Selen

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Selen Nahrungsmittel

Selen nimmt eine entscheidende Rolle als essenzielles Spurenelement im menschlichen Organismus ein. Doch wo findet sich Selen in unserer Nahrung und in welchen Mengen ist es notwendig? Gibt es Situationen, in denen eine zusätzliche Zufuhr erforderlich ist, und wenn ja, was gibt es zu beachten? Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den lebenswichtigen Mikronährstoff. Es werden seine Relevanz für die menschliche Gesundheit beleuchtet, Lebensmittelquellen mit hohem Selengehalt aufgezeigt und die Frage nach einer möglichen Nahrungsergänzung erörtert. Dabei basieren die Ausführungen auf aktuellen Erkenntnissen aus der Forschung und Wissenschaft, um eine fundierte Einsicht zu ermöglichen.

Was ist Selen?

Selen ist für den Menschen ein essentielles Spurenelement, das zwingend mit der Nahrung ausgenommenen werden muss. In der Natur kommt das zu den Chalkogenen zählende Element sowohl organisch als auch anorganisch gebunden vor und findet sich vor allen Dingen in Böden. Die Konzentration ist dabei regional stark unterschiedlich und hängt mit den geologischen Verhältnissen, der Landwirtschaft und den klimatischen Bedingungen zusammen. So finden sich besonders große Mengen Selen zum Beispiel in Vulkangestein und in Böden, deren geologischer Ursprung darin liegt.

Die Böden in Mitteleuropa sind vergleichsweise arm an Selen, was als häufiger Punkt aufgeführt wird, um die Supplementierung hierzulande zu bewerben. Denn sie sind die Basis für den Selengehalt in der regionalen Nahrungskette. Hier hinein gelangt das Spurenelement über Pflanzen, die gelöstes Selen aus dem Boden aufnehmen und einlagern. Entsprechend kann der Selengehalt in Pflanzen stark variieren, je nachdem, wo die jeweilige Pflanze angebaut wurde. Tiere, die diese Pflanzen fressen, lagern wiederum Selen ein, sodass der Mensch sowohl über pflanzliche als auch über tierischen Nahrungsmittel Selen aufnehmen kann. Im menschlichen Körper befinden sich etwa 10-15 mg Selen, das zwar in sämtlichen Geweben eingelagert, aber nicht gleichmäßig verteilt ist. Für die normale gesunde Funktion unseres Organismus ist es unablässig, weswegen eine stetige Versorgung gewährleistet sein muss.

Wofür braucht der Körper Selen?

Selen ist von fundamentaler Bedeutung für eine Vielzahl biologischer Prozesse, wobei es im Wesentlichen in Form von sogenannten Selenoproteinen agiert. Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff für alle Proteine, die im Körper vorkommen und Selen enthalten. Dort ist es wesentlicher Bestandteil der Aminosäure Selenocystein, die ihrerseits für die Funktion des entsprechenden Proteins unentbehrlich ist. Der Einbau von Selenocystein ist ein einzigartiger und äußerst komplexer Prozess, der sich von dem üblichen Einbau von Aminosäuren in Proteine markant unterscheidet. Auch wenn an dieser Stelle nicht weiter auf Details eingegangen wird, kann dennoch festgehalten werden, dass die Entstehung eines solchen fein abgestimmten Prozesses, die Bedeutung dieser Proteine für den Organismus insgesamt unterstreicht.

Bis heute wurden beim Menschen über 25 unterschiedliche Selenoproteine identifiziert, die eine breite Vielfalt in ihrer Gewebeverteilung und Funktion aufweisen. So handelt es sich zum Teil um Enzyme, doch gibt es auch eine Reihe Selenoproteine, die keine Enzymfunktion aufweisen und deren Funktion noch immer nicht eindeutig verstanden ist. In den folgenden Abschnitten sollen die wichtigsten Funktionen von Selenoproteinen im menschlichen Organismus im Detail vorgestellt werden, um ein besseres Verständnis ihrer Bedeutung zu bekommen.

Antioxidative Eigenschaften

Antioxidantien sind der einzig wirksame Schutz unseres Körpers gegen oxidativen Stress. Oxidativer Stress ist ein physiologischer Zustand, der durch ein Ungleichgewicht zwischen der Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) und der Fähigkeit des Organismus, diese effektiv zu eliminieren, charakterisiert ist. ROS sind äußerst instabile sauerstoffhaltige Moleküle, die ungepaarte Elektronen enthalten und Elektronen von anderen Molekülen stehlen müssen, um ihre Stabilität zurückzuerhalten. Aufgrund dieses reaktiven Charakters wirken sie potenziell schädigend auf Zellen und Gewebe. ROS entstehen als Nebenprodukte des normalen Zellstoffwechsels, werden aber auch durch äußere Einflüsse wie UV-Strahlung, Umweltverschmutzung oder toxische Substanzen freigesetzt.

