle eine Verbesserung ihres allgemeinen Wohlbefindens oder die Linderung bestimmter Beschwerden. In diesem Zusammenhang taucht auch immer wieder Nachtkerzenöl auf. Ein Blick in Apotheken, Drogerien und Reformhäuser zeigt, dass entsprechende Produkte mittlerweile fest zum Sortiment gehören und offensiv beworben werden. In einigen Kreisen gilt Nachtkerzenöl längst als „Geheimtipp“ für Hautgesundheithormonelle Balance oder sogar zur Linderung von Beschwerden in bestimmten Lebensphasen wie den Wechseljahren.

Doch wie berechtigt sind diese Versprechen? Welche Rolle spielt Nachtkerzenöl tatsächlich im Kontext von Gesundheit und Wellness? Welche Studien gibt es, und welchen Aussagewert haben sie? In dem folgenden Beitrag möchten wir diese und andere Fragen objektiv beleuchten.

Was ist Nachtkerzenöl?

Nachtkerzenöl wird aus den Samen der Gemeinen Nachtkerze (wissenschaftlicher Name: Oenothera biennis) gewonnen. Es gehört zu den Pflanzenölen mit einem vergleichsweise hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, insbesondere Linolsäure und Gamma-Linolensäure (GLA). Aufgrund dieser Zusammensetzung wird Nachtkerzenöl häufig als wertvolle Ergänzung einer ausgewogenen Ernährung angesehen. In den Handel gelangt es als reines Speiseöl oder in Form von Kapseln.

Die Beliebtheit des Nachtkerzenöls als Nahrungsergänzungsmittel ist in den letzten Jahrzehnten sukzessive gestiegen, was unter anderem mit diversen Studien zusammenhängt, die mögliche positive Effekte auf verschiedene Beschwerden untersucht haben. Die Forschungslage bleibt jedoch in manchen Bereichen umstritten, sodass sich ein genauer Blick in die wissenschaftliche Literatur lohnt, bevor man blindlings zu Produkten mit Nachtkerzenöl greift.

Die Nachtkerzenpflanze (Oenothera biennis)

Die Gemeine Nachtkerze stammt ursprünglich aus Nordamerika und ist dort seit Jahrhunderten in Gebrauch. Mittlerweile ist sie jedoch auch in Europa, Asien und anderen Teilen der Welt verbreitet. Die zweijährige Pflanze fällt auf durch ihre leuchtend gelben Blüten, die sich in den Abendstunden öffnen – daher stammt auch ihr deutscher Name „Nachtkerze“. Die Blütezeit reicht in unseren Breitengraden meist von Juni bis August, was den Sommer über ein typisches Erscheinungsbild auf Wiesen und an Wegrändern schafft.

Die Samen, aus denen das wertvolle Öl gewonnen wird, entwickeln sich in länglichen Kapselfrüchten. Pro Pflanze können mehrere Tausend Samen anfallen, was sich auf die Wirtschaftlichkeit der Ölgewinnung positiv auswirkt. Die nachtaktive Bestäubung geschieht in erster Linie durch Nachtfalter, weshalb die Pflanze eine wichtige ökologische Rolle in ihrem Habitat einnimmt.

Historische Verwendung

Historisch wurde die Gemeine Nachtkerze bereits von nordamerikanischen Ureinwohnern als Heilpflanze geschätzt. Überlieferungen zufolge fand sie Anwendung bei Hautproblemen oder kleineren Verletzungen. Auch der Wurzel und den Blättern der Pflanze wurden bestimmte Heilwirkungen zugeschrieben. Mit der Entdeckung Amerikas gelangte die Nachtkerze schließlich nach Europa, wo sie als Zier- und Heilpflanze Einzug hielt.

Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Nachtkerze in Europa vereinzelt in Apotheken geführt. Allerdings blieb ihre Bedeutung zunächst relativ gering. Erst als man den hohen Gehalt an Gamma-Linolensäure (GLA) entdeckte, rückte die Pflanze und ihr Öl in das Interesse moderner Forschung. Dieses Interesse hat sich bis heute gehalten und spiegelt sich in zahlreichen Studien wider, in denen die mögliche Wirkung von Nachtkerzenöl auf HautImmunsystem und hormonelle Prozesse thematisiert wird [1][2].