Die Bedeutung von oxidativem Stress in biologischen Systemen ist weitreichend und betrifft eine Vielzahl von physiologischen Prozessen. Auf zellulärer Ebene kann oxidativer Stress zu einer Schädigung von Proteinen, Lipiden und Nukleinsäuren führen, was wiederum die Zellfunktion beeinträchtigt und so ganze Organe schädigen kann. So sind bis heute unterschiedliche Krankheitsbilder bekannt, die den Folgen von langfristigem oxidativem Stress zugeschrieben werden können. Hierzu gehören unter anderem Herz- Kreislauferkrankungen, chronische Entzündungserkrankungen oder neurodegenerative Erkrankungen. Tatsächlich stehen viele, wenn nicht alle Erscheinungen des Alterns in direktem Zusammenhang mit einem Anstieg von oxidativem Stress, da die Abwehrmechanismen im Laufe des Lebens stetig weniger und schwächer werden. Diese Abwehrmechanismen erfolgen mithilfe unterschiedlicher Antioxidantien, die die aggressiven ROS abfangen und ihnen dadurch ihr Gefahrenpotential nehmen.

In diesem Zusammenhang scheint Selen eine herausragende Rolle zu besitzen. Tatsächlich ist sich die Forschung heute einig, dass die antioxidativen Eigenschaften von Selen bzw. entsprechenden Selenoproteinen (z. B. Glutathionperoxidasen) der wichtigste Aspekt dieses Spurenelementes für den menschlichen Organismus ist. Diese Eigenschaften könnten sich zunutze gemacht werden, um Menschen gezielt gegen schädliche Umweltfaktoren zu schützen. So fassten Wissenschaftler in einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2016 zahlreiche Forschungsarbeiten zusammen, die zeigen, dass die Verabreichung von Selen sich als wirksam gegen die Toxizität vieler Substanzen und die Nebenwirkungen von Medikamenten erwiesen hat, die vornehmlich auf ihren auslösenden oxidativen Stress zurückzuführen ist. Auf dieser Basis diskutieren die Forscher einen möglichen Einsatz von Selen zur Vorsorge oder in diversen Therapien, weisen allerdings direkt darauf hin, dass der Bereich zwischen therapeutischen und gefährlichen Dosierungen sehr schmal ist, wodurch Selen als Therapeutikum in der Praxis womöglich ein zu hohes Risiko darstellt. Von einer eigenmächtigen Verwendung zu diesem Zweck ist daher dringend abzuraten und auch weitere Forschung ist dringend nötig, um ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zu erreichen. [1]

Schilddrüse

Die Schilddrüse, ein endokrines Organ von entscheidender Bedeutung im menschlichen Organismus, reguliert eine Vielzahl lebenswichtiger physiologischer Prozesse. Sie produziert und sezerniert Schilddrüsenhormone, insbesondere Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4). Sie wirken auf fast alle Zellen im Körper und steigern deren Aktivität. Dadurch erhöhen sie den Grundumsatz und den Energieverbrauch. Dies ist essenziell für die Aufrechterhaltung einer normalen Körpertemperatur und für die Energieversorgung der Organe. Des Weiteren sind Schilddrüsenhormone wichtig für das Wachstum und die Entwicklung von Geweben und Organen, insbesondere im Kindesalter. Sie beeinflussen auch die Herzfrequenz, den Blutdruck und die Verdauung. Störungen der Schilddrüsenfunktion können zu verschiedenen Erkrankungen führen.

Eine Überproduktion von Schilddrüsenhormonen (Hyperthyreose) kann zu Symptomen wie Herzrasen, Gewichtsverlust und Nervosität führen. Eine Unterproduktion (Hypothyreose) kann Müdigkeit, Gewichtszunahme und depressive Verstimmungen verursachen. So wird schnell deutlich, dass eine exakte Regulation der Schilddrüsenhormonspiegel von essenzieller Bedeutung für die Aufrechterhaltung des physiologischen Gleichgewichts im gesamten Organismus ist. Selen nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, da es in Form unterschiedlicher Selenoproteinen unerlässlich für die Synthese und die Wirkung von Schilddrüsenhormonen ist.

Wissenschaftler aus Italien veröffentlichten im Jahr 2021 eine Übersichtsarbeit, die sich allein mit der Rolle von Selen für die Schilddrüse befasst. Dabei betonen sie die unbestreitbare Rolle von Selenoproteinen in der Schilddrüsenfunktion. Insbesondere die Glutathionperoxidasen (GPx), Thioredoxin-Reduktasen (TrxR) und die verschiedenen Deiodinasen (D1, D2, D3) stellen zentrale Selenoproteine für eine gesunde Schilddrüsenfunktion dar. GPx schützen Zellen vor Schäden durch oxidativen Stress, TrxR ist ein starkes Antioxidans und unterstützt zudem die Regulation von Transkriptionsfaktoren, die die Funktion der Schilddrüse steuern. Sogenannte Deiodinasen sind direkt an der Regulation der Schilddrüsenhormone beteiligt, indem sie die Verfügbarkeit und Aktivität dieser Hormone steuern. Sie sind außerdem entscheidend für die Homöostase der Schilddrüsenhormone im Blutkreislauf und den Zielgeweben.

Insgesamt ist die Wechselwirkung von Selen und Selenoproteinen mit der Schilddrüsenfunktion von fundamentaler Bedeutung für die Aufrechterhaltung des endokrinen Gleichgewichts im menschlichen Organismus. Diese komplexe Interaktion ist wiederum essentiell für zahlreiche physiologische Prozesse im Körper, was sich vor allen Dingen dann bemerkbar macht, wenn es zu Störungen in diesem System kommt. So wurden in der Literatur interessante Aspekte aufgezeigt, die zukünftige Erkenntnisse für ein besseres Verständnis der Schilddrüsenbiologie bieten. Hierzu gehört zum Beispiel die Feststellung, dass die Aufnahme von Selen durch die Schilddrüse unabhängig von anderen Aufnahmemechanismen von Selen zu sein scheint. Dies wiederum deutet darauf hin, dass die Schilddrüse in der Lage sein könnte, Selen effektiv anzusammeln, zu speichern und wiederzuverwenden, um möglichen Unterversorgungen entgegenzuwirken. Interessant ist auch die Beobachtung, dass seltene Mutationen in einem Gen von einem Protein (SBP2), das für die Synthese von Selenoproteinen erforderlich ist, zu einem Zustand führen, bei dem die Schilddrüsenwerte deutlich von ihren Normwerten abweichen, wobei die Schwankungen nach unten oder oben beobachtet wurden, was eine massive Störung des natürlichen Gleichgewichtes der Hormonregulation bei Fehlen bestimmter Selenoproteine widerspiegelt. [2]

Immunsystem

In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2018 betonen Wissenschaftler aus des USA die große Bedeutung von Selen für das Immunsystem. Demnach kann ein Selenmangel zu einer Immunschwäche führen, die die Anfälligkeit für Infektionen und möglicherweise auch für Krebs erhöht. Es gibt außerdem Hinweise darauf, dass Selen die Pathologie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen im Darm und in der Leber sowie bei mit Entzündungen assoziierten Krebserkrankungen negativ beeinflussen kann. Im Knochenmark scheinen spezifische Selenoproteine einen wichtigen Einfluss auf die Bildung und Weiterentwicklung von Immunzellen zu besitzen, wobei tiefgreifendere Forschung betrieben werden muss, um diese Prozesse genauer zu verstehen. Doch konnte zum Beispiel an speziellen genveränderten Labormäusen gezeigt werden, dass es bei einem systemischen Mangel von Selen zu drastischen Entwicklungsstörungen im Immunsystem kommt.

In diesem Zusammenhang ist auch das Auftreten von Autoimmunerkrankungen interessant, denn Studien konnten tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit diverser Autoimmunerkrankungen und einer chronischen Unterversorgung mit Selen bedingt durch regional selenarme Böden herstellen. Bei Autoimmunerkrankungen richtet sich ein Teil des Immunsystem gegen den eigenen Organismus und greift körpereigene Strukturen an, weil sie als fremd eingestuft werden. Beispiele für häufige Autoimmunerkrankungen sind Typ-1-Diabetes, Hashimoto oder Multiple Sklerose.

Laut den Autoren der Übersichtsarbeit gibt nur wenige eindeutige Berichte darüber, auf welchen Wegen genau Selen bzw. entsprechende Selenoproteine die Bildung von Immunzellen und dessen Weiterentwicklung beeinflussen. Insgesamt steckt die Forschung und das daraus entstehende Verständnis noch in den Kinderschuhen, doch kann bereits heute mit Sicherheit festgestellt werden, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Selenversorgung und dem Immunsystem besteht. [3]

Fruchtbarkeit

Sowohl bei Wirbeltieren als auch Wirbellosen ist eine Abweichung vom physiologischen Selen-Status mit Unfruchtbarkeit verbunden, was auf sehr grundlegende Mechanismen hindeutet, die sich bis zur Entwicklung des Menschen kaum verändert haben. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass es vor allen Dingen die antioxidativen Eigenschaften von Selenoproteinen sind, die sowohl in den männlichen als auch in den weiblichen Keimdrüsen Zellen und deren DNA vor Schäden durch oxidativen Stress bewahren und dadurch dessen gesunde Funktion weitreichend unterstützen.

Während der Schwangerschaft steht ein Mangel oder Überschuss an Selen tatsächlich in Verbindung mit Fehlgeburten oder diversen Komplikationen wie Präeklampsie, Schwangerschaftsdiabetes, eingeschränktem fetalen Wachstum oder Frühgeburten. Genauere Untersuchungen bei Kühen und Schafen konnten zeigen, dass die Supplementierung von Selen während der Schwangerschaft von Muttertieren mit ansonsten unzureichender Selenzufuhr über die Nahrung die Entwicklung von Mutter und Jungtier bis in die Zeit nach der Geburt deutlich verbesserte. Auch Probleme mit der Einnistung könnten mit einer Unterversorgung mit Selen in einem Zusammenhang stehen, da die fein abgestimmte Funktion der Eierstöcke gestört sein kann. Gleiches gilt für die Bildung gesunder Spermien, weshalb es auch von männlicher Seite bei Problemen mit der Selenversorgung zu Einschränkungen der Fruchtbarkeit kommen kann. Forscher diskutieren daher eine gezielte Selen-Supplementierung bei Menschen mit Kinderwunsch, wenn eine ernährungsbedingte Unterversorgung wahrscheinlich ist. Auf diese Weise könnten die Fruchtbarkeit und die Schwangerschaft potenziell verbessert werden. Zukünftige Forschungsanstrengungen sind allerdings dringend erforderlich, um diesen sensiblen Ansatz zu prüfen. [4]

Was passiert bei einem Mangel an Selen?