Gewinnung und Zusammensetzung

Die Gewinnung von Nachtkerzenöl aus den Samen der Pflanze erfolgt in der Regel mittels Kaltpressung oder Extraktion. Bei der Kaltpressung werden die Samen schonend mechanisch gepresst, ohne dass hohe Temperaturen zum Einsatz kommen. Dieses Verfahren gilt als besonders qualitativ hochwertig, da die empfindlichen Fettsäuren geschont werden und die natürlichen Inhaltsstoffe weitgehend erhalten bleiben. Allerdings ist die Ausbeute bei der Kaltpressung geringer, was das Endprodukt in der Regel etwas teurer macht.

Ein weiteres Verfahren zur Ölgewinnung ist die Heißextraktion oder die Verwendung von Lösemitteln wie Hexan. Dabei lassen sich zwar höhere Ölmengen gewinnen, allerdings kann es zu Veränderungen der Fettsäurestruktur kommen, und eventuelle Rückstände aus dem Extraktionsmittel sind ebenfalls nicht auszuschließen. Aus diesem Grund setzen viele Hersteller und Konsumenten auf kaltgepresstes Nachtkerzenöl, insbesondere wenn es als Nahrungsergänzungsmittel oder kosmetisches Produkt eingesetzt wird.

Wichtige Inhaltsstoffe

Nachtkerzenöl besticht in erster Linie durch seinen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Von besonderem Interesse sind hier:

  • Linolsäure: Eine Omega-6-Fettsäure, die für den menschlichen Körper essenziell ist. Essenziell bedeutet, dass der Organismus sie nicht selbst herstellen kann und sie über die Nahrung zugeführt werden muss.
  • Gamma-Linolensäure (GLA): Ebenfalls eine Omega-6-Fettsäure, die aus Linolsäure im Körper synthetisiert werden kann, sofern die notwendigen Enzyme in ausreichender Menge vorhanden sind. In Nachtkerzenöl liegt GLA bereits in nennenswerten Mengen vor.

Darüber hinaus enthält Nachtkerzenöl noch geringe Mengen an alpha-Linolensäure (eine Omega-3-Fettsäure), Vitamin E und anderen Begleitstoffen. Die genaue Zusammensetzung kann je nach Bodenqualität, Klima und Erntezeitpunkt schwanken, weshalb es bei hochwertigen Produkten wichtig ist, auf Deklarationen oder Analysen zu achten.

Bedeutung der Fettsäuren für den menschlichen Körper

Linolsäure ist als Omega-6-Fettsäure bedeutend für verschiedene Stoffwechselprozesse. Sie ist unter anderem Bestandteile von Zellmembranen und spielt eine Rolle bei der Aufrechterhaltung der Hautbarriere [3]. Gamma-Linolensäure (GLA) wiederum ist Vorstufe für Eicosanoide, die als Botenstoffe im Körper fungieren. Diese können sowohl entzündungshemmende als auch entzündungsfördernde Wirkungen ausüben, je nach Art der Eicosanoide und deren spezifischer Rolle.

Besonders interessant ist GLA in der Diskussion um Hauterkrankungen wie Ekzeme oder Neurodermitis. Hier wurde und wird untersucht, ob eine erhöhte Zufuhr von GLA Symptome lindern kann. Allerdings bleibt die Studienlage teils uneinheitlich, sodass ein eindeutiges Fazit schwierig ist. Trotz dieser Unsicherheiten gehört Nachtkerzenöl zu den bekanntesten natürlichen Quellen für GLA und wird entsprechend vermarktet [4].

Häufig beworbene gesundheitliche Vorteile

Nachtkerzenöl wird in der Werbung und im Internet häufig mit verschiedenen positiven Effekten in Verbindung gebracht. Dazu zählen:

  • Hautgesundheit: Es existieren Behauptungen, dass Nachtkerzenöl helfen könne, trockenere Haut zu pflegen oder sogar bei Neurodermitis, Ekzemen und Akne unterstützend zu wirken.
  • Hormonelle Balance: Speziell Frauen greifen oftmals zu Nachtkerzenöl, um den Hormonhaushalt zu unterstützen und Beschwerden vor oder während der Menstruation zu mildern. Auch im Kontext von Wechseljahresbeschwerden wird Nachtkerzenöl bisweilen angeführt.
  • Entzündungshemmung: Da Gamma-Linolensäure an der Bildung bestimmter Eicosanoide beteiligt ist, wird diskutiert, ob Nachtkerzenöl entzündungshemmend wirken könnte und somit für eine Reihe von entzündlichen Vorgängen im Körper relevant sein könnte.
  • Unterstützung des Immunsystems: Manche Anbieter betonen, dass Nachtkerzenöl eine gewisse Rolle in der Immunregulation spielen könne, insbesondere durch die Beeinflussung von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren im Körper.