Eine Unterversorgung mit Selen kann erhebliche negative Auswirkungen auf den Organismus haben, wobei eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen beeinträchtigt sind, die in den vorangegangenen Abschnitten teilweise detailliert erläutert wurden. Besonders betroffen von einer Unterversorgung ist dabei das Herz-Kreislauf-System. So wurde ein Mangel an Selen mit verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter Kardiomyopathien wie die sogenannte Keshan-Krankheit, Herzinsuffizienz oder Myokardinfarkte.

Die Schlüsselrolle von Selen liegt in seiner Verwendung als Baustein von Selenoproteinen, die vor allen Dingen entscheidend für die Kontrolle von freien Radikalen und der Regulation der Schilddrüsenhormone sind, beides Prozesse, die das feingesteuerte Herz-Kreislauf-System bei Fehlregulation aus seiner gesunden Funktion hebeln können. So führt ein niedriger Selenpegel zu einer Beeinträchtigung der Synthese dieser wichtigen Selenoproteine im Herzen, was wiederum zu einem Mangel wichtiger Selenoproteine führen, wodurch es zu einem Anstieg von oxidativem Stress und Entzündungsreaktionen kommt. In Experimenten, bei denen die Selenoproteine durch die Deletion von Selenocystein-tRNA im Herzen und Skelettmuskel von Labortieren entfernt wurden, trat ein plötzlicher Herzstillstand aufgrund von erhöhtem oxidativem Stress und Entzündungen auf. Dennoch wurden der Stoffwechsel von Selen und alle molekularen Mechanismen, durch den Selenoproteine an der Regulierung der Herzfunktion beteiligt sind, noch immer nicht vollständig geklärt. Ein besseres Verständnis ist dringend erforderlich. [4]

Wie wird Selen aufgenommen?

Die wichtigste Quelle, um unseren Bedarf an Selen zu decken, ist die Nahrung. Dabei ist die Konzentration des wichtigen Spurenelements starken Schwankungen unterworfen. So wird sie maßgeblich von geografischen Variationen des Selengehalts und der Bioverfügbarkeit in regionalen Böden und dem Wasser beeinflusst, ebenso von der Verwendung von selenangereicherten Dünge- und Futtermitteln. In Nahrungsmitteln liegt Selen hauptsächlich als Selenocystein (SeCys) oder Selenmethionin (SeMet) vor, während nur vergleichsweise geringe Mengen anorganisch in Form von Selenat und Selenit gebunden sind.

Die Effizienz der Aufnahme des Selens über die Schleimhaut des Dünndarms hängt nicht nur von der vorhandenen Menge, sondern auch von der Form ab. So kann organisch gebundenes Selen deutlich leichter resorbiert werden. Gleichzeitig bestehen insbesondere für die Aufnahme von anorganisch gebundenem Selen Wechselwirkungen mit anderen Substanzen, die zum Teil noch nicht im Detail verstanden sind. So können schwefelreiche Verbindungen und bestimmte Schwermetalle wie Molybdän, Cadmium, Quecksilber, Blei und Arsen in der Nahrung die Bioverfügbarkeit von Selenat verringern, indem sie unlösliche Komplexe (Selenide) bilden oder die Transportproteine der Dünndarmzellen blockieren. Dabei bewirkt das aufgenommene Selen gleichermaßen einen Schutz vor den genannten Schwermetallen, die in den Komplexen gebunden nicht weiter in den Körper hineingelangen können. Cystein, Glutathion und normale Mengen an Vitamin C fördern die Aufnahme von Selenit, während hohe Dosen von Vitamin C die Aufnahme hemmen können. Aus diesem Grunde wird auch empfohlen, selenithaltige Medikamente nicht gleichzeitig mit hochdosierten Ascorbinsäurepräparaten einzunehmen. Nach der Aufnahme gelangt Selen über die Leber in den Blutkreislauf, sodass es in die verschiedenen Organe und Gewebe transportiert werden kann. [6]

Selen in natürlichen Nahrungsmitteln

Die Bestimmung des Selengehalts in natürlichen Lebensmitteln ist aufgrund der starken Variabilität nicht leicht und wird zusätzlich durch komplizierte Extraktionsmethoden zur genauen Messung erschwert. Aus diesem Grunde beruhen Angaben des Selengehaltes in Lebensmitteln in der Regel nur auf groben Schätzungen und können mitunter deutlich von dem tatsächlichen Wert abweichen.

Insgesamt stellen tierische Lebensmittel wie Fleisch, Eier und Fisch in Deutschland die Hauptquelle für Selen dar. Aber auch Getreide, Nüsse, Hülsenfrüchte oder verschiedene Kohlsorten verfügen über vergleichsweise große Mengen an Selen, da diese Pflanzenfamilien sehr effizient Selen aus dem Boden zieht und einlagert. Problematisch sind hier allerdings, wie bereits erläutert, die mitunter stark unterschiedlichen Selenmengen in den Böden, wobei Mitteleuropa als eher arm an Selen gilt. Allerdings kann durch eine gezielte selenhaltige Düngung die Bodenqualität in dieser Hinsicht verbessert werden.

Auch bei tierischen Lebensmitteln kann die enthaltene Menge an Selen theoretisch stark schwanken, da auch die Einlagerung im tierischen Gewebe direkt vom Futter der Tiere abhängig ist. Allerdings greifen hier zusätzliche Futtermittel. Um eine optimale Versorgung mit dem wichtigen Spurenelement zu gewährleisten, ist in der EU selenhaltiges Zusatzfutter zugelassen. Auch werden teilweise Weideflächen gezielt mit selenhaltigem Dünger versorgen, um die Aufnahme des Spurenelementes bei Weidevieh zu verbessern. Insgesamt ist die Menge an Selen in tierischen Lebensmitteln durch diese Maßnahmen deutlich konstanter und zuverlässiger. Die höchsten Konzentrationen von Selen finden sich in Innereien wie Herz, Niere oder Leber.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für erwachsene Personen eine tägliche Zufuhr von 60-70 µg Selen, wobei der Bedarf von Männern eher im oberen und der von Frauen eher im unteren Bereich anzusiedeln ist. In Der Stillzeit wird ein Bedarf von 75 µg pro Tag geschätzt, um Mutter und Kind optimal zu versorgen [7]. Zur Versorgungslage mit Selen gibt es in Deutschland aktuell keine Daten, da die Selenzufuhr in den bisherigen Verzehrstudien nicht erhoben wurde. Allerdings hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) anhand von Verzehrdaten aus Finnland, Irland, Italien, Lettland, den Niederlanden und Großbritannien sowie auf der Basis einer eigenen Datenbank zum Selengehalt in Lebensmitteln die tägliche Zufuhr von Selen pro Person geschätzt. Sie liegt demnach bei Erwachsenen zwischen 31 µg und 66 µg pro Tag, also vermutlich eher etwas unterhalb der empfohlenen Zufuhrmenge. Dabei gehen Experten davon aus, dass insbesondere Vegetarier und Veganer im Durchschnitt schlechter mit Selen versorgt sind, da tierische Lebensmittel eine gehaltvollere Selenquelle darstellen. [8, 12]

Selen in Nahrungsergänzungsmitteln

Auf dem Markt gibt es zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel, die Selen in unterschiedlichen organischen oder anorganischen Verbindungen enthalten, wobei, wie bereits oben erläutert, organisch gebundenes Selen meist besser vom Körper aufgenommen werden kann. Innerhalb der EU-sind für solche Produkte folgende Formen zugelassen:

  • L-Selenomethionin
  • L-Selenocystein
  • Selen-angereicherte Hefe
  • Selenige Säure
  • Natriumselenat
  • Natriumhydrogenselenit
  • Natriumselenit

Dabei gibt es eine ganze Reihe von Produkten, die Selen in hohen Dosierungen von bis zu 220 µg pro Tag vorsehen und entsprechend als „hochdosiert“ beworben werden. Grundsätzlich finden sich kaum reine Seelenpräparate mit weniger als 100 µg Selen pro Tagesdosis, die in der Regel in Form einer Kapsel eingenommen wird. Tropfen ermöglichen eine niedrigere Dosierung, müssen aber genau abgemessen werden.

Neben reinem Selensupplements kommt das Spurenelement als Bestandteil in einer Vielzahl von komplexen Nahrungsergänzungsmitteln vor und wird hier in der Regel in deutlich geringeren Dosierungen von etwa 20-40 µg pro Tag verwendet. Solche Komplexpräparate stehen häufig unter einem bestimmten Motto (z. B. Schwangerschaft, Immunsystem oder Schilddrüse) und enthalten entsprechend weitere Mikronährstoffe, die in dem jeweiligen Kontext sinnvoll scheinen. Dadurch decken komplexe Präparate ein breiteres Spektrum ab, sind aber insgesamt deutlich weniger spezifisch, wobei die Frage nach der Notwendigkeit einer Spezifität weiter unten geklärt wird. [9]

Werbeversprechen – Health Claims

Health Claims sind Aussagen über die gesundheitlichen Vorteile eines Nahrungsergänzungsmittels bzw. eines Inhaltsstoffes daraus. Sie dienen dazu, Verbrauchern klare und fundierte Informationen über mögliche positive Auswirkungen auf die Gesundheit zu geben und dienen damit gleichermaßen der Information wie auch dem Schutz vor falschen Versprechungen oder irreführender Werbung für Produkte, die sich mit dem sensiblen Bereich der Gesundheit befassen.

In der EU unterliegen Health Claims strengen Vorschriften und müssen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einzeln wissenschaftlich bewertet und explizit zugelassen werden, bevor sie verwendet werden dürfen.

Die Zulassung von Health Claims ist ein aufwendiger Prozess, der sicherstellen soll, dass die gemachten Aussagen wissenschaftlich fundiert und verlässlich sind. Für eine Genehmigung müssen die Antragssteller (in der Regel die Hersteller) umfassende wissenschaftliche Nachweise in Form von öffentlich publizierten Studien vorlegen, die die behaupteten gesundheitlichen Vorteile unterstützen. Diese Nachweise werden von den unabhängigen Experten und Wissenschaftlern der EFSA überprüft, um sicherzustellen, dass sie den strengen wissenschaftlichen Standards auch entsprechen. Health Claims müssen am Ende dieses Prozesses immer klar und verständlich für den Verbraucher formuliert sein und dürfen nicht irreführend sein.