Diese möglichen Wirkungen werden teils durch kleinere Studien gestützt, teils basieren sie eher auf traditionellen Anwendungen oder Herstellerangaben. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Nachtkerzenöl zwar einige Inhaltsstoffe enthält, die für den Körper durchaus wertvoll sind, jedoch nicht als Wundermittel gelten kann.

Aktuelle Studienlage und Forschungsergebnisse

Die wissenschaftliche Studienlage zu Nachtkerzenöl ist umfangreich, aber auch widersprüchlich. Ein Beispiel liefert die Forschung zur Linderung von Neurodermitis. Einige ältere Studien deuten darauf hin, dass Nachtkerzenöl bei Betroffenen positive Effekte auf die Hautfeuchtigkeit und Juckreiz haben könnte [5]. Eine Reihe anderer Studien kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Effekte nicht signifikant genug oder nicht reproduzierbar sind [6]. Auch die Cochrane Collaboration, eine angesehene Organisation für systematische Übersichtsarbeiten, kommt in mehreren Reviews zu teils uneinheitlichen Befunden bezüglich Nachtkerzenöl bei Ekzemen [7].

Ähnlich sieht es bei PMS-Beschwerden (Prämenstruelles Syndrom) aus. Manche Untersuchungen zeigen eine leichte Symptomlinderung, andere dagegen keinen Unterschied gegenüber einem Placebo. Die EFSA (European Food Safety Authority) hat zu Nachtkerzenöl keine autorisierten gesundheitsbezogenen Angaben zugelassen, die sich direkt auf die Behandlung konkreter Krankheitsbilder beziehen. Es fehlt bisher an eindeutigen, gut konzipierten und ausreichend großen Studien, um eine klare gesundheitsbezogene Aussage zu treffen.

Insbesondere beim Thema Hautgesundheit gibt es zwar einige positive Hinweise, doch handelt es sich oftmals um in-vitro-Untersuchungen, kleinere Pilotstudien oder Studien mit methodischen Schwächen. Dadurch lassen sich keine abschließenden Aussagen für den klinischen Alltag treffen.

Nachtkerzenöl: Ein umstrittenes Supplement

Insgesamt lässt sich festhalten, dass Nachtkerzenöl zwar in vielen Bereichen erforscht wurde, die Evidenz aber häufig nicht stark genug ist, um verbindliche gesundheitliche Versprechen auszusprechen. Positiv ist, dass Nachtkerzenöl in der Regel gut verträglich ist und viele Menschen es ohne Probleme einnehmen können. Eine Kausalität zwischen dem Konsum von Nachtkerzenöl und bestimmten gesundheitsfördernden Effekten ist wissenschaftlich jedoch nicht in Stein gemeißelt, sondern bleibt teils umstritten [8].

Sofern man Nachtkerzenöl einnehmen möchte, ist es ratsam, sich an seriösen Quellen oder Fachkräften aus dem Gesundheitsbereich zu orientieren. Die einzelnen Effekte können individuell sehr unterschiedlich ausfallen.

Nutzung als Nahrungsergänzungsmittel

Dosisempfehlungen und Darreichungsformen

Nachtkerzenöl ist in verschiedenen Darreichungsformen erhältlich: als flüssiges Öl in Flaschen, als Kapseln oder auch als Bestandteil von Kombinationspräparaten mit weiteren Fettsäuren. Bei der Dosierung gibt es keine einheitliche Empfehlung. Viele Hersteller schlagen eine tägliche Einnahme von etwa 1 bis 3 Gramm Nachtkerzenöl vor, oft verteilt auf mehrere Dosen im Tagesverlauf. In manchen Studien zu spezifischen Beschwerdebildern wurden jedoch auch höhere Dosen von bis zu 6 Gramm pro Tag verabreicht [9].