Für Selen wurden in den Jahren 2009 und 2010 unterschiedliche Health Claims beantragt, von denen durch die EFSA schließlich folgende genehmigt wurden:

  • Selen trägt zu einer normalen Spermabildung bei.
  • Selen trägt zur Erhaltung normaler Haare bei.
  • Selen trägt zur Erhaltung normaler Nägel bei.
  • Selen trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei.
  • Selen trägt zu einer normalen Schilddrüsenfunktion bei.
  • Selen trägt dazu bei, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.

An dieser Stelle ist es interessant, außerdem zu schauen, welche Gesundheitsversprechen zwar beantragt, aber nicht von der EFSA genehmigt wurden. Solche Versprechen betrafen unter anderem die Prostatafunktion, kognitive Funktionen oder die Erhaltung gesunder Gelenke. Diese drei Aussagen wurden aufgrund unzulänglich klarer Zusammenhänge zu einer Aufnahme von Selen von der EFSA abgelehnt. Doch auch Zusammenhänge, die auf den ersten Blick eindeutig scheinen, werden nicht immer automatisch von der EFSA als Werbeaussage für ein Supplement anerkannt. So wurde zum Beispiel die Werbeaussage abgelehnt, dass Selen wichtig für eine gesunde Herz-Kreislauf-Funktion ist. Zwar ist, wie weiter oben erläutert, ein Selenmangel mit Herz-Kreislauf-Symptomen assoziiert, doch beruhen diese auf einem indirekten Effekt, nämlich der Steigerung von oxidativem Stress. Dieser wird in einer eigenen Werbeaussage abgehandelt, ohne Bezug auf die Folgen (hier: eine gesunde Funktion des Herz-Kreislauf-Systems) zu nehmen. Einen direkten Zusammenhang zwischen der Selenzufuhr und einer normalen Funktion des Herz-Kreislauf-Systems fanden die Experten zum damaligen Zeitpunkt nicht. Aktuell (Stand: Sept. 23) ist nicht bekannt, ob erneut Anträge für eine diesbezügliche Werbeaussage gestellt worden sind.

Zusätzlich geht die EFSA davon aus, dass die normale Durchschnittsbevölkerung, also die Zielgruppe von den beantragten Werbeaussagen, mit einer ausgewogenen Nahrung eigentlich ausreichend Selen aufnehmen kann, sodass mit einem zusätzlichen Vorteil, zumindest für die Allgemeinbevölkerung, nicht gerechnet werden sollte. [10, 11]

Wer könnte von Supplements mit Selen profitieren?

Wie weiter oben bereits erläutert wurde, ist die genaue Versorgungslage der deutschen Bevölkerung bezüglich Selen nicht im Detail bekannt. Allerdings gehen Schätzungen davon aus, dass die Zufuhr durchschnittlich eventuell leicht unter der empfohlenen Tagesmenge liegen könnte. Demnach besteht das Risiko einer Unterversorgung vor allen Dingen für Menschen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren und dabei wenig vielseitig in der Wahl ihrer Lebensmittel sind. Trotz dieser Einschränkung bleibt insgesamt festzuhalten, dass mit einer ausgewogenen Ernährung, bei der eine breite Vielfalt an natürlichen Nahrungsmitteln auf den Tellern landet, eine ernährungsbedingte Unterversorgung mit Selen auch bei Veganern eher nicht zu erwarten ist. Dennoch können Situationen eintreffen, bei denen eine Unterversorgung mit Selen entstehen könnte, die über ein entsprechendes Supplement ausgeglichen werden sollte. Beispiele hierfür sollen im folgenden Abschnitten genannt werden. Doch kann bereits an dieser Stelle verdeutlicht werden, dass ein für sich isolierter Selenmangel, der die Verwendung von reinem Selen als Supplement bedarf, in der Praxis nicht auftritt. Vielmehr handelt es sich um komplexe und breit gefächerte Unterversorgungen, zu denen dann auch Selen zählt. Entsprechend ist es wichtig, komplexe Präparate zu verwenden, die erstens eine nicht zu hohe Dosierung enthalten und zweitens auch eine Unterversorgung mit anderen Nährstoffen abdecken.

Mögliche Situationen mit zu geringer Selenaufnahme

Trotz der allgemein wahrscheinlich eher guten Versorgungslage, kann unter bestimmten Bedingungen eine Unterversorgung mit Selen vorliegen, die aber nicht isoliert für sich zu betrachten ist, sondern vielmehr eine komplexe Situation darstellt, bei der die Versorgung mit mehreren Mikronährstoffen gleichzeitig eingeschränkt ist. Betroffen sind hiervon beispielsweise Menschen mit schweren Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht, Dialysepatienten oder Menschen mit (schweren) chronischen Darmerkrankungen, bei denen bedingt durch anhaltende Entzündungen der Darmschleimhaut die Aufnahme von Mikronährstoffen grundsätzlich zumindest phasenweise nur noch eingeschränkt funktioniert. In all diesen Fällen ist eine Zufuhr von zusätzlichen Nährstoffen geboten, zu denen dann auch Selen gehören sollte. Doch gilt für entsprechende Personengruppen, dass diese Zufuhr von ihrem behandelnden Arzt ermessen und begleitet wird. Von einer zusätzlichen Einnahme von Supplements auf eigene Faust ist eher abzuraten. Zusätzlich gilt, dass aufgrund der Komplexität der Unterversorgung auf Produkte zurückgegriffen werden sollte, die nicht nur Selen, sondern auch andere Mikronährstoffe wie Vitamine oder Mineralstoffe enthalten. Dabei ist es von größter Wichtigkeit auf die Höchstmengen aller Inhaltsstoffe zu achten und empfohlene Grenzwerte nicht zu überschreiten.

Selen – Höchstmengen und Risiken

Die Zufuhr von Selen ist nicht vollkommen unbedenklich, da das Fenster der idealen Menge für den menschlichen Organismus klein ist. So kommt es sowohl bei einer Unter- als auch bei einer Überversorgung zu gesundheitlichen Problemen. Erst im Jahr 2023 veröffentlichte die EFSA aus diesem Grunde eine umfangreiche Arbeit zum Thema der tolerierbaren Höchstmenge von Selen in der Nahrung. Darin fassen die Wissenschaftler unterschiedliche Erkenntnisse über die Gefahren einer Überversorgung mit Selen zusammen, die in internationalen wissenschaftlichen Studien der letzten Jahre publiziert worden sind.

Tatsächlich sind die genauen molekularen Mechanismen einer Überversorgung mit Selen noch nicht verstanden, doch konnten verschiedene Effekte beobachtet werden. So basiert die häufigste angenommene Wirkungsweise von überschüssigem Selen auf der Erzeugung von oxidativem Stress, der wiederum eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome und Störungen mit sich bringt. Dabei sind insbesondere die Mitochondrien der Zellen betroffen, die für die Energiegewinnung des Organismus benötigt werden, sodass es zu einem allgemeinen Energieverlust und dem Gefühl von Schwäche, Müdigkeit und Konzentrationsverlust kommt. Wissenschaftler vermuten, dass der gesteigerte oxidative Stress durch eine Sättigung in der Bildung von Selenoproteinen erfolgt. Durch diese kommt es zur Oxidation von überschüssigem Wasserstoff-Selenid und freien Selenolen sowie zur Produktion von Superoxid und anderen reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). Mögliche Folgen hiervon, die teilweise in Tiermodellen bei Selen-Überschuss beobachtet wurden, sind Endothelfunktionsstörung, Wachstumsreduktion, Auswirkungen auf den Insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) oder die Ersetzung von Schwefel durch Selen in Proteinen.

In der Klinik zeigt sich bei Menschen mit einem starken Selenüberschuss das Bild einer sogenannten Selenose (auch Selenvergiftung), die in eine akute und eine chronische Form unterteilt werden kann. Bei einer akuten Selenvergiftung kann es zu mitunter schweren Beeinträchtigungen des Herz-Kreislauf- sowie des Verdauungssystems kommen. So zeigen sich vor allen Dingen Symptomen wie Hypotonie, Tachykardie, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen. Aber auch Lungenödeme und neurologischen Auffälligkeiten von Konzentrationsstörungen bis hin zu ernsthaften Ausfallerscheinungen können bei einem akuten Selenüberschuss auftreten. Bei einer chronischen Selenvergiftung zeigen sich außerdem verdickte Nägel mit weißen Flecken und Längsstreifen, brüchiges Haar und Haarausfall. Weitere Symptome können Zahnverfärbung und übermäßiger Zahnverfall, Knoblauchgeruch im Atem, Hautläsionen und neurologische Abweichungen sein. Bei Menschen zeigten sich derartige Symptome bei einer Aufnahme ab etwa 400 µg Selen pro Tag. Auf der Basis dieser Daten formulierte die EFSA daher eine Höchstmenge von 330µg Selen pro Tag, die durchschnittlich von einem Menschen insgesamt über Nahrung aufgenommen werden können. [12]

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nahm diese Daten der EFSA ihrerseits und leitete daraus eine empfohlene Höchstmenge an Selen für Nahrungsergänzungsmittel ab. Dabei gehen auch sie immer von einer Ernährungssituation aus, die im oberen Bereich des geschätzten Durchschnittes liegt und ziehen außerdem einen Toleranzbereich ab. Somit kommen die Experten zu einer maximalen Zufuhr von 45µg Selen pro Tag über Nahrungsergänzungsmittel. An dieser Stelle zu beachten, dass Empfehlungen des BfR nicht bindend sind, sondern als reine Informationsquelle für Verbraucher dienen. Höhere Dosierungen, mitunter auch deutlich höhere Dosierungen, sind demnach durch den breiter gesteckten Rahmen der EFSA innerhalb der EU zwar zugelassen und entsprechende Produkte auch frei verkäuflich, jedoch sind sie laut BfR nicht unbedenklich. [13]