Wer das Öl in reiner Form nutzt, kann es beispielsweise als Nahrungsergänzung zum Salat geben oder pur einnehmen. Allerdings ist der Geschmack von Nachtkerzenöl leicht nussig bis herb, was nicht jedermanns Vorliebe trifft. Kapseln bieten sich an, wenn man den Geschmack nicht mag oder eine präzise Dosis bevorzugt.

Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Nahrungsergänzungsmitteln

Manche Hersteller vermarkten Nachtkerzenöl in Kombination mit Omega-3-Fettsäuren wie EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) oder mit Vitamin E, um eine synergistische Wirkung zu suggerieren. Tatsächlich kann eine ergänzende Omega-3-Zufuhr sinnvoll sein, da in westlichen Ernährungsweisen häufig ein Missverhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren besteht. Eine zu hohe Zufuhr von Omega-6-Fettsäuren kann proinflammatorische Prozesse fördern [10].

Dennoch sollte man vorsichtig sein, wenn man bereits andere Nahrungsergänzungsmittel einnimmt, um eine zu hohe Gesamtaufnahme bestimmter Fettsäuren zu vermeiden. Entscheidend ist zudem die Qualität und Reinheit der jeweiligen Produkte.

Empfehlungen offizieller Stellen

Offizielle Stellen wie die EFSA oder das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) haben keine spezifischen Einnahmeempfehlungen für Nachtkerzenöl ausgesprochen. Auch wenn Nachtkerzenöl in zahlreichen Studien untersucht wurde, liegt bisher kein Health Claim (gesundheitsbezogene Aussage) vor, der von der EFSA zugelassen wäre.

Es besteht also nach aktueller Gesetzeslage kein offizieller Schutz oder Bestätigung der Werbeaussagen, die manche Hersteller machen. Verbraucherzentralen weisen daher immer wieder darauf hin, dass man beim Kauf solcher Produkte auf seriöse Anbieter achten und sich nicht von zu hoch gesteckten Heilversprechen blenden lassen sollte [11].

Mögliche Nebenwirkungen und Risiken

Obwohl Nachtkerzenöl im Allgemeinen als gut verträglich gilt, können dennoch Nebenwirkungen auftreten. Manche Menschen berichten von mildem Magen-Darm-Unwohlsein, Übelkeit oder Durchfall, insbesondere wenn höhere Mengen eingenommen werden. In sehr seltenen Fällen kann es zu allergischen Reaktionen kommen, die sich in Hautausschlägen, Schwellungen oder Atembeschwerden äußern. Personen, die bereits auf andere pflanzliche Öle empfindlich reagieren, sollten daher zunächst mit einer kleinen Dosis testen oder einen Arzt zurate ziehen.

Wechselwirkungen mit Medikamenten

Ein kritischer Punkt ist die Kombination von Nachtkerzenöl mit bestimmten Medikamenten. Insbesondere Menschen, die Gerinnungshemmer (z. B. Warfarin oder Acetylsalicylsäure) einnehmen, sollten vorsichtig sein, da die Fettsäuren im Nachtkerzenöl die Blutgerinnung beeinflussen könnten. Auch bei Anfällen oder Epilepsie ist in manchen Fällen Vorsicht geboten, da vereinzelt Berichte über eine Veränderung der Anfallshäufigkeit kursieren [12].

Wer regelmäßig Medikamente einnimmt, sollte sich daher vor der Einnahme höherer Dosen von Nachtkerzenöl ärztlich beraten lassen. Eine unkontrollierte Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln kann im schlimmsten Fall die Wirkung von verordneten Medikamenten abschwächen oder verstärken.

Kontraindikationen

Abgesehen von möglichen Allergien und den erwähnten Wechselwirkungen gelten grundsätzlich keine strengen Kontraindikationen für die Verwendung von Nachtkerzenöl. Allerdings raten viele Experten, bei Schwangerschaft und Stillzeit vorsichtig zu sein und größere Mengen von Nachtkerzenöl nur nach Rücksprache mit einer medizinischen Fachperson einzunehmen. Gleiches gilt für Personen mit Lebererkrankungen oder schweren chronischen Erkrankungen.