Fazit mit Vor- und Nachteilen

Selen ist ein essentielles Spurenelement, das der Mensch zwingend mit der Nahrung aufnehmen muss. Im Körper wird es vor allen Dingen für Mechanismen benötigt, die vor oxidativem Stress schützen, doch ist Selen auch wichtig für das Immunsystem, die Bildung und die Aktivität von Schilddrüsenhormonen oder für die Fruchtbarkeit. Insgesamt handelt es sich somit um äußerst komplexe und zum Teil grundlegende Aufgaben dieses Spurenelementes, die für unsere Gesundheit von größter Wichtigkeit sind. Auch wenn der Selengehalt in mitteleuropäischen Böden eher niedrig ist, ist davon auszugehen, dass Menschen mit einer ausgewogen Ernährung ausreichende Mengen an Selen über natürliche (pflanzliche und tierische) Lebensmittel aufnehmen. Kritisch wird es eventuell bei einseitiger (insbesondere veganer) Ernährung. Auch bei bestimmten chronischen Darmerkrankungen, Nierenerkrankungen oder schweren Essstörungen kann es zu einer Unterversorgung mit Selen kommen, wobei hier immer auch weitere Mikronährstoffe beeinträchtigt sind und eine komplexe Ergänzung über Supplements von einem Arzt abgestimmt werden sollte.

Nahrungsergänzungsmittel mit Selen, insbesondere solche, die ausschließlich Selen beinhalten, sind bei der Supplementierung von Mikronährstoffen durchaus kritisch zu betrachten, da sie meist Dosierungen vorsehen, die vom Bundesinstitut für Risikobewertung nicht als unbedenklich eingestuft werden. So kann eine übermäßige Zufuhr von Selen unter anderem zu schweren Störungen im Herz-Kreislauf- und Verdauungssystem führen. Der empfohlene Richtwert für Selen in Nahrungsergänzungsmittel liegt demnach bei nicht mehr als 45 µg pro Tag. Komplexe Nahrungsergänzungsmittel, die eine Vielzahl von Mikronährstoffen enthalten, überschreiten diesen Empfehlungswert für Selen meist nicht. Dennoch müssen bei einem solchen Produkt auch die Höchstwerte der übrigen Inhaltsstoffe beachtet werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Supplementierung von Selen in der Regel wahrscheinlich nicht nötig ist. In Einzelfällen sind wahrscheinlich eher komplexere Präparate ratsam, wobei insbesondere eine langfristige Verwendung mit einem Arzt besprochen werden sollte.

Quellen

[1] Kiełczykowska et al. (2016) Selenium – a fascinating antioxidant of protective properties, Adv Clin Exp Med. 2018;27(2):245–255 https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29521069/

[2] Gorini et al. (2021) Selenium: An Element of Life Essential for Thyroid Function, Molecules. 2021 Nov 23;26(23):7084. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34885664/

[3] Avery & Hoffmann (2018) Selenium, Selenoproteins, and Immunity; Nutrients 2018, 10, 1203
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6163284/pdf/nutrients-10-01203.pdf

[4] Dahlen et al. (2022) Selenium supplementation and pregnancy outcomes, Front Nutr. 2022; 9: 1011850. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36386927/

[5] Shimada et al. (2021) The Impact of Selenium Deficiency on Cardiovascular Function, Int J Mol Sci. 2021 Oct 2;22(19):10713. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34639053/

[6] Kieliszek , M (2019) Selenium–Fascinating Microelement, Properties and Sources in Food, Molecules. 2019 Apr 3;24(7):1298. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30987088/

[7] DGE (2015) Referenzwerte für die angemessene Selenzufuhr https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/selen/#c1071

[8] DGE Selen – Ausgewählte Fragen und Antworten https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/faq/selen/#c2943

[9] Verbraucherzentrale (2022) Selen – ein guter Schutz für unseren Körper https://www.klartext-nahrungsergaenzung.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/selen-ein-guter-schutz-fuer-unseren-koerper-17732

[10] EFSA (2009) Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to selenium and protection of DNA, proteins and lipids from oxidative damage (ID 277, 283, 286, 1289, 1290, 1291, 1293, 1751), function of the immune system (ID 278), thyroid function (ID 279, 282, 286, 1289, 1290, 1291, 1293), function of the heart and blood vessels (ID 280), prostate function (ID 284), cognitive function (ID 285) and spermatogenesis (ID 396) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006, EFSA Journal 2009; 7(9):1220 https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2009.1220

[11] EFSA (2010) Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to selenium and maintenance of normal hair (ID 281), maintenance of normal nails (ID 281), protection against heavy metals (ID 383), maintenance of normal joints (ID 409), maintenance of normal thyroid function (ID 410, 1292), protection of DNA, proteins and lipids from oxidative damage (ID 410, 1292), and maintenance of the normal function of the immune system (ID 1750) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/20061, EFSA Journal 2010;8(10):1727 https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2010.1727

[12] EFSA (2023) Scientific opinion on the tolerable upper intake level forselenium https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2023.7704

[13] bfR (2021) Höchstmengenvorschläge für Selen in Lebensmitteln inklusive Nahrungsergänzungsmitteln https://www.bfr.bund.de/cm/343/hoechstmengenvorschlaege-fuer-selen-in-lebensmitteln-inklusive-nahrungsergaenzungsmitteln.pdf

Annika Mix ist promovierte Biologin und arbeitete viele Jahre in der medizinischen Grundlagenforschung. Mit einer journalistischen Weiterbildung erfüllte sie sich den Wunsch, als freiberufliche Texterin und Wissenschaftsjournalistin Themen aus dem Bereich von Gesundheit und Forschung alltagsnah zu vermitteln.