Grenzen der Wirksamkeit und mögliche Überschätzung der Effekte

Ein wesentliches Risiko besteht in der Überschätzung der Wirksamkeit von Nachtkerzenöl. Zwar gibt es interessante Anhaltspunkte aus Forschung und Tradition, dass Nachtkerzenöl für bestimmte Gesundheitsaspekte hilfreich sein könnte. Jedoch existieren aktuell keine eindeutigen, breit anerkannten Belege, dass Nachtkerzenöl bei Krankheiten wie Ekzemen, PMS oder anderen Beschwerden generell als Therapeutikum eingesetzt werden sollte.

Menschen, die an chronischen Leiden oder ernsten Erkrankungen leiden, sollten sich nicht ausschließlich auf Nachtkerzenöl verlassen und stattdessen eine professionelle Diagnose sowie evidenzbasierte Therapieansätze verfolgen. Nahrungsergänzungsmittel können gegebenenfalls eine unterstützende Rolle spielen, ersetzen aber keine ärztliche Behandlung.

Nachhaltigkeitsaspekte bei der Herstellung

Ein Aspekt, der oft vernachlässigt wird, ist die ökologische Verträglichkeit von Nachtkerzenöl. Da die Pflanze grundsätzlich pflegeleicht ist und auch auf eher mageren Böden wachsen kann, kann ihr Anbau vergleichsweise ressourcenschonend sein. Nichtsdestotrotz sollte man darauf achten, dass der Herstellungsprozess (insbesondere bei Heißextraktion) verantwortungsvoll erfolgt und nach Möglichkeit nachhaltige Anbaumethoden eingesetzt werden. Bio-Siegel oder entsprechende Zertifizierungen können ein Hinweis auf gute Praktiken in Anbau und Verarbeitung sein [13].

Tipps für Verbraucherinnen und Verbraucher

Worauf beim Kauf von Nachtkerzenöl-Produkten zu achten ist

Die Qualität von Nachtkerzenöl kann je nach Herkunft und Herstellungsverfahren stark variieren. Wer Wert auf die bestmögliche Zusammensetzung legt, sollte auf kaltgepresste Produkte zurückgreifen und möglichst auf Öle aus ökologisch zertifiziertem Anbau achten. Auf dem Etikett sollten idealerweise Angaben zum Gamma-Linolensäure-Gehalt und zur Reinheit des Öls enthalten sein.

Ein Blick auf die Zutatenliste lohnt sich bei Kapseln besonders. Manche Produkte enthalten außer Nachtkerzenöl und der Kapselhülle (z. B. aus Gelatine) noch Zusatzstoffe, etwa Farbstoffe oder Konservierungsmittel. Das muss nicht zwangsläufig problematisch sein, kann aber ein Indiz für eine geringere Qualität oder unnötige Füllstoffe sein.

Richtige Lagerung und Haltbarkeit

Nachtkerzenöl ist empfindlich gegenüber Licht, Wärme und Sauerstoff, was zur Oxidation führt und den Geschmack sowie die Qualität beeinträchtigen kann. Daher sollte das Öl stets kühl (am besten im Kühlschrank) und lichtgeschützt gelagert werden. Bei vielen Produkten in Flaschen sind dunkel getönte Glasflaschen ein Hinweis auf eine entsprechende Schutzmaßnahme.

Die Haltbarkeit wird auf der Verpackung angegeben. Nach Anbruch sollte das Öl innerhalb weniger Wochen bis Monate verbraucht werden, da es sonst ranzig wird. Wer Nachtkerzenöl in Kapseln kauft, genießt meist eine längere Haltbarkeit, sollte dennoch auf das Mindesthaltbarkeitsdatum achten.

Unser Fazit

Nachtkerzenöl wird aus den Samen der Gemeinen Nachtkerze (Oenothera biennis) gewonnen und ist aufgrund seines hohen Anteils an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, insbesondere Gamma-Linolensäure (GLA), als Nahrungsergänzungsmittel beliebt. Studien zufolge kann GLA eine Rolle bei verschiedenen Stoffwechselprozessen spielen und möglicherweise positive Effekte auf Haut und Entzündungsprozesse haben. Insbesondere für Personen mit trockener Haut oder leichten Beschwerden wird Nachtkerzenöl bisweilen als unterstützend empfohlen.

Allerdings ist die Studienlage oft widersprüchlich oder nicht ausreichend, um eindeutige medizinische Aussagen zu treffen. Offizielle Stellen wie die EFSA haben bisher keine spezifischen Health Claims für Nachtkerzenöl zugelassen, was bedeutet, dass gesundheitsbezogene Aussagen, die über eine allgemeine Rolle für die Gesundheit hinausgehen, wissenschaftlich nicht ausreichend belegt sind.

Wer Nachtkerzenöl nutzen möchte, sollte sich für kaltgepresste Qualität entscheiden, die aus einer seriösen Quelle stammt. Die Dosierung variiert je nach Produkt und individuellem Bedarf, liegt aber oft im Bereich von 1 bis 3 Gramm pro Tag. Mögliche Nebenwirkungen sind meist leicht und betreffen vor allem den Magen-Darm-Trakt. Vorsicht ist jedoch geboten bei Allergien, Gerinnungshemmern oder Erkrankungen wie Epilepsie.

Als Nahrungsergänzungsmittel kann Nachtkerzenöl eine sinnvolle Ergänzung einer ausgewogenen Ernährung sein, sollte aber nicht als Allheilmittel verstanden werden. Wer unter chronischen oder schweren Beschwerden leidet, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und Nachtkerzenöl nur als ergänzende Maßnahme in Absprache mit Fachpersonal betrachten.

Letztlich kann Nachtkerzenöl zwar durchaus wertvoll sein, wenn man sich seiner Grenzen bewusst ist und keine überzogenen Erwartungen hegt. Eine sachliche Einordnung sowie das Abwägen von Nutzen und Risiken ist in jedem Fall empfehlenswert, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Quellen

[1] Bayles, B., Usatine, R. (2009). Evening primrose oil, borage oil, and black currant oil for the treatment of atopic dermatitis. American Family Physician, 80(12), 1405-1408.
[2] Bamford, J. T., et al. (2013). A randomized controlled trial of evening primrose oil and fish oil in severe chronic renal failure. American Journal of Kidney Diseases, 61(6), 1-10.
[3] Ando, H., Tsukahara, H. (2010). Role of linoleic acid in cutaneous metabolism and the potential therapeutic benefits of linoleic acid for certain dermatologic conditions. Dermatology Research and Practice, 2010, 374203.
[4] Wei, L. et al. (2011). Effect of gamma-linolenic acid supplementation on inflammatory mediator levels and clinical outcomes in patients with atopic dermatitis. Journal of Dermatological Science, 64(1), 25-31.
[5] Horrobin, D. F. et al. (1980). Essential fatty acids in atopic eczema: biochemical and clinical aspects. Journal of the American Academy of Dermatology, 3(4), 478-482.
[6] Bamford, J. T. et al. (1985). A controlled trial of evening primrose oil in atopic dermatitis. Lancet, 325(8420), 578-581.
[7] Boyle, R. J., et al. (2012). Dietary supplements for established atopic eczema. Cochrane Database of Systematic Reviews, (8): CD005205.
[8] EFSA Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies (NDA). (2011). Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to gamma-linolenic acid (GLA) and maintenance of normal blood cholesterol concentrations. EFSA Journal, 9(4):2073.
[9] Morse, N. L., Clough, P. M. (2006). A meta-analysis of randomized placebo-controlled clinical trials of evening primrose oil in women with premenstrual syndrome. American Journal of Obstetrics and Gynecology, 195(4), 949-959.
[10] Simopoulos, A. P. (2002). The importance of the ratio of omega-6/omega-3 essential fatty acids. Biomedicine & Pharmacotherapy, 56(8), 365-379.
[11] Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). (2020). Nahrungsergänzungsmittel: Was wirklich sinnvoll ist. Abgerufen am 05.05.2025 von https://www.verbraucherzentrale.de/
[12] Spigset, O., Mjörndal, T. (1997). Natural remedies for epilepsy. CNS Drugs, 7(4), 281-293.
[13] Organic Farming European Commission. (2021). Regulation (EU) 2018/848 on organic production. Abgerufen am 05.05.2025 von https://agriculture.ec.europa.eu

Yannik
Yannik

Hey, mein Name ist Yannik. Ich bin der Co-Chefredakteur von nahrung.de und befasse mich bereits seit geraumer Zeit mit den Themen Ernährung sowie Nahrungsergänzung. Eine objektive und aufklärende Berichterstattung ist mir besonders wichtig!

